Название: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte
Автор: Auerbach Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726614541
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Ach! An Alles knüpften sich traurige Erinnerungen.
Es war still ringsum, denn das Haus Diethelms lag weitab vom Dorf auf einer Anhöhe. Martha öffnete das Fenster, horchte hinab und schaute hinein in die sternglitzernde Nacht, dann setzte sie sich wieder zur wachhaltenden Arbeit und ihr ganzes Leben zog an ihrem Sinnen vorüber. Jung verheirathet an einen grämlichen, bis zum Hungerleiden geizigen Mann, der nicht umsonst der Grobbauer hiess, hatte sie ein schweres Loos; sie gebar drei Kinder, von denen sie zwei begrub und nur das älteste, eine Tochter, war ihr geblieben als auch ihr Mann starb. Sie verfeindete sich mit ihrer ganzen Familie, besonders aber mit ihrem Bruder, dem Schäuflerdavid, als sie ihren überaus schmucken Knecht, den Diethelm heirathete. Die Leute sagten, der Diethelm habe um die Tochter Martha’s gefreit, die Mutter aber habe ihn für sich behalten. Bald nachdem die Tochter auf den Kohlenhof, zwei Stunden von Buchenberg, verheirathet war, feierte Martha ihre Hochzeit mit Diethelm. Dieser, obgleich zwölf Jahr jünger, schien überaus glücklich mit seiner rüstigen wohlhäbigen Frau, er ehrte und erfreute sie, wo er es nur immer vermochte und schien sich noch immer fast als Knecht zu betrachten, denn er verfügte über Nichts in Haus und Feld, ohne vorher die Frau darum zu befragen.
Buchenberg gehört noch zu jenen Dörfern, wo Alles mit einander verwandt ist, weil die grossen Bauern nur unter sich heirathen. Um so glücklicher durfte sich Diethelm schätzen, vom fremden Knechte zum reich angesessenen Hofbauern erhoben zu sein. Er schien das auch zu erkennen. Bald aber erhielt Martha die Kunde, wie er hinter ihrem Rücken über Grosses verfügte und namhafte Summen seinen Verwandten schenkte. In seltsamer und doch so häufig vorkommender Verkehrtheit ging sie Tage ja Wochen lang mit tiefem, immer sich steigerndem Zorn in der Seele umher, und unversehens, bei den geringsten Anlässen, brach sie in Verwünschungen, in Schelten und Weinen aus, dass Alles zu Grunde gerichtet werde. Die Erwartung, dass Diethelm endlich selber seine geheime Schuld bekennen würde, konnte immer schwerer in Erfüllung geben, denn Diethelm sah nun auf Einmal in seiner Frau ein verändertes zänkisches Wesen, sah sich für sein ganzes Leben ans Unglück geschmiedet und freute sich im Stillen doppelt, dass er in der Aufhülfe seiner Familie doch noch eine Freude habe, während ihm sonst nur Leid bevorstand. Er wusste doch jetzt, wofür er das zu erdulden habe. Dem allzeit keifenden Wesen seiner Frau setzte er unverbrüchliches Stillschweigen gegenüber; und als er dies endlich brach, da die Frau ihn im Beisein des Metzgers über den eigenmächtigen Verkauf eines Kälbchens hart anliess, erfuhr er endlich die lange verhaltene Ursache vom Zorn seiner Frau. Jetzt aber war der gerechte Grund ihres Unwillens längst in ihm vernichtet und abgebüsst, und mit schneidendem Spott erklärte er seiner Frau, dass er nicht, wie sie, kein Herz für die ihm angehörige Familie habe.
So verkehrt es auch war, dass Diethelm seiner Frau ein Verhältniss zum Vorwurf machte, das doch nur um seinetwillen, eingetreten war, so wirkte dies doch so erbitternd auf Martha, dass sie, ohne ein Wort zu sagen, mit hervorgequollenen Augen, mit knirschenden Zähnen und zitternd gekrallten Fingern auf Diethelm eindrang, als wollte sie ihn in Stücke zerreissen. Diethelm stand starr und regungslos bei diesem Anblicke. So hatte er sich nie gedacht, dass seine Frau werden könne. Als sie nun ihm ganz nahe war, verzerrten sich ihre Mienen zur grimmigsten Fratze; aber sie letzte nicht Hand an ihn, sondern stiess nur einen unartikulirten Schrei höchster Verachtung aus und verliess die Stube.
Von jenem Tage an und gerade aus dem Ausbruch von so mächtigen Zorn- und Hassgedanken war eine seltsame und doch wieder so leicht erklärliche Einkehr in den Gemüthern der beiden Ehegatten vorgegangen. Diethelm erkannte und sprach es aus, dass er seiner Frau Unrecht gethan, da sie vollberechtigt sei, in der Verwendung ihres Besitzthumes darein zu reden. Er erklärte ihr nun die Hülflosigkeit seiner Angehörigen, und wie er sich schämen müsste, selber im Ueberflusse zu leben, während seine Nächsten darbten. Auch Martha erkannte dies und dass sie ungerecht gegen ihren Mann gewesen, aber ausdrücklich bekennen konnte sie das nicht, obgleich sie oftmals auf Diethelms Gutherzigkeit zu sprechen kam und dabei das zum Verzweifeln karge Wesen ihres verstorbenen Mannes erwähnte. Sie schickte nun selbst, so oft sie Gelegenheit gab, Allerlei nach Letzweiler, und Diethelm, nun vollkommen gedeckt, wollte allen seinen Angehörigen gründlich aufhelfen. Ein wirklich ungewöhnlich mächtiger Familiensinn, dabei aber auch die Lust, frei und offen über ein grosses Besitzthum zu verfügen und vor Allem die Ehre und der Ruhm, der ihm dadurch ward, liessen ihn fast keine Grenzen mehr kennen.
Das Haus des Grobbauern, das ehedem von den Bettlern gemieden war, zeigte sich seit Diethelms, Zeiten als die reichste Quelle der Wohlthaten, und es wurde viel gerühmt, dass Martha nie einem Armen eine abgerahmte Milch gab.
Eine Eigenschaft zeigte sich bei Diethelm in Allem: es war eine unersättliche Ehrbegierde; er hätte lieber das tiefste häusliche Elend ertragen, ehe er davon etwas in der Welt verlauten und so seine Ehre blossstellen liess. Als nun nach fünf Jahren kinderloser Ehe die kleine Fränz geboren wurde, war er voll steten Jubels und an dem Kinde schien immerwährend sein ganzes Leben zu hängen. Aus dem Gespräche der beiden Schäfer ist uns noch erinnerlich, welch’ eine seltsame Lebenswendung Diethelm einschlug und wie bald keine Spur mehr davon übrig war, dass er einst das Besitzthum seiner Frau wie ein Dienstbote betrachtet hatte. Er schien fortan keine Ruhe mehr in seinem Hause und in seinem ganzen Leben zu haben; es kam hierüber zu heftigen Erörterungen, und Diethelm behauptete ein für allemal, er habe es versäumt, seine jungen Jahre zu geniessen und müsse das jetzt nachholen. Von jener Zeit an sah Martha, welch’ ein Leben ihr geworden war, sie liess Alles ohne Widerrede geschehen, den Güterverkauf, den Fruchthandel, die Schafhalterei; sie hatte einen Mann, der sie des Reichthums wegen geheirathet, und der nun, dessen gewohnt, ihrer kaum mehr achtete und seine Freude ausser dem Hause suchte. Das war aber nicht immer der Fall, denn Diethelm, hatte Zeiten, da er voll Ehrerbietung gegen seine Frau war und sie scherzweise Meisterin nannte, und die Frau hatte bei all’ ihrem vergrämten Wesen doch oft Mitleiden mit dem Mann, der vielleicht mit einer jungen minder begüterten Frau glücklicher geworden wäre. So lebten diese Leute schon zwei und zwanzig Jahre in der Ehe und hatten noch ihre Einigung nicht gefunden, und СКАЧАТЬ