Название: Nikolas Nickleby
Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961183111
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»Onkel«, fing Kate, als sie sich dem Ort ihrer Bestimmung nahe glaubte, furchtsam wieder an. »Ich möchte eine Frage an Sie richten. Werde ich zu Hause wohnen?«
»Zu Hause?« versetzte Ralph. »Wo ist das?«
«Ich meine – bei meiner Mutter.«
»Dein eigentlicher Aufenthalt wird in Madame Mantalinis Hause sein, denn du wirst bei ihr essen und von Morgen bis Abend, hie und da vielleicht auch bis früh, dort bleiben.«
»Aber ich meine des Nachts?« sagte Kate. »Ich kann die Mutter doch nicht verlassen, Onkel! Ich muß ein Plätzchen haben, das ich Heimat nennen kann, und das ist da, wo sie ist – wie armselig es auch immer sein mag.«
»Sein mag?« wiederholte Ralph ungeduldig und beschleunigte seine Schritte noch mehr. »Sein muß, willst du wohl sagen. Von einem mögen zu sprechen! Ist das Mädchen toll?« »Das Wort entschlüpfte mir nur so, ohne daß ich den Sinn hineinlegen wollte, den Sie darin finden«, entschuldigte sich Kate.
»Na, das will ich hoffen«, brummte Ralph.
»Aber meine Frage, Onkel! – Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
»Nun, ich habe etwas der Art kommen sehen«, versetzte Ralph, »und habe deshalb, obgleich es ganz und gar nicht nach meinem Sinne ist, entsprechend Vorkehrungen getroffen und Madame Mantalini gesagt, du wünschest als Arbeiterin ›außer Haus‹ unterzukommen. Du kannst daher abends zu deiner Mutter gehen.«
Das war wenigstens ein kleiner Trost. Kate erging sich in tausend Dankesbeteuerungen, die Ralph gnädig entgegennahm.
Bald darauf langten sie vor dem Hause der Putzmacherin an. Ein livrierter Diener öffnete die Türe und führte sie eine breite Treppe hinauf in einen reich möblierten Saal voll Modekleidern und Stoffen in größter Auswahl.
Sie mußten länger warten, als es Mr. Nickleby zu passen schien. Ärgerlich blickte er umher und wollte eben ungeduldig klingeln, als plötzlich ein Herr den Kopf zur Türe hereinsteckte, ihn aber ebenso schnell wieder zurückzog, als er bemerkte, daß jemand anwesend war.
»Hallo, wer ist da?« rief Ralph.
Sofort erschien der Herr wieder, ließ eine lange Reihe schneeweißer Zähne sehen und lispelte geziert: »Der Teufel. Wie? Nickleby? Ei, der Teufel!« Er war in einen prächtigen Schlafrock, eine Weste und türkische Beinkleider aus demselben Stoff gekleidet, trug ein rosenrotes seidenes Halstuch und hellgrüne Pantoffeln, und eine schwere goldene Uhrkette baumelte ihm auf der Brust. Sein Backen- und Schnurrbart, beide schwarz gefärbt, waren zierlich gekräuselt.
»Zum Teufel! Sie werden doch nichts von mir wollen?« sagte er und klopfte Ralph auf die Schulter.
»Beruhigen Sie sich«, versetzte Ralph sarkastisch.
»Ha, ha, zum Teufel«, lachte der Herr, drehte sich affektiert auf der Ferse um und wurde dadurch Kates ansichtig, die in der Nähe stand. »Meine Nichte«, stellte Ralph vor.
»Ach, jetzt erinnere ich mich«, rief der Herr und tippte sich geziert, wie zur Strafe für seine Vergeßlichkeit, mit dem Zeigefinger auf die Nase, »zum Teufel, jetzt erinnere ich mich, warum Sie hier sind. Kommen Sie nur mit, Nickleby. – Wollen Sie mir folgen, mein Kind? Ha, ha, sie folgen mir alle, Nickleby. Zum Teufel! – Haben es immer getan.«
In dieser geckenhaften Weise plapperte der Herr fort und führte seine Gäste in ein Empfangszimmer im zweiten Stock, das nicht minder elegant möbliert war als der Saal im ersten. Eine silberne Kaffeekanne, ein Eierbecher und eine gebrauchte Porzellantasse auf dem Tisch verrieten, daß man soeben gefrühstückt hatte.
»Setzen Sie sich, mein Kind«, sagte der Herr, stierte Kate so lange an, bis sie ganz aus der Fassung kam, und verzog dann, entzückt über die gelungene Heldentat, grinsend sein Gesicht. »Diese verwünscht eleganten Zimmer benehmen einem förmlich den Atem. Der Teufel hole diese Paradiese. Ich fürchte, ich muß ausziehen.«
»Ich würde es unter allen Umständen tun«, brummte Ralph, ärgerlich umherblickend.
»Ha, ha – Sie sind ein verdammt altmodischer Kauz, Nickleby«, lachte der Herr. »Der verwünschteste, übellaunigste alte Fuchskopf, der je in Gold und Silber gewühlt hat! Hol mich der Teufel.«
Dann zog der Herr die Klingel, stierte wieder Miss Nickleby an und befahl dem Bedienten, seiner Gebieterin zu sagen, sie möge sogleich herunterkommen. Sodann starrte er abermals Kate an und hörte damit nicht eher auf, bis Madame Mantalini eintrat.
Die Putzmacherin war eine rüstige, vornehm gekleidete und gut aussehende Frau, aber viel älter als der Herr in den türkischen Beinkleidern, mit dem sie erst seit sechs Wochen verheiratet war. Er hatte ursprünglich Muntle geheißen, seinen Namen aber in Mantalini umgewandelt, da seine Frau mit Recht annahm, ein englischer könne dem Geschäft wesentlich schaden.
Er hatte eigentlich auf seinen Backenbart hin geheiratet, von dem er bereits mehrere Jahre sorgenlos gelebt, und ihn durch den Zuwachs eines Schnurrbartes, mit dem er nach langer und geduldiger Pflege sein Gesicht verschönert, vervollkommnet. Sein Anteil an der Geschäftstätigkeit beschränkte sich zur Zeit auf das Durchbringen des Geldes, und wenn dies zur Neige ging, hin und wieder auf eine Fahrt zu Mr. Ralph Nickleby, um sich von ihm, nach Abzug der entsprechenden Prozente, Vorschüsse auf die Kundenrechnungen vorstrecken zu lassen.
»Mein süßes Leben«, rief Mr. Mantalini seiner Gattin entgegen«, »verteufelt lange haben wir auf dich warten müssen.«
»Ich konnte doch nicht wissen, daß Mr. Nickleby hier ist, mein Schatz«, entschuldigte sich Madame Mantalini.
»Dann muß der Bediente ein doppelt verteufelter höllischer Spitzbube sein, mein Herz«, scherzte Mr. Mantalini.
»Gewiß, mein Schatz, was kannst du auch anders erwarten, wenn du ihm alles durchgehen läßt«, schmollte die Dame.
»Nun, sei nur nicht ungehalten«, flötete Mr. Mantalini, »zum Teufel, er soll durchgepeitscht werden, bis er nach Gott schreit.«
Und Mr. Mantalini fügte seinem Versprechen einen Kuß hinzu, und Madame Mantalini kniff ihn scherzhaft ins Ohr. Sodann ließ sich das Ehepaar herbei, zu den Geschäften überzugehen.
»Also, Madame«, brummte Ralph, der diesen Vorgängen mit einer Verachtung zugesehen hatte, wie sie wohl nur wenige Menschen in ihren Blicken auszudrücken vermögen, »dies ist meine Nichte.«
»Ah richtig, Mr. Nickleby«, versetzte Madame Mantalini und musterte Kate von Kopf bis Fuß und wieder zurück. »Können Sie Französisch, mein Kind?«
»Ja, Madam«, antwortete Kate, ohne zu wagen, die Augen aufzuschlagen, denn sie fühlte den Blick des widerlichen Menschen im Schlafrock wieder auf sich ruhen.
»Auch so verteufelt geläufig wie eine Rassefranzösin?« fragte Mr. Mantalini.
Miss Nickleby gab keine Antwort und wendete dem Frager den Rücken zu, als sei sie willens, nur auf das zu antworten, was Madame sie fragen würde.
»Wir haben beständig zwanzig junge Mädchen im Geschäft«, bemerkte die Putzmacherin.
»Ja, und auch einige verteufelt hübsche darunter«, ergänzte Mr. Mantalini.
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