Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold
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Название: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte

Автор: Auerbach Berthold

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726614541

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СКАЧАТЬ vor sich hin lächeln über eine einfältige oder kluge Bemerkung des Munde. Auf den falben Schäferhund, den Passauf, war Medard oft eifersüchtig, denn der Knabe war mit dem Hund so zutraulich und verschwendete an ihn so viel Liebe, die doch ihm gebührte. An Einer Sache hatte aber Medard stets seine ungetrübte Freude. Munde war nämlich äusserst gelehrig in der Musik. Vielleicht ist es noch ein Ueberbleibsel aus den verklungenen Schalmeienzeiten, dass die Schäfer in der Regel kunstfertige Pfeifer sind, und Medard war hierin noch ein besonderer Meister. Er verstand nicht nur den nothwendigen Signalpfiff, der dem Passauf als Commando galt, er konnte auch alle Vögel des Waldes nachahmen und hatte noch dazu eine unerschöpfliche Quelle von Lieder- und Tanzweisen, in denen er trillern konnte wie ein Kanarienvogel. Er lehrte nun den Munde diese Fertigkeit, und wenn der Knabe dann vor ihm stand und den Mund spitzte und hellauf pfiff, umfasste Medard mit beiden Händen seine Schäferschippe und bohrte sie tief in den Boden vor Freude. Im Herbst lockte Medard andere Knaben zu sich aufs Feld, damit sie mit dem Munde spielen, denn dieser kam ihm manchmal so traurig und nachsinnend vor, so verlassen wie ein Schäfchen, das von der Heerde genommen ist, und das einsam in sich hinein jammert. Da däuchte es dann Medard, als ob sein Munde über Alle herrsche, sie beugten sich ihm ungeheissen, und alte Sagen kamen ihm in den Sinn, wie ein Schäferknabe plötzlich zu einem König geworden und eine schöne Prinzessin im diamantenen Palaste zum Ehegemahl erhielt. Er lächelte wohl über diese Sagen, er wusste ja, dass daran kein wahres Wort sei, aber Munde war gewiss zu etwas Grossem geboren, wenn auch just nicht zu einem König; und dann wollte sich Medard in seinen alten Tagen das Gnadenbrod bei ihm ausbitten und unter der Stallthür stehend glücklich sein, wenn sein Bruder in der Kutsche dahinfuhr oder auf einen schönen Apfelschimmel daherritt. Was lässt sich nicht Alles ausdenken draussen bei den still weidenden Thieren! Medard erschien sich oft ganze Wochen wie verzaubert, Alles, was er that, kam ihm so vor, als wäre das nur für einstweilen, nur noch jetzt, in einer Stunde wird’s anders; da kommt auf einmal ein gross Glück. Und manchmal konnte er es gar nicht fassen, dass der Munde noch so klein und jung sei und noch so lange zu wachsen habe, bis er ein grosser Mann, mindestens ein reicher Graf sei. Natürlich fehlte es auch nicht an Zeiten, wo sich Medard vor die Stirn schlug und sich selber auslachte über all die Narretheien, die er im Kopfe herumtrage; er war dann froh, dass Niemand davon wusste und schlug sich Alles aus dem Sinn; aber innerlich verborgen konnte er doch eine gewisse Hoffnung des Unerwarteten nicht ertödten, er wusste nicht was und wie, aber doch blieb’s.

      Als dem Diethelm seine Fränz geboren war, hatte Medard dieser schon einen Ehemann bestimmt, lange bevor sie ein Wort sprechen konnte.

      Munde war acht Jahre alt geworden. Es war im hohen Sommer, im Thale war abgeweidet und der Pferch begann noch nicht, Medard hatte seinen sämmtlichen Schafen Schellen umgehängt, und es ging nun auf den Trieb ins hohe Waldgebirge. Das Schellengeläute währte unaufhörlich vom Morgen bis zum Abend, denn die Schase auf der Weide fressen beständig im Gehen und stehen meist kaum so lange still, um das Gras abzuraufen; Medard war immer in wundersamer Aufregung, und er dachte mit schweren Sinnen, dass dies der letzte Sommer sei, in dem er den Munde bei sich hatte; zu Ostern musste dieser bei Strafe endlich in die Schule. „Es ist vorher gegangen, es muss nachher auch gehen,“ tröstete sich Medard, wenn er überlegte, wie er diese Trennung ertragen werde. An einem Mittag, an dem die Nebel nicht von Berg und Thal wichen, sass Medard am Waldrande, an dem ein schmaler Holzweg sich hinzog, und vor ihm, den jähen Berghang hinab, weideten die Schafe; Munde stand weiter unten, just in der Biegung des Weges in einer Brombeerhecke und erlabte sich an der saftigen Frucht. Vom Walde oben vernahm man Hacken und Knacken der Holzhauer, und das Schellengeläute war so summend, dass Medard fast in Schlaf versinken wollte. Da hörte er über sich etwas poltern, er schaute rückwärts — hat sich ein Felsen aus seiner uralten Ruhe losgelöst? Da kommt es den Weg herab, ein in Schuss gerathener lediger zweirädriger Karren, Medard ist ganz erstarrt, er schaut auf und schaut hinab und ruft schnell: Munde, geh’ bei Seite, Munde, um Gottes Willen lug’ auf! Aber das Kind hörte nicht, und der Wagen ist schon so nahe; kommt er bei Munde an, stürzt er die Halde hinab und zerschmettert das Kind, es ist kein Stein am Wege, nichts, womit man einhalten kann. All’ dies Schauen, Denken, Rufen, wär das Werk eines Augenblickes, schon ist das zermalmende Rad nahe, Medard kann sich retten — aber das Kind! Schnell streckt Medard halb träumend, halb wissend, was er thut, den rechten Fuss weit vor, es knackt, der Karren steht still . . . Die Leute, denen der Karren entronnen war, kamen mit Geschrei hinterdrein, sie fanden Medard mit zerknicktem Fusse, leblos, sie warfen schnell das Holz ab und luden Medard auf den Karren und führten ihn nach dem Dorf, wo er Monate lang eingeschindelt lag. Um so lustiger aber sprang Munde um ihn her, und das erquickte den Leidenden mehr, als all’ die guten Tränkchen, die der alte Schäfer bereitete, und mehr als die sorgsame Abwartung der Meistersfrau. Medard war nicht so grossmüthig, seinem Bruder nie zu sagen, was für ein Opfer er ihm gebracht. Das Kind verstand dessen Bedeutung noch nicht, und als er in spätern Jahren es erkannte, war die That eine längst gewohnte, wenig beherzigte, wenn gleich Munde dem älteren Bruder mit kindlicher Hingebung zugethan war, und es ihm nie in den Sinn kam, eine Einsprache dagegen zu erheben, dass ihn Medard stets ,,Büble“ hiess. Medard konnte, wenn auch mit einem lahmen Fuss, seinem Geschäfte nachgehen; die Ruhe, die es mit sich brachte, war ihm nun besonders genehm. Munde war in der Schule und Medard blickte auf die Tage, da es ihm das Kind wie mit einem Zauber angethan hatte, mit verwundertem Lächeln zurück; und doch war etwas eingetroffen, und wer wusste, was noch daraus wird. Munde lebte im Hause Diethelms wie das eigene Kind, und es war nicht anders zu vermuthen, als Diethelm würde dem Munde gern seine Fränz zur Frau geben, denn Diethelm war wegen seiner Gutherzigkeit berühmt, die er allerdings zumeist nur auf seine Freundschaft (Verwandtschaft) anwendete. Munde war und blieb eben der Schäferprinz, wie ihn Medard oft im Stillen nannte. Bei all’ seiner Zärtlichkeit für das kleine Brüderchen und dessen grosse Hoffnungen versäumte indessen Medard doch seinen einstweiligen Vortheil nicht, er wollte für alle Fälle geborgen sein, er verstand es, wie man hier erst recht sagen kann, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen und zwar mit so verschlagener List, dass Diethelm das unbedingteste Vertrauen in ihn setzte, obgleich er es ihm noch manchmal vorrückte, dass er ein Sträfling sei. Medard machte sich nicht im Entferntesten ein Gewissen daraus, das Vertrauen Diethelms zu missbrauchen; denn das ist das Unergründliche in des Menschen Brust, dass oft Betrügerei neben Treuherzigkeit, Verstocktheit neben Zartsinn friedlich zu wohnen vermag. Als Munde confirmirt war, wurde er Schäfer, aber der ältere Bruder gab seine Hoffnung noch nicht auf: Munde musste einst die Fränz heirathen; und je mehr das Mädchen heranwuchs, um so grösser wurde auch seine Liebe zu dem jungen Schäfer, immer hütete Medard den Bruder wie seinen Augapfel und diente ihm, als wäre er sein angeborener Herr. Erst als Munde Soldat werden musste und der Diethelm ihn nicht loskaufte, fasste Medard einen tiefen Hass gegen seinen Meister; es genügte ihm nicht mehr an den gewohnten kleinen Veruntreuungen, er wünschte sich eine gewaltige That, um Zorn und Rache loszulassen; nur die Meisterin that ihm leid dabei, und wenn sie nicht wäre, sagte er oft, hätte er den Meister schon im Stall erwürgt.

      Als Medard jetzt den Bericht seines Bruders hörte, sagte er nichts, sondern stiess nur den Rauch der Pfeife immer rascher heraus.

      ,,Ich wollt’,“ schloss der Soldat, „der Diethelm würde über Nacht ein armer Mann, nachher könnt’ ich die Fränz heirathen ungefragt.“

      „Büble, du bist ein Narr,“ rief Medard, „du musst sie haben mitsammt ihrem Geld, und mag sie noch so hoffärtig sein, und ein Nückel ist und bleibt sie; aber freilich da drüber darf man mit dir nicht reden. Wenn ich nur wüsst’, wie’s mit dem Meister steht; sauber ist’s nicht, das glaub’ mir.

      Nun besprachen die Brüder das Leben des Meisters. Diethelm war ehedem ein wohlhäbiger, still arbeitsamer Bauer gewesen, er war als Knecht nach Buchenberg gekommen und hatte die reiche Wittwe, die Schwester des Schäuflerdavids, gegen den Willen ihres Bruders und ihrer ganzen Familie geheirathet. Stolz war er von je, und selbst seine vorherrschende Tugend, die ihm einen grossen Namen machte, schien davon nicht frei. Damals, als Diethelm die reiche Wittwe heirathete, lebten seine Eltern noch, aber sie wie ihre anderen sechs Kinder, die theils dienten, theils selber Familien gegründet hatten, lebten in äusserster Dürftigkeit. Das nahm nun schnell ein Ende, denn mit reicher Hand setzte Diethelm alle seine Angehörigen in Wohlhabenheit СКАЧАТЬ