Название: Autochthone Minderheiten und Migrant*innen
Автор: Sarah Oberbichler
Издательство: Bookwire
Жанр: Социология
Серия: Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte
isbn: 9783706561075
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Während sich die Forschungsbefunde der Sammelbände und Überblickswerke von Bonfadelli, Butterwegge, Ruhrmann usw. mehrheitlich auf die Situation in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder nordischen Ländern beziehen, ist die Forschungsliteratur zum Thema Migration in Italien recht überschaubar. Das liegt auch daran, dass erste empirische Untersuchung in Deutschland bereits in den 1970er-Jahren entstanden,75 als Italien sich erst langsam zu einem Einwanderungsland entwickelte. Erst in den letzten Jahren haben auch Analysen italienischsprachiger Medien zugenommen. Als ein wichtiges Gesamtwerk kann das 2016 von Marco Binotti, Marco Bruno und Valeria Lai erschiene Buch „Tracciare Confini. L`immigrazione nei media italiani“76 genannt werden. Die Autoren setzen sich in diesem Buch kritisch mit der italienischen Forschung zum Thema Migration und Medien auseinander und geben einen Überblick über das gesamte Spektrum der Repräsentation von Migrant*innen in italienischsprachigen Medien. Insbesondere Marco Bruno hat sich auch in unzähligen Aufsätzen und Buchbeiträgen mit dem Migrationsthema befasst.77 Ebenfalls sind seit 2010 mehrere italienisch- bzw. englischsprachige Aufsätze mit Medienanalysen in Italien veröffentlicht worden.78
Betrachtet man die Forschungslage zum Thema Medien – und im Besonderen Zeitungsanalyse – in Südtirol, können einzelne Publikationen einen Leitfaden bieten. Die Koordinierungsstelle für Integration hat in ihrem Jahresbericht 2013 „Einwanderung und Südtirol“79 beispielsweise eine Medienanalyse zum Ausländerbild durchgeführt. Analysiert wurden insgesamt 217 Artikel der Alto Adige und 199 Artikel der Dolomiten. Das daraus entstandene Kapitel schließt mit dem Fazit, dass „keiner der untersuchten Artikel bewusst rassistische Elemente (enthält), allerdings können auch eine unbewusste bzw. nicht durchdacht und unsensible Wortwahl, wie sie häufig vorkommt, zur Verzerrung und somit zu Vorurteilen bzw. Ängsten bei den Lesern führen“80. Die Analyse kann jedoch keine historische Entwicklung und keine Muster aufzeigen, weshalb sie für die vorliegende Studie wenig aussagekräftig ist.
Im Folgenden werden die wichtigsten Forschungsergebnisse der oben angeführten Literatur grob zusammengefasst sowie kritisch reflektiert:
Es wird überwiegend negativ über Migrant*innen berichtet
Die Erkenntnis, dass Medien Migrant*innen in einer überwiegenden skandalisierenden und diffamierenden Weise präsentieren, ist in unzähligen Standardwerken angeführt.81 Demzufolge werden nach dem Motto only bad news are good news in den Medien vorwiegend negative und skandalöse Nachrichten verbreitet. Der Schwerpunkt bei der Nachrichtenbeschaffung liegt auf der Aktualität und ist damit durch Punktualität und inhaltliche Reduktion gekennzeichnet.82 Laut Rainer Geißler hat dieser Negativismus mehrere Facetten: 1) Neu Zugewanderte bedrohen die öffentliche Sicherheit 2) Migrant*innen kosten den Steuerzahler*innen Geld, belasten das soziale Sicherungssystem sowie die öffentlichen Haushalte 3) Migranten sind Problemgruppen, sie machen Probleme und haben selbst viele Probleme.83 Dazu kommt die quasi natürliche Verbindung mit Schwerpunkten wie Drogenhandel, Gewalt, Prostitution und Kriminalität, womit der Eindruck erweckt werden kann, dass diese Themen selbstverständlicher Bestandteil der Lebenswelt von Migrant*innen sind.84
Gegen diese Erkenntnis lassen sich aber auch Einwände einbringen. Viele der genannten Untersuchungen liegen bereits eine längere Zeit zurück und entsprechen nicht mehr den derzeitigen Vorkommnissen. Zudem klammern die meisten Untersuchungen aus, dass es sehr wohl eine positiv konnotierte Wahrnehmung von Migrant*innen in Medien gibt und vor allem in Tageszeitungen ein bewusst ausgewogenes Bild von Migrant*innen gezeichnet wird – ganz im Auftrag von Friedensstiftung und Friedenserhaltung.
Das heißt, Medien geben durchaus positive und vorurteilsfreie Nachrichtenmeldungen wieder, weshalb der Vorwurf an die Medien, sie würden das Thema Migration durchwegs problematisieren, etwas zu kurz greift.85
Trotzdem muss auch die bewusste Fremdenfreundlichkeit in den Medien kritisch reflektiert werden. Bernd Scheffer86 kritisiert in seinem Aufsatz, dass fremdenfreundliche Medienpraxis offenbar nur dann besonders effektiv zu sein scheint, wenn diese die fremdenfeindliche Praxis mit ihren eigenen Mitteln schlägt – sprich stark emotional besetzt und ähnlich unreflektiert ist. Denn auch hier gilt: Sensationalisierung, Polarisierung und Emotionalisierung verkaufen sich besser als die Darstellung eines normalen Alltags.87 Anita Moser spricht in diesem Zusammenhang von positiver Diskriminierung. Migrant*innen werden dabei als gute und fähige Menschen dargestellt, die das Idealbild eines gut integrierten Menschen widerspiegeln.88 Die Wahrnehmung von Migrant*innen als normaler Bestandteil der Gesellschaft ist durch die Rezeption von Medien nach wie vor nicht möglich.
Migrant*innen werden überrepräsentiert versus marginalisiert
Priska Bucher und Andrea Piga kommen in ihrem Aufsatz „Medien und Migration – ein Überblick“89 zum Fazit, dass Migrant*innen in Medien deutlich unterrepräsentiert sind, sprich zu wenig über Zugewanderte geschrieben wird. Auch Heinz Bonfadelli90 und Margret Lünenborg91 kommen zur selben Schlussfolgerung. Andererseits hebt Ruhrmann hervor, dass bestimmte ethnische Gruppen in den Medien deutlich überrepräsentiert werden. In diesem Zusammenhang nennt Ruhrmann Menschen türkischer Herkunft, über die in den 1980er-Jahren in deutschen Medien häufiger berichtet wurde als über Migrant*innen anderer Herkunft. Damit wurde eine verzerrte Häufigkeit von Migrant*innen gezeichnet.92 Auch Gabriel Weimann93 СКАЧАТЬ