Название: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte
Автор: Auerbach Berthold
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788726614541
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Dieses Verwenden der ganzen Lebensarbeit seiner Dorfbewohner als blossen Werthgegenstandes hatte schon in sich etwas Herausforderndes, Feindseliges. Der ewige Kampf zwischen den Hervorbringenden und denen, die solches mühsame Händewerk mit Reden und Schreiben zu eigenem Vortheil verwenden, ist auf dem Lande naturgemäss ein Widerstreit gegen die Kornhändler, der sich je nach den Zeitläuften zu ausgesprochenem Hasse entwickelt. Das Vorhalten des Gedankens von dem grossen Weltverkehre und dass die Thätigkeitsergebnisse der ganzen Menschheit einander angehören, will bei dem, dessen Auge auf der beschränkten Stätte seiner Arbeit haften muss, nicht Eingang finden; in dieser wie in mancher andern Beziehung arbeitet die Zeit noch überall an der Erhebung zum Gedanken der grossen Weltgehörigkeit.
Auch Diethelm erfuhr in seinem Thun mancherlei Hass und statt ihn zu versöhnen, reizte er ihn noch, indem er oft laut sagte: „Ihr arbeitet euch krumm und lahm und ich schau’ zum Fenster hinaus und hab’ meine grünen Saffian-Pantöffele an, und verdien’ dabei in einer Stunde mehr, als ihr in drei Monaten.“ Das war aber nicht immer der Fall und in demselben Jahre, als Diethelm in seinem Handel eine grosse Schlappe erlitt, wurde er auch nicht mehr zum Schultheiss gewählt und er begann nun das Schafhalten und den Wollhandel. Die Umgegend von Buchenberg eignete sich allerdings dazu, die Schafe ihre sieben Monate auf dem Weidgang zu erhalten, aber auch Seuchen blieben nicht aus, die empfindliche Verluste mit sich führten.
Medard war gegen seinen Herrn voll Zorn und Hass, und wieder voll ergebener Abhängigkeit. Wenn er auch nun schon so viele Jahre bei ihm diente, liess es ihn Diethelm gelegentlich doch noch immer fühlen, dass er ihn als Sträfling zu sich genommen und behandelte ihn oft mit tyrannischer Willkür, gegen die auch nicht der leiseste Widerspruch sich erheben durfte. In der Seele des Schäfers setzte sich daher eine Bitterkeit fest, die ihn wünschen liess, dass sein Herr einmal zu Falle kommen oder in seine Hand gerathen möge.
Munde dagegen war voll aufrichtiger Liebe gegen Diethelm, der ihm dafür auch mit besonderer Freundlichkeit zugethan blieb.
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Fünftes Kapitel.
Während die Brüder draussen vor dem Thor sich über das Leben ihres Meisters besprachen, sass dieser drin beim Sternenwirth im hintern Stübchen vor einer Flasche vom Besten, die der Sternenwirth zu Ehren seines Gastes auftischte und dabei seine Familienverhältnisse darlegte.
Halb klagend, halb ruhmredig erzählte er, wie sich die Zeiten ändern: er selber sei noch Metzger gewesen und habe dabei gewirthet, jetzt aber müsse ein Wirth alle Sprachen kennen und ein Handwerk daneben zu treiben sei gar nicht denkbar; sein Wilhelm sei aber auch in Genf und „auf der Universität von allen Kellnern, im Schwan in Frankfurt gewesen.“
Diethelm zeigte sich diesen Mittheilungen besonders theilnehmend und aufmerksam, denn es ist dem bangenden Herzen oft nichts erwünschter als durch Aufnahme fremden Schicksals sein selbst zu vergessen. Während der Sternenwirth erzählte, hatte sich eine von dessen Töchtern und der Sohn angelegentlich mit Fränz beschäftigt und waren oft in lauten Scherz ausgebrochen. Der Sternenwirth rückte nun, von der Theilnahme seines Zuhörers ermuthigt, weiter heraus: wie glücklich ein vermögliches Mädchen mit seinem Wilhelm werden könne, er wolle den Engel in der obern Stadt kaufen und ausbauen und sei ohne Rühmens der geschickteste Wirth. Diethelm nickte einverständlich und bemerkte nur, dass der Wilhelm noch jung sei und wohl noch ein paar Jährchen warten müsse, und der Wirth stiess eben mit ihm an, als der Reppenberger eintrat. Diethelm nahm ihn bei Seite und vernahm, dass nichts zu verkaufen sei und höchstens ums halbe Geld.
,,Sag’ nur, ich behalt’ den Posten auch noch,“ rief Diethelm plötzlich laut und sagte dann, dass es Alle hören konnten, leichthin zu dem Wirth:
„Kannst mir nicht auf eine Stunde fünfhundert Gulden geben?“
,,Auf eine Stunde kann’s schon sein,“ erwiderte der Wirth, ,,es hat mir ein Händler tausend Gulden aufzubewahren gegeben. Nicht wahr, du bringst mir’s gleich wieder? Von wegen, wenn’s mein wär’, könntest’s behalten so lang du willst, wär’ mir sicherer als im Kasten. Es ist halb Silber und halb Papier. Was willst?“
,,Die Thaler, der Steinbauer hört das Geld gern klappern, er traut ihm eher.“
Diethelm empfing ein graues Säckchen mit den Geldrollen, er übergab die kleine Last dem Reppenberger zum Tragen, befahl der Fränz ihn hier zu erwarten und ging mit seinem Geleite stolz durch das Marktgewühl. In der Post brach er alle Rollen auf und zählte und klimperte lange mit dem Gelde, das er dem Steinbauer einhändigte; das graue Säckchen betrachtete er dann eine Weile still und steckte es endlich zu sich, wobei er es an Spottreden auf den Steinbauer nicht fehlen liess; dieser zählte aber- und abermals die Häufchen ab und hörte auf Nichts.
Vor dem Hause athmete Diethelm tief auf und sagte dem Reppenberger, dass er tausend Gulden haben müsse, und wenn er sie aus dem Heiligenkasten stehlen sollte.
„In dem Nest muss Geld sein, hilf’s holen,“ ermahnte er den Reppenberger. Dieser wusste auch Rath: der Kastenverwalter hatte einen grossen Posten bereit, aber nur auf Hypothek oder Wechsel. Von ersterer konnte bei Diethelm keine Rede mehr sein, er hatte nichts Unbewegliches als sein Haus und die Wiesen, und das war die letzte Sicherheit der Frau; und hätte er auch diese, wie er wohl wusste, zu einer Unterschrift bewegen können, er durfte es für sich selbst nicht thun, denn mit Aufnahme einer Hypothek wäre all’ sein Ansehen vernichtet; vor dem Wechsel aber hatte Diethelm eine Höllenscheu, der Reppenberger mochte das einen albernen Bauernaberglauben schelten und darüber spötteln wie er wollte. Vor der Thüre des Kastenverwalters stand Diethelm mit Reppenberger wie angewurzelt; er lachte zwar, wenn Reppenberger das „Haus Diethelm“ aufforderte, zu verfahren wie ihm zukam, aber innerlich bebte ihm das Herz; endlich musste doch ein Entschluss gefasst werden, und weil denn einmal das Unvermeidliche zu vollziehen war, entlehnte Diethelm gleich noch ein zweites Tausend. Dennoch erhielt er nur mit grosser Mühe sechshundert Gulden baar, das Uebrige musste er in fremden Staatspapieren zu hohen Tagespreisen annehmen. Noch nie zitterte die Hand Diethelms so sehr, als da er den Wechsel unterschrieb. Auf der Strasse war’s, ihm als sähe es ihm Jedermann an, dass er sich dazu verpflichtet hatte, nach drei Monaten in schmähliche Gefangenschaft zu gehen; aber die Leute waren so ehrerbietig wie je, im Stern fand man es nicht im Entferntesten verwunderlich, dass Diethelm auf die Minute sein Wort hielt; und als dieser dem Wirthe die Staatspapiere aufzubewahren gab, kam ein neuer Stolz über ihn: ,,Tausende handeln ja nur mit Credit, warum soll ich es nicht auch? Ich kann auch mit einem Federstrich Summen hin- und herschieben.“
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