Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 236

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ be­schrie­ben hat­te, lag er wie ein zer­platz­tes Ei auf dem stei­ni­gen Ge­röll am Mee­res­ufer.

      Ein al­ter Land­strei­cher, der un­ten in ei­ner Ver­tie­fung ge­kau­ert hat­te, sah plötz­lich das selt­sa­me Un­ge­tüm über sei­nen Kopf hin­weg­sau­sen und we­ni­ge Schrit­te vor ihm auf dem Stran­de zer­schel­len. Ei­ligst rann­te er da­von, um die nächst­woh­nen­den Land­leu­te zu be­nach­rich­ti­gen.

      All­mäh­lich lief die gan­ze Um­ge­bung zu­sam­men. Ent­setzt starr­ten alle die Men­schen auf die schau­ri­gen Trüm­mer un­ter de­nen zur Un­kennt­lich­keit zer­schmet­tert die Kör­per der bei­den her­vor­rag­ten. Was soll­te nun ge­sche­hen? Man be­schloss end­lich, zwei Kar­ren an­zu­span­nen und die Lei­chen nach Peup­les und Vri­let­te zu schaf­fen.

      Als der Graf den Schä­fer­kar­ren hat­te rol­len se­hen, war er da­von­ge­lau­fen, so schnell ihn sei­ne Füs­se zu tra­gen ver­moch­ten. Nach stun­den­lan­gen Um­her­ir­ren durch Sturm und Re­gen lang­te er end­lich im Schlos­se an. Man teil­te ihm so­fort mit, dass die Pfer­de rei­ter­los an­ge­kom­men sei­en. »Es muss ih­nen bei dem Sturm et­was pas­siert sein. Al­les soll so­fort auf die Su­che ge­hen,« rief er mit sto­cken­der Stim­me.

      Eine Stun­de spä­ter fuhr ein Kar­ren in den Schloss­hof. Man trug eine un­kennt­li­che in Män­tel gehüll­te Last die Trep­pe hin­auf. Fes­ten Schrit­tes folg­te ihr der Graf.

      Auch in Peup­les fuhr ein Kar­ren vor und Jo­han­na brauch­te nicht erst zu fra­gen, was dort un­ter Män­teln ver­steckt lie­ge. Mit ei­nem lau­ten Auf­schrei brach sie zu­sam­men. Als sie er­wach­te, stand ihr Va­ter ne­ben ihr: »Weißt du schon …« be­gann er zö­gernd. »Ja, Papa,« ant­wor­te­te sie.

      An dem­sel­ben Abend wur­de sie von ei­nem to­ten Kin­de ent­bun­den. Es war ein Mäd­chen.

      Ein hef­ti­ges Fie­ber trüb­te für lan­ge Zeit ihre Sin­ne.

      *

      Drei Mo­na­te blieb sie in ih­rem Zim­mer, im­mer zwi­schen Le­ben und Tod schwe­bend. Erst all­mäh­lich kehr­te ihre Ge­sund­heit wie­der. Aber nie­mals frag­te sie nach den nä­he­ren Um­stän­den je­nes schreck­li­chen Ta­ges, nie­mals er­wähn­te sie des Be­su­ches, den Graf Four­ville ihr da­mals ge­macht hat­te.

      Paul war jetzt ihr al­les; er wuchs her­an und wur­de stark und kräf­tig; aber das Ler­nen war nicht sei­ne Lei­den­schaft und in der Re­li­gi­on er­zog ihn der Baron nach sei­nen Ide­en. Jo­han­na be­such­te die Kir­che seit sei­nem letz­ten Be­su­che des Abbé Tol­biac nicht mehr. Mit fünf­zehn Jah­ren wur­de Paul ins Kol­leg ge­bracht; der Tren­nungs­schmerz war für Jo­han­na ein neu­es Glied in der Ket­te ih­rer Lei­den. Jetzt erst be­gann das rech­te Elend; denn Pauls Stu­di­en lies­sen al­les zu wün­schen üb­rig. Fast in je­der Klas­se brach­te er zwei Jah­re zu. Im Üb­ri­gen war er ein großer Bur­sche ge­wor­den mit ei­nem klei­nen blon­den Ko­te­let­ten auf den Wan­gen und ei­nem An­flug von Schnurr­bart. Sei­ne Mut­ter be­trach­te­te ihn im­mer noch wie ein klei­nes Kind. »Paul er­käl­te Dich nur nicht« – »Paul­chen geh nur nicht zu schnell, Du wirst Dich über­hit­zen,« das wa­ren ihre stän­di­gen Er­mah­nun­gen.

      Die Sor­gen mehr­ten sich von Tag zu Tag. Paul schi­en ganz das Ge­gen­teil sei­nes Va­ters zu sein. Es dau­er­te nicht lan­ge, so prä­sen­tier­te ein Jude einen Wech­sel von ihm über fünf­zehn­hun­dert Fran­cs. Es habe sich um eine Spiel­schuld ge­han­delt, die Paul nicht hät­te ein­lö­sen kön­nen, wenn er ihm nicht aus »rei­ner Ge­fäl­lig­keit« das Geld ge­lie­hen hät­te. Der Baron lös­te den Wech­sel mit tau­send Fran­cs ein und warf den Ju­den zur Türe hin­aus. Dann fuhr er mit Jo­han­na nach Ha­vre. Aber hier wur­de ih­nen im Kol­leg die Mit­tei­lung ge­macht, dass Paul seit ei­nem Mo­nat nicht dort sei. Der Di­rek­tor war durch Brie­fe auf de­nen Jo­han­nas Un­ter­schrift stand in den Glau­ben ge­bracht, sein Schü­ler lie­ge krank in Rou­en; selbst­re­dend war al­les ge­fälscht, eben­so das ärzt­li­che At­test. Man brach­te nun die Po­li­zei auf die Bei­ne, wel­che Paul am an­de­ren Mor­gen aus dem Bet­te ei­nes be­kann­ten Kon­troll­mäd­chens hol­te und zu sei­nen El­tern zu­rück­führ­te. Die­se nah­men ihn mit nach Peup­les, wo er ganz be­hag­lich leb­te und so­gar auf der See sei­ne Boot­fahr­ten mach­te. In­zwi­schen be­lie­fen sich sei­ne Schul­den, de­nen man jetzt nach­forsch­te, auf rund fünf­zehn­tau­send Fran­cs. Aber nichts ver­moch­te die Mut­ter­lie­be zu er­schüt­tern.

      Ei­nes Abends kehr­te Paul von ei­ner Boot­fahrt nicht mehr zu­rück. Wel­che Qua­len muss­te das Mut­ter­herz aus­ste­hen! Er war nach Ha­vre ge­fah­ren, wie man durch ei­ni­ge Fi­scher er­fuhr. Dort an­ge­stell­te Nach­for­schun­gen er­ga­ben, dass auch je­nes Kon­troll­mäd­chen, bei der man ihn zum ers­ten Mal er­wi­sch­te, ihre Sa­chen ver­kauft hat­te und nach Eng­land ab­ge­reist war. Jo­han­nas Haar war jetzt schnee­weiß ge­wor­den; oft frag­te sie sich, warum das Schick­sal ge­ra­de sie so er­bar­mungs­los ver­fol­ge. Abbé Tol­biac schrieb ihr einen Brief. »Got­tes Hand las­tet schwer auf Ih­nen … Er­ken­nen Sie dar­in einen Wink zur Um­kehr … Su­chen Sie Trost in Gott … Er wird hel­fen …« Das wa­ren die Grund­ge­dan­ken, die in dem Brie­fe zum Aus­druck ka­men. Am nächs­ten Abend beich­te­te Jo­han­na seit lan­ger Zeit zum ers­ten Male wie­der. Zwei Tage dar­auf kam ein Brief von Paul an; es wa­ren vier Wo­chen seit sei­nem Ver­schwin­den da­hin­ge­gan­gen. Paul er­klär­te, er sei dem Ver­hun­gern nahe; man möge ihm fünf­zehn­tau­send Fran­cs von sei­nem vä­ter­li­chen Erb­teil schi­cken. Er müs­se sie sei­ner Ge­lieb­ten zah­len, um von ihr los­zu­kom­men und heim­keh­ren zu kön­nen. Jo­han­na ju­bel­te und sand­te das Geld. Wer nicht zu­rück­kam, war Paul. Mo­na­te ver­gin­gen, ohne dass man eine Sil­be von ihm hör­te. Das Le­ben auf dem Schlos­se war ent­setz­lich trau­rig. Jo­han­na und Tan­te Li­son gin­gen jetzt täg­lich zur Kir­che; aber der Baron durf­te es nicht mer­ken. End­lich nach ei­ner Ewig­keit kam ein Brief aus Pa­ris. Er habe al­les an der Bör­se ver­lo­ren, schrieb Paul, und sei noch mit fünf­und­vier­zig­tau­send Fran­cs en­ga­giert. Ihm blei­be nur noch die Ku­gel üb­rig, wenn er nicht be­zah­le. Der Baron nahm aber­mals Geld auf und sand­te es nach Pa­ris. Paul dank­te be­geis­tert und stell­te sei­ne bal­di­ge Rück­kehr in Aus­sicht. Aber er kam nicht.

      Ein gan­zes Jahr ver­ging.

      Plötz­lich er­fuhr man, er sei in Lon­don und habe un­ter der Fir­ma »Paul De­la­ma­re & Cie.« ein Dampf­schiff-Un­ter­neh­men be­grün­det. »Der Weg zum Reich­tum liegt jetzt vor mir«, schrieb er. »In kur­z­er Zeit seht ihr mich als Mil­lio­när wie­der.«

      Drei Mo­na­te spä­ter war die Fir­ma »De­la­ma­re« ban­ke­rott; das De­fi­zit be­trug zwei­hun­dert­fünf­und­dreis­sig­tau­send Fran­cs. Der Baron nahm die letz­ten Hy­po­the­ken auf Peup­les und die bei­den Pacht­hö­fe auf. Ei­nes Abends fand man ihn tot vor dem Schreib­ti­sche sit­zen; ein Schlag­an­fall hat­te sei­nem Le­ben ein Ende ge­macht. Tan­te Li­son folg­te ihm nach kur­z­er Zeit ins Grab. Jo­han­na stand nun ganz al­lein.

      Ein Trost wur­de ihr al­ler­dings in die­ser Zeit. Ro­sa­lie er­schi­en plötz­lich auf dem СКАЧАТЬ