Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ ist. Wenn die VersammlungVersammlung diese Regelungen wieder aufgreift, so geschieht dies in der HoffnungHoffnung, eine Vorreiterrolle unter anderen Vereinigungen der IobacchenIobacchen einzunehmen: νῦν εὐτυχεῖς, νῦν πάντων πρῶτοι τῶν Βακχείων (Z. 26–27). Der Rückgriff auf vorhandene Regelungen zielt auf eine zukünftige bzw. erneute Etablierung der Vereinigung ab, die mit sozialem Ansehen verbunden gewesen sein dürfte.1

      Nach der geschilderten Abstimmung über die Regelungen der Vereinigung folgt die Wiedergabe der relevanten Beschlüsse, beginnend mit Hinweisen zur Mitgliedschaft. Bei den Athener IobacchenIobacchen verbinden sich vor dem Beitritt eines neuen Mitglieds formale Aufnahmekriterien mit einer weiterführenden Prüfung des Kandidaten. Vor die Zahlung des EintrittsgeldesEintrittsgeld von 50 Denaren und der Stiftung eines Trankopfers (Z. 38) treten die Abgabe eines schriftlichen Aufnahmegesuchs (Z. 33) und eine Abstimmung der VereinigungsmitgliederVereinigungsmitglied über die Aufnahme des Kandidaten (Z. 35–37). Eine erfolgreiche Aufnahme wird dem neuen Mitglied durch die Ausgabe einer Bescheinigung bestätigt (Z. 59–62). Durch diese Bestimmungen wird deutlich, dass eine Mitgliedschaft, neben der Erfüllung finanzieller Verpflichtungen, weiterhin an die Erfüllung bestimmter Kriterien gebunden ist, die die Inschrift mit der Formulierung εἰ ἄξιος φαίνοιτο καὶ ἐπιτήδειος τῷ Βακχείῳ (Z. 36–37) beschreibt. Einen Nachlass des MitgliedsbeitragesMitgliedsbeitrag sieht das Statut für Neumitglieder vor, deren Väter ihrerseits bereits MitgliederMitglied der Vereinigung sind (Z. 39–41), während die Inschrift keine konkrete Aussage über die Summe eines regelmäßig zu zahlenden MitgliedsbeitragsMitgliedsbeitrag trifft. Deutlich wird aber, dass ein regelmäßiger Beitrag gefordert wurde und seine Nichtzahlung einen Ausschluss von den VersammlungenVersammlung mit sich brachte (vgl. Z. 47–49). Von diesem kann jedoch abgesehen werden, wenn der Betroffene aufgrund begründeter Umstände (Reise, Krankheit oder Notlage) nicht zur Zahlung des Beitrags imstande war (Z. 50–53) oder auf besonderen Beschluss des Priesters (Z. 67–72).

      Breiten Raum nehmen innerhalb der Inschrift die Ausführungen zum Verhalten innerhalb der VersammlungenVersammlung ein (vgl. Z. 63–67.72–110). Einige Regelungen fallen in diesem Abschnitt besonders ins Auge. Zunächst die Regelung, dass Streitigkeiten innerhalb der Vereinigung zu klären sind und nicht vor öffentlichen Gerichten ausgetragen werden dürfen (Z. 90–94). Anstelle der Anrufung eines Gerichts wird die VersammlungVersammlung zur Entscheidung über eine Streitigkeit herangezogen (Z. 84–90) und verhängt die per Statut festgelegten DisziplinarmaßnahmenDisziplinarmaßnahmen. Neben den Streitigkeiten im eigentlichen Sinn ist auch das Fernbleiben von einer VersammlungVersammlung unter Strafe gestellt, die der Behandlung der jeweiligen Streitigkeiten und Disziplinarfällen dient (Z. 96–102). Verweigert der Betroffene die Zahlung der Strafgebühr, kann ihm der PriesterPriester als nächsten Schritt den Zugang zum Baccheion verwehren und temporär von der Teilnahme am Vereinigungsleben ausschließen. Ebenfalls mit einem Ausschluss von den gemeinsamen MahlzeitenMahlzeiten wird belegt, wer nicht die geforderte Aufnahmegebühr bezahlt (Z. 102–107). Zugleich scheint dem PriesterPriester aber das RechtRecht zuzukommen, säumige MitgliederMitglied dennoch zu den Veranstaltungen der Vereinigung zuzulassen (Z. 67–72, vgl. insbesondere Z. 72 mit dem Ausdruck ἰσέρχεσθαι).

      Es schließen sich zusätzliche Regelungen zu Amt und Dienst des Priesters (Z. 111–117) sowie des ArchibacchosArchibacchos (Z. 117–121) an. Weitere ÄmterAmt der Vereinigung werden in Verbindung mit der Regelung der Verteilung von Essensportionen genannt (Z. 121–127). Die in diesen Zeilen genannten FunktionsträgerFunktionsträger werden aus der Gesamtheit der MitgliederMitglied per Los bestimmt, während ein SchatzmeisterSchatzmeister für zwei Jahre von der VersammlungVersammlung gewählt (Z. 146–147) und ein SchriftführerSchriftführer vom gewählten SchatzmeisterSchatzmeister berufen bzw. bestimmt wird (Z. 155–159). Neben seiner Verwaltungsaufgabe obliegt dem SchatzmeisterSchatzmeister außerdem die Finanzierung des Lampenöls aus seinem eigenen Vermögen (Z. 150–155). Das Amt eines Ordners, wörtlich eines εὔκοσμος, wird entweder ebenfalls durch Auslosung oder durch einen Entscheid des Priesters besetzt (Z. 136–139). Ihm kommt die Aufgabe zu, für Ordnung zu sorgen und auffällig gewordene MitgliederMitglied auf Anordnung des Priesters des Versammlungsraumes zu verweisen (Z. 139–146). Ihm zur Seite stehen zwei „Pferde“ (wörtlich: ἵπποι, Z. 144), die ebenfalls vom PriesterPriester eingesetzt, tatkräftig für Ordnung zu sorgen haben. Aus der Reihe der genannten Funktionen und ÄmterAmt ist lediglich das Amt des SchriftführersSchriftführer mit einer Beitragsfreiheit und dem TrankopferTrankopfer eines SchatzmeistersSchatzmeister verbunden (Z. 155–159).

      Ausführlich benennt die Inschrift bestimmte Ereignisse im Leben ihrer MitgliederMitglied, die ein TrankopferTrankopfer für die Vereinigung erforderlich machen, um die Gemeinschaft am Erfolg und Wohlergehen ihres Mitglieds partizipieren zu lassen (Z. 127–136). Diese Zusammenstellung spiegelt den Einfluss und die Stellung der VereinigungsmitgliederVereinigungsmitglied wider und zeigt damit in der Summe die gesellschaftliche Bedeutung und Verortung der Vereinigung. Implizit zeigt sich der Status der Vereinigung und ihrer MitgliederMitglied auch anhand der letzten Regelung des StatutsVereinigungsstatut über das Verhalten bei der BestattungBestattung eines Mitglieds der Vereinigung: Die Vereinigung bezahlt einen Kranz und finanziert den bei der BeerdigungBestattung anwesenden MitgliedernMitglied einen Krug Wein. Eine darüberhinausgehende Sorge für die BeerdigungBestattung an sich sieht das Statut jedoch nicht vor (Z. 159–163).2

      2.4.3 Soziologie der Vereinigung

      Aus der Lektüre der Inschrift ergibt sich das Bild einer vergleichsweise homogenen Vereinigung, die sich aus gut situierten gesellschaftlichen Kreisen zu rekrutieren scheint. Sklaven und Frauen werden in dem Statut nicht erwähnt. Zwei Indizien verstärken darüber hinaus den Schluss, dass nur Männer MitgliederMitglied waren: Einerseits spricht die Inschrift konsequent von einer Mitgliedschaft ἀπὸ πατρὸς (Z. 38.39) bzw. μετὰ τοῦ πατρὸς (Z. 57). Andererseits werden im Kontext des Beitritts von Geschwistern von MitgliedernMitglied nur Brüder erwähnt und keine weiblichen Familienmitglieder (Z. 54).1 Bereits im jugendlichen Alter wurden Söhne an der Seite ihres Vaters mit ermäßigtem EintrittsgeldEintrittsgeld und halbem MitgliedsbeitragMitgliedsbeitrag aufgenommen, bis sie πρὸς γυναῖκας ὦσιν (Z. 41) sind – in übertragener Lesart bis hin zur Geschlechtsreife.

      Für die Teilhabe einer gut situierten gesellschaftlichen Schicht spricht neben der Nichterwähnung von Sklaven im Statut auch der Umstand, dass der regelmäßige MitgliedsbeitragMitgliedsbeitrag nicht konkret benannt wird (Z. 46–47). Da in diesem Zusammenhang der Beitrag für den Wein verwendet werden soll, könnte sich aus ökonomischen Gründen die Vermeidung eines festgelegten Betrages nahelegen und dadurch die Anpassung an den jeweiligen Weinpreis ermöglichen.2 Auch wenn diese Offenheit im Blick auf ökonomische Veränderungen als angemessen erscheint, kann sie für weniger gut situierte MitgliederMitglied und Interessenten zum Problem werden, insoweit für sie nicht abzusehen ist, welche finanziellen Belastungen auf sie zukommen. Außerdem können als Hinweis auf die SozialstrukturSozialstruktur die knappen Ausführungen zum Verhalten bei der BestattungBestattung eines Mitglieds dienen. Die Vereinigung übernimmt keinerlei Sorge für die BestattungBestattung, sondern stiftet lediglich einen Kranz und Wein für alle anwesenden MitgliederMitglied. Vermutlich war eine FürsorgeFürsorge auch nicht notwendig, da sich die Vereinigung nicht auf diesen Zweck fokussierte und die MitgliederMitglied selbst dazu in der Lage gewesen sind.3 So zählt zu den Indizien einer privilegierten Mitgliederschicht der Umstand, dass u.a. das AmtAmt des SchatzmeistersSchatzmeister mit finanziellen Verpflichtungen verbunden ist, während die Übernahme eines AmtsAmt keine Befreiung vom MitgliedsbeitragMitgliedsbeitrag mit sich bringt, wie es bei der Inschrift einer Vereinigung aus LanuviumLanuvium der Fall gewesen ist.4

      Das detailliert beschriebene, mehrstufige Aufnahmeverfahren zeugt von einer Vereinigung, die ihre Mitgliedschaft pflegte und aktiv gestaltete. So ist vor die Zahlung des EintrittsgeldesEintrittsgeld ein Schreiben an den PriesterPriester zu richten (Z. 32–34) und die Zustimmung der VersammlungVersammlung СКАЧАТЬ