Der Apfelwein-Botschafter: Kommissar Rauscher 11. Gerd Fischer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Apfelwein-Botschafter: Kommissar Rauscher 11 - Gerd Fischer страница 6

Название: Der Apfelwein-Botschafter: Kommissar Rauscher 11

Автор: Gerd Fischer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Kommissar Rauscher

isbn: 9783948987107

isbn:

СКАЧАТЬ

      Während der ersten Woche im neuen Amt hatte Rauscher nicht gewusst, was er tun sollte. Er hatte Dezernatsmitarbeiter kennengelernt und sich vorgestellt. Er hatte Hände geschüttelt und sich Namen gemerkt. Er hatte versucht, sich Gesichter einzuprägen, was ihm schwergefallen war. Doch das war‘s dann auch schon gewesen. Darüber hinaus hatte er keine Aufgaben zu erledigen gehabt. Niemand hatte Zeit für ihn, niemand teilte ihm etwas zu, niemand beachtete ihn. Noch lag eine gewisse Lethargie über dem neuen Gebäude. Die vielen Gänge waren fast alle verwaist. Bis auf Frau Bodenstock, die für gewöhnlich etwas hektisch wirkte, mussten sich alle anderen erst mit ihrer neuen Rolle und ihrem neuen Posten anfreunden. So auch Rauscher. Ihm kam der Verdacht, dass er sich selbst darum kümmern musste, was er zu tun und zu lassen hatte. Er musste auch nicht permanent vor Ort sein. Also besuchte er das Dezernat nur an jenen Tagen, an denen tatsächlich etwas anlag, denn ihn hatte schon nach den ersten beiden Tagen der Ebbelwoi-Blues erfasst. Er sah keinen rechten Sinn in seiner neuen Tätigkeit.

      Jedes Mal, wenn er dieses cleane Gebäude betrat, wuchs in ihm das dringende Verlangen nach einem Schoppen. Der Schmelz des Stöffches lag ihm schon auf der Zunge. Ein, zwei Gläser hätten seine Stimmung sicherlich gehoben. Aber er hatte sich zurückgehalten. Wollte nicht sofort auffallen. Gelegen kam ihm, dass am Nachmittag des dritten Tages eine Einladung ins Haus geschneit war. Die Buchscheer lud ihn zu einer Ebbelwoiverkostung ein. Als er die Karte las, musste er lächeln. Auf die gleiche Idee war Jana gekommen und hatte ihm die Verkostung zu Weihnachten geschenkt. Trotzdem freute er sich. So konnte er schnell und auf offiziellem Wege die Vorzüge des neuen Amtes kennenlernen. Allerdings wusste er nicht, ob er sich in solchen Situationen erst Adlhofs Genehmigung einholen musste oder ob er so etwas selbst entscheiden konnte. Er wollte das vorher klären und nahm sich vor, Adlhof heute noch zu konsultieren. Frau Bodenstock zu fragen, schloss er für sich persönlich aus.

      Zwar hatten ihn schon in den ersten Tagen einige Journalisten für ein Interview angefragt, Rauscher hatte jedoch um Bedenkzeit gebeten. Er hatte Sorge, dass die Geschichte, seine Familie stamme von der Frau Rauscher ab, sich zu stark in die Öffentlichkeit drängen würde und womöglich eine Art Hype auslösen könnte. Er hatte sich erst einmal eine Art Pressestrategie gebastelt, bis er sich bereit fühlte. Für heute 16 Uhr war eine Pressekonferenz angesetzt.

      Jetzt war es eine Minute nach vier.

      Um 16.03 Uhr erreichte Rauscher, im Schlepptau von Frau Bodenstock, den nagelneu eingerichteten Konferenzraum, in dem ihn eine Dame und zwei Herren von den drei größten Frankfurter Zeitungen erwarteten. Sie machten einen etwas gelangweilten Eindruck. Zwei Fotografen mit Kameras in den Händen standen am Rand und schossen die ersten Bilder.

      Rauscher setzte sich und nickte in die Runde.

      „Können wir?“, begann der Rundschau-Mann, der einen grau melierten Vollbart und Brille trug. „Herr Rauscher, es wird gemunkelt, dass Sie bis vor Kurzem suspendiert waren.“

      Rauscher war mächtig irritiert. Eine Frage, die sich auf seinen Polizeidienst bezog, hatte er nicht erwartet. „Äh, jaja, das stimmt, aber … was hat das mit meiner Funktion als Apfelwein-Botschafter zu tun?“

      „Ein Polizist, der suspendiert wurde“, fuhr der Mann fort, „weil er sich nicht immer im Griff hat und für seine Alleingänge berüchtigt ist – so jedenfalls hört man es auf dem Flurfunk –, wird Botschafter der Stadt Frankfurt. Passt das zusammen?“

      „Wieso nicht?“

      „Haben Sie Fürsprecher in den oberen Etagen?“

      Hätte er sich doch niemals auf ein solches Interview eingelassen! Er senkte den Kopf und verfluchte die Situation, aber er musste jetzt da durch. Also gute Miene zum bösen Spiel machen. Er blickte den Mann möglichst gelassen an. „Die Suspendierung ist aufgehoben. Ich habe dazugelernt. Hatte Unterstützung von einem Polizeipsychologen. Meine Gefühlsausbrüche gehören der Vergangenheit an. Ich fühle mich gut gewappnet für den neuen Job. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“ Nachdem er einmal tief Luft geholt hatte, fuhr er fort: „Können wir jetzt zum Eigentlichen unseres Zusammentreffens kommen? Der neuen Aufgabe im Dezernat sehe ich sehr positiv entgegen, auch weil ich tausendprozentig hinter der Sache stehe.“

      „Apropos hochprozentig“, schaltete sich die Neue-Presse-Frau ein, die in einem schicken Kostüm und roten Pumps erschienen war. „Man munkelt, dass Sie gern mal zu tief ins Gerippte – oder sollte ich besser Bembel sagen? – schauen.“

      Rauscher verdrehte die Augen. Musste er sich diesen Schmus noch länger anhören? Offensichtlich! Schlechte Presse in dieser Phase, so kurz nach Eröffnung des neuen Dezernats, war Gift. Deshalb antwortete er ruhig: „Was haben Sie denn alle gegen mich? Lassen Sie doch bitte die Gerüchte Gerüchte sein und stellen Sie Fragen zum heutigen Thema. Das ist doch viel interessanter.“

      „Okay. Im Vorfeld gab es herbe Kritik am neuen Dezernat“, holte der Allgemeine-Mann aus, „zu teuer, belanglos, warum überhaupt Apfelwein? Können Sie das nachvollziehen?“

      „Teils, teils.“ Rauscher gab sich nun diplomatisch. Das lag ihm zwar nicht im Blut, aber darauf musste er sich im Politzirkus ohnehin einstellen. „Neues ist immer einer gewissen Kritik ausgesetzt. Das ist ja auch gut so, wenn Dinge von der Öffentlichkeit hinterfragt und nicht einfach hingenommen werden. Wir leben ja zum Glück in einer Demokratie. Aber die Bedenken werden sich legen, wenn die Argumente zum Tragen kommen.“

      Der Journalist hob seine monströse rechte Augenbraue. „Welche meinen Sie?“

      „Die Vorteile für die Stadt werden vielfältig sein. Der Tourismussektor wird profitieren, das Image wird noch besser, es ist gut, wenn man auf bewährte kulturelle Traditionen setzt und so weiter. Ich muss das nicht alles aufzählen, das ist doch alles hundertfach diskutiert worden.“

      „Verbinden Sie persönliche Ziele oder Anliegen mit Ihrer neuen Funktion als Apfelwein-Botschafter?“, legte die Neue-Presse-Frau nach und schlug ein Bein übers andere. Sie schien es sich bequem machen zu wollen, während Rauscher das Ende des Gesprächs herbeisehnte.

      „Na ja, es ist ein offenes Geheimnis: Der Mensch ist ja oft durstig und ich liebe Ebbelwoi. Eins ergibt das andere. Warum sollte ich das verschweigen? Aber wenn Sie mit Ihrer Frage ausdrücken wollen, ob ich mich persönlich bereichern oder sonst was will, dann weise ich das strikt von mir. Vielmehr geht es mir darum …“

      In diesem Moment spürte Rauscher zum ersten Mal, dass er gar nicht wusste, worum es ihm eigentlich ging. Und was er diesbezüglich der Öffentlichkeit mitteilen sollte.

      Er stockte, setzte ab und blickte die Interviewenden, die jeweils mit Kuli und Notizblock in der Hand vor ihm saßen, irritiert an.

      „Es geht mir darum …“, hob er erneut an, doch er merkte sofort, dass er auch diesmal den Satz nicht würde beenden können. Es fehlte ihm schlicht ein Grund, ein Ziel. Er war kein Politiker, der alles mit säuselnden Floskeln schönreden oder begründen konnte. Er war weder diplomatisch versiert noch rhetorisch über die Maßen begabt. Er mochte Apfelwein. Punktum! Und genau das versuchte er nun auszudrücken. Seine Stimme schien jetzt aus weiter Ferne zu kommen: „Wissen Sie, Apfelwein, das ist für mich …“

      Zu mehr kam er nicht, denn in diesem Moment klingelte sein Handy. Rauscher erkannte auf dem Display die Nummer seines Nachfolgers als Teamleiter bei der Frankfurter Mordkommission, Kollege Jan Krause. „Tut mir leid, aber da muss ich leider rangehen. Sie entschuldigen mich kurz“, sagte er zu den Journalisten, stand auf, stellte sich vor die Fensterfront und beobachtete den Main, während er den Anruf annahm.

      „Hallo, Jan. Hast dich lange nicht gemeldet.“

      „Hi, СКАЧАТЬ