Autochthone Minderheiten und Migrant*innen. Sarah Oberbichler
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СКАЧАТЬ href="#ulink_e7de1241-dc90-5fc3-b1a3-6b978ae8f740">10 Außerdem wirken sich historisch bedingte Sorgen vor einer Überbevölkerung bzw. Neuauflage der Italianisierung, sprich die Verdrängung der deutschen bzw. ladinischen Sprache und Kultur durch die italienische (wie dies in der Zeit des Faschismus ab 1922 unter der Regierung Mussolinis der Fall war), negativ auf die Wahrnehmung von Migration in Südtirol aus.11

      Um zu erforschen, wie Migrant*innen in einem derartigen Setting medial wahrgenommen werden, sind folgende Fragestellungen zentral:

      (1) Welchen Stellenwert nehmen die Migrant*innen und die dadurch gewachsenen neuen Minderheiten in Südtirol, als einem von Minderheiten bewohnten Gebiet ein? Welcher Raum wird ihnen zugesprochen? Wie werden sie von deutsch- und italienischsprachiger Seite wahrgenommen? Wie werden sie thematisiert, politisiert, instrumentalisiert?

      (2) Ist ein differenzierter Diskurs vorhanden und wenn ja, wie sieht dieser aus? Inwiefern wird in den Berichterstattungen eine Bedrohung des besonderen Südtirol-Modells durch die Zuwanderung ausländischer Bürger*innen gesehen und inwieweit wird damit das etablierte Arrangement durcheinandergebracht?

      (3) Ab wann wird Migration ein öffentlich diskutiertes Thema und in welchem Kontext? Welche politischen und historischen Ereignisse (regional, national, international) beeinflussen die Wanderungsbewegungen?

      (4) Wie wirkt sich die Zuwanderung auf die ethnische Debatte in Südtirol aus? Wie wirken sich die historischen Konflikte bzw. deren immer wieder aktualisierte Erinnerung (Italianisierung, Majorisierung) auf die Zuwanderung aus?

      Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, vorhandene Defizite in der Forschung auszugleichen, zentrale Argumentationsstrategien der Südtiroler Tageszeitungen zum Thema Migration offenzulegen sowie einen historischen Zugang zu schaffen. Zuwanderung ist aus wirtschaftlicher Sicht in Südtirol unverzichtbar geworden, jedoch ist das Land nach wie vor von einer notwendigen Integration der neuen Minderheit weit entfernt, politisch aber vor allem auch kulturell. In den Südtiroler Medien wird die wachsende Fremdenfeindlichkeit Jahr für Jahr spürbarer, wobei es sprachgruppenspezifische Unterschiede bei der Wahrnehmung gibt. Zu analysieren, wie es zur derzeitigen Situation kam, liegt im Hauptinteresse des vorliegenden Projektes.

      Basierend auf dem Vergleich der Tageszeitungen Alto Adige und Dolomiten und unter Berücksichtigung des auf Trennung ausgerichteten politischen Systems ergeben sich folgende zwei Thesen:

      Zweitens wird angenommen, dass sich die Zuwanderung in Südtirol mehr negativ als positiv auf das Zusammenleben der drei Sprachgruppen in Südtirol ausgewirkt hat und dass es nur bedingt zu einem Wir-Gefühl und Zusammenrücken der drei autochthonen Bevölkerungsgruppen gekommen ist.

      „a) […] die Ankunft von Gruppen mit einer betont unterschiedlichen Identität wird zur Folge haben, daß die Wahrnehmung der Ähnlichkeit unter den bodenständigen Gruppen verstärkt und die der Unterschiedlichkeit abgeschwächt wird;

      b) […] die bodenständigen Gruppen neigen dazu, die Wahrnehmung der Gemeinschaftlichkeit der Interessen (die an das gemeinsame Land gebunden sind) eher als die Unterschiedlichkeit zu verstärken […]

      Renzo Guberts Überlegungen und Fragen, wie sich Zuwanderung auf das Zusammenleben von unterschiedlichen bodenständigen Gruppen auswirken könnte, hatten durchaus seine Berechtigung. Mehr als Zukunftsprojektionen waren 1991 angesichts vernachlässigbarer Zuwanderung aber nicht möglich. 25 Jahre später sind wir durchaus in der Lage, mögliche Antworten auf derartige Überlegungen zu finden. Die vorliegende Forschungsarbeit unternimmt einen ersten Schritt in diese Richtung, rekonstruiert die Migrationsgeschichte seit 1990 und legt Diskurse über Migration offen.