Название: Elfenzeit 7: Sinenomen
Автор: Susanne Picard
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Elfenzeit
isbn: 9783946773306
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Sie hörte ihren Bruder rufen, verstand aber kein Wort. Wieder bebte der Boden unter Rians Füßen, das Donnern der aufbrechenden Erde erschütterte ihr ganzes Sein bis ins tiefste Innere.
Ragnarök, schoss es ihr durch den Kopf. Die Welt geht unter.
Nichts wird mehr so sein, wie es war.
Doch bevor sie um die Welt trauern konnte, die gerade zerbrach, wurde Rian auf einmal am Arm gepackt und mitgezerrt, gleichzeitig erhielt sie erneut einen Stoß von hinten. Die Hitze eines Vulkanausbruchs fegte über sie hinweg.
Das Feuer, das alles verschlingt! Nadja! Das Kind! Die anderen! Sie wusste kaum, wie ihr geschah, sie fühlte nur, dass jemand sie festhielt und nicht loslassen wollte. Sie wurde mitgerissen, wirbelte herum und versuchte, das, was sie hielt, zu umklammern. Das vertraute Rauschen eines Portals umgab sie, in das sie immer tiefer hineingezogen wurde und das sie mit sich fortriss. Die Sekundenbruchteile, in denen sie durch diesen Tornado wirbelte, dehnten sich zu einer Ewigkeit, doch schließlich ließ der Schwindel nach und sie fiel.
… und fiel.
*
»Au!« Rhiannon, Prinzessin der Sidhe Crain, tat die gesamte rechte Seite weh, einschließlich der Schläfe. Außerdem war es kalt.
Sie war unsanft zu Boden gestürzt. Einem harten, mit kurzem Gras bewachsenen Boden, soweit sie ertasten konnte. Immerhin schien sie noch zu leben. War sie bewusstlos gewesen? Wahrscheinlich. Sie erinnerte sich an einen schier endlosen Fall, totale Dunkelheit und eine ebenso vollständige Orientierungslosigkeit, bevor alles wie ausgelöscht war.
Sie blieb ruhig liegen und versuchte sich daran zu erinnern, was geschehen war. Der Kampf! Das Heulen des Fenriswolfs. Schmerz, Schreie, Nadja, ihr Kind Talamh, Pirx, Grog, ihr Vater … und all die anderen. Wie war der Kampf wohl ausgegangen?
Warum war sie überhaupt durch das Tor … oh. Richtig. Der Getreue. Er hatte David und sie durch ein Portal gestoßen, um … sie in Sicherheit zu bringen? Warum? Bisher hatte er versucht, Rian und ihren Bruder entweder zu töten oder zu fangen. Woher kam auf einmal dieser Wandel?
Die Welt ist wohl nicht untergegangen, dachte Rian. Denn ich lebe noch. Aber wo bin ich?
Sie musste zu sich kommen, die Benommenheit abschütteln. Die Schmerzen machten ihr bewusst, dass sie nicht auf feinen Linnen gebettet lag und von Dienern versorgt wurde. Wo auch immer der Getreue sie hingeschickt hatte – die Heimat war es nicht.
Die Lider gehorchten ihr noch nicht, waren zu schwer. Sie stöhnte und versuchte, sich mit geschlossenen Augen zu orientieren. Der Boden war hart und eben, wie bereits festgestellt, drückte auf ihren Hüftknochen. Ihre Finger griffen in trockene Grasbüschel. Die Geräusche um sich herum konnte sie nicht richtig wahrnehmen, in ihren Ohren lag immer noch ein Nachhall, ein Rauschen und Summen dessen, was sie hinter sich gelassen hatte.
Sie sog die Luft tief durch die Nase ein. Es roch frisch und ein wenig salzig, als wäre ein Meer in der Nähe. Daher das Brausen in ihren Ohren! In regelmäßigen Rhythmen klatschten Wellen an den Strand, nicht allzu weit entfernt.
Ihre Lider zuckten, und blinzelnd konnte sie sie jetzt langsam öffnen. Sie richtete sich ein wenig auf und sah sich verschwommen um.
Wie erwartet, befand sie sich nicht in der Anderswelt – derart klare, sonnige Tage gab es nur im Reich der Menschen. Wenn sie aufstand, würde sie vermutlich den Boden unter den Füßen verlieren und einen knappen Zentimeter darüber schweben. Das war eine der seltsamen magischen Sachen, die nicht erklärt werden konnten.
Rian staunte. Ein nicht endenwollender, weißer Strand lag nicht weit entfernt von ihr, bis zum Horizont erstreckte sich ein blaues Meer, das in größeren und kleineren Wellen heranbrandete. Ein blauer, weiß durchsetzter Himmel, an dem hoch eine strahlende Sonne stand. In der Ferne waren Möwen zu hören, ihre sonst schrillen, klagenden Laute klangen noch ein wenig dumpf. Rians Gehör würde eine Weile brauchen, bis es sich endgültig erholt hatte.
Sie versuchte aufzustehen. Doch kaum war sie halb hochgekommen, gaben ihre Beine wieder unter ihr nach. Mist. Offenbar hatte sie sich den linken Knöchel verstaucht, und das rechte Knie hatte eine Prellung davongetragen.
Wütend saß Rian wieder auf dem grasig-sandigen Boden. Das kurze Gras sah aus, als sei es von Tieren abgeweidet worden. Kühe? Pferde? Lebten Menschen in der Nähe?
Rian unternahm einen neuen Versuch, sich hochzurappeln. Vorsichtig. Diesmal gelang es, sie stand, wenn auch etwas wacklig, auf beiden Beinen und stakste wie ein Storch im Salat ein paar Schritte auf eine kleinere Erhebung zu, die einen besseren Überblick über die Landschaft versprach. Sie musste wissen, wo sie war.
Es fiel ihr schwer, den sandigen Hügel hinaufzukommen, der linke Knöchel schmerzte und das rechte Knie ließ sich kaum anwinkeln. Der Arm war durch den Sturz ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden, er war aufgeschürft und brannte.
Rian seufzte befreit, als sie es geschafft hatte; als wäre es eine großartige Heldentat, dachte sie ironisch bei sich. In der Ferne sah sie weiße Watteflöckchen, und der Wind wehte leises Blöken herüber. Rian stand auf dem höchsten Punkt der weiten Schafweide. Dahinter erhoben sich unverkennbar Palmen.
Bis vor kurzem war sie auch in der Nähe eines Meeres gewesen, mit Schafweiden … und einem riesigen Gletscher. Island. Doch im Gegensatz zu dort war es hier warm, die Farben intensiv. Alles, was recht war – der Getreue hatte sie tatsächlich in Sicherheit gebracht, und außerdem an einen anheimelnden Ort. Aber warum nicht nach Hause, zum Baum der Crain? Hatte er etwa schon wieder etwas mit ihnen vor?
»Was für ein seltsamer Landstrich«, murmelte sie stirnrunzelnd. »Eine Schafweide mit Palmen. Wo gibt es so etwas wohl in der Menschenwelt?«
»Was weiß ich«, knurrte es auf einmal unterhalb von ihr, hinter einer Düne vor dem Strand. Rian stieß einen erschrockenen Laut aus, verlor den Halt und sank zu Boden. Ihr Herz raste. »David! Bist du das?«
»Wer denn sonst?«, ließ sich die Stimme erneut vernehmen, jetzt schon näher. Dann stolperte er um die Düne, stapfte mit erschöpftem Gesicht zu ihr hoch und ließ sich neben ihr hinplumpsen. »Schön, dass du dich wieder an mich erinnerst.«
Rian hob die Augenbrauen. »Ich konnte spüren, dass du lebst, und hätte mich als Nächstes nach dir auf die Suche gemacht – aber zuerst mal musste ich selbst zu mir kommen und mich orientieren«, erwiderte sie.
David warf ihr einen ungnädigen Blick zu. »Dafür, dass du erst letzthin noch rumgejammert hast, dass du mich an Nadja und meinen Sohn verlierst, bist du jetzt ziemlich gelassen.«
Rian schwieg. Eine Weile sagte keiner von beiden ein Wort.
»Ich habe wirklich Angst. Ich spüre, dass du mir entgleitest, David«, offenbarte sie schließlich. »Das gilt immer noch. Aber als ich aufgewacht bin, hatte ich nicht dieses Gefühl. Ich wusste, du bist in der Nähe und ich muss keine Sorge haben.« Sie machte eine Pause und suchte wieder nach Worten, die sie nicht fand. Es hilft nichts. Ich kann nicht andauernd darüber nachdenken, ob ich David irgendwann einmal verliere. Was auch immer mit ihm passiert, weil es Nadja in seinem Leben gibt, das Band zwischen uns wird nie zerreißen. Aber СКАЧАТЬ