Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 232

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ er fas­sungs­los, sicht­lich be­stürzt ste­hen. Kein Ruf des Schmer­zes oder der Verzweif­lung drang von sei­nen Lip­pen; die Über­ra­schung war zu groß, als dass sie sich äus­ser­lich in sei­nen Mie­nen kund­ge­ge­ben hät­te. »Ich sah es kom­men; ich wuss­te dass es zu Ende ging«, mur­mel­te er vor sich hin. Dann zog er sein Ta­schen­tuch, wisch­te sich die Au­gen, knie­te nie­der, be­kreu­zig­te sich und sprach ein stil­les Ge­bet. Als er dann wie­der auf­stand, woll­te er auch sei­ne Frau mit em­por­rich­ten. Aber sie hielt den Leich­nam mit bei­den Ar­men un­ter ste­ten Küs­sen um­fan­gen; sie lag fast auf ihm. Man muss­te sie mit Ge­walt fort­brin­gen; sie schi­en den Ver­stand ver­lo­ren zu ha­ben.

      Nach ei­ner Stun­de ge­stat­te­te man ihr zu­rück­zu­keh­ren. Jede Hoff­nung war da­hin. Das Schlaf­ge­mach war jetzt als Lei­chen­zim­mer ein­ge­rich­tet. Ju­li­us und der Geist­li­che spra­chen lei­se in ei­ner Fens­te­r­e­cke. Die Wit­we Den­tu sass auf einen Ses­sel in ziem­lich be­que­mer Hal­tung, wie eine Frau die an Nacht­wa­chen ge­wöhnt ist und sich in ei­nem Hau­se hei­misch fühlt, so­bald der Tod dort sei­nen Ein­zug ge­hal­ten hat; sie schi­en be­reits ein­ge­nickt zu sein.

      Die Nacht brach her­ein. Der Pfar­rer trat auf Jo­han­na zu, fass­te sie bei der Hand, sprach ihr Mut ein und such­te durch geis­ti­ge Trös­tung einen heil­sa­men Bal­sam auf die Wun­den ih­res zer­ris­se­nen Her­zens zu träu­feln. Er sprach von der Da­hin­ge­schie­de­nen, er fei­er­te sie in be­red­ten Wor­ten, und in­dem er einen Schmerz zur Schau trug, der sei­ner pries­ter­li­chen Auf­fas­sung vom Le­ben nach dem Tode nicht ganz ent­sprach, bot er sich an, die Nacht be­tend bei der Lei­che zu­zu­brin­gen.

      Aber Jo­han­na lehn­te zwi­schen ih­ren strö­men­den Trä­nen die­ses Aner­bie­ten ab. Sie woll­te al­lein sein, ganz al­lein in die­ser schmerz­li­chen Ab­schieds­nacht. »Aber das geht doch nicht; wir wol­len alle bei­de blei­ben«, misch­te sich Ju­li­us ein. Sie ver­nein­te durch ein Kopf­schüt­teln, un­fä­hig ein Wort zu spre­chen. »Es ist mei­ne Mut­ter, mei­ne ein­zi­ge Mut­ter. Ich will al­lein mit ihr sein« sag­te sie end­lich. »Las­sen Sie ihr den Wil­len;« mahn­te der Dok­tor »die Wär­te­rin kann im Ne­ben­zim­mer blei­ben.«

      Der Pfar­rer und Ju­li­us füg­ten sich; bei­de wa­ren müde. Nun knie­te sich der Abbé Pi­cot sei­ner­seits nie­der, be­te­te, er­hob sich und ver­ab­schie­de­te sich mit den Wor­ten: »Es war eine Hei­li­ge« un­ge­fähr als wenn er sein »Do­mi­nus vo­bis­cum« sprach.

      »Willst Du nicht et­was neh­men?« frag­te Ju­li­us, der sei­ne ge­wöhn­li­che Stim­me wie­der­er­langt hat­te. Jo­han­na ant­wor­te­te nicht; sie hat­te gar nicht be­merkt, dass er sich zu ihr ge­wandt hat­te. »Du wür­dest gut tun, et­was zu Dei­ner Stär­kung zu neh­men« be­gann er wie­der. »Schick nur schnell nach Papa« ant­wor­te­te sie halb un­wil­lig. Und er ging hin­aus, um einen be­rit­te­nen Bo­ten nach Rou­en zu schi­cken.

      Sie blieb in ei­ner Art re­gungs­lo­sen Schmerz ver­sun­ken zu­rück, als hät­te sie dar­auf ge­war­tet, sich ganz der wo­gen­den Verzweif­lung in die­ser Stun­de des letz­ten Zu­sam­men­seins über­las­sen zu kön­nen.

      Die Schat­ten der Nacht hat­ten sich auf das Ge­mach her­ab­ge­senkt und hüll­ten die Tote in Fins­ter­nis. Die Wit­we Den­tu trip­pel­te auf den Fuss­s­pit­zen um­her und such­te nach al­len mög­li­chen Din­gen, die sie mit der ge­räusch­lo­sen Art ei­ner Kran­ken­wär­te­rin hier und dort zu­recht­leg­te. Dann zün­de­te sie zwei Ker­zen an und stell­te sie lei­se auf den Nacht­tisch am Kop­fen­de des Bet­tes, den sie mit ei­nem wei­ßen Tu­che be­deckt hat­te.

      Jo­han­na schi­en nichts zu se­hen und nichts zu hö­ren. Sie war­te­te dar­auf, al­lein zu sein. Ju­li­us kam zu­rück, nach­dem er ge­ges­sen hat­te. »Willst Du wirk­lich nichts zu Dir neh­men?« frag­te er noch­mals. Sie ver­nein­te aber­mals durch ein Kopf­schüt­teln.

      Er setz­te sich mehr re­si­gniert wie trau­rig nie­der, und war­te­te, ohne wei­ter zu spre­chen.

      So blie­ben sie alle drei, je­des für sich, auf ih­ren Plät­zen.

      Hin und wie­der schnarch­te die ein­ge­schla­fe­ne Wär­te­rin; dann er­wach­te sie plötz­lich.

      Ju­li­us er­hob sich end­lich und nä­her­te sich Jo­han­na. »Willst Du jetzt al­lein blei­ben?« Sie er­griff mit ei­ner un­will­kür­li­chen Hast sei­ne Hand und sag­te: »Ach ja! lass mich al­lein.«

      »Ich wer­de von Zeit zu Zeit nach Dir se­hen«, mur­mel­te er, sie auf die Stirn küs­send. Und er ging mit der Wit­we Den­tu her­aus, die ih­ren Ses­sel ins Ne­ben­zim­mer roll­te.

      Jo­han­na schloss die Tür; dann öff­ne­te sie weit die bei­den Fens­ter. Mit vol­len Zü­gen sog sie den Duft der draus­sen la­gern­den Heu­ern­te ein. Es war ge­ra­de zur­zeit, wo man den rei­chen Be­stand der Wie­sen ab­ge­mäht hat­te, der nun un­ter dem vol­len Mond­licht sei­nen wür­zi­gen Duft aus­ström­te.

      Die­ses süs­se Emp­fin­den mach­te ihr übel; es ver­letz­te sie wie eine bit­te­re Iro­nie.

      Sie nä­her­te sich wie­der dem Bet­te, er­griff die eine leb­lo­se kal­te Hand und be­trach­te­te ihre Mut­ter.

      Sie war nicht mehr so an­ge­schwol­len, wie im Au­gen­blick des Un­falls und schi­en zu schla­fen; viel fried­li­cher so­gar, als es sonst bei ihr der Fall war. Die vom Luft­zu­ge hin und her­be­weg­ten Ker­zen­flam­men ver­än­der­ten je­den Au­gen­blick die Schat­ten auf ih­rem Ge­sicht, so­dass man hät­te den­ken sol­len, sie lebe und habe sich be­wegt.

      Jo­han­na starr­te sie un­abläs­sig an, wäh­rend aus ih­rer frü­he­s­ten Ju­gend­zeit eine Fül­le von Erin­ne­run­gen auf sie ein­stürm­te.

      Sie rief sich Müt­ter­chens Be­su­che im Sprech­zim­mer des Klos­ters vor Au­gen, die Art und Wei­se wie sie ihr die Düte voll Ku­chen gab; eine Men­ge Ein­zel­hei­ten, klei­ner Er­eig­nis­se, Zärt­lich­keits­be­wei­se, Wor­te, Re­dens­ar­ten, stän­di­ger Ge­bär­den, die Fal­ten um ihre Au­gen beim La­chen, der tie­fe er­stick­te Seuf­zer, mit dem sie sich nie­der­setz­te, das al­les kam ihr in Erin­ne­rung.

      Und so stand sie da im An­schau­en ver­sun­ken im­mer wie­der die Wor­te »Sie ist tot« wie halb von Sin­nen vor sich her­mur­melnd. Erst all­mähl­lich ver­stand sie den gan­zen Um­fang der­sel­ben.

      Die­ser Kör­per, der da ruh­te – Mama – ihr Müt­ter­chen – Ma­da­me Ade­lai­de, war also tot. Sie wür­de sich nie mehr re­gen, nie mehr spre­chen, nie mehr la­chen, nie­mals mehr Papa ge­gen­über bei Ti­sche sit­zen. Sie wür­de nie mehr »Gu­ten Mor­gen Jean­net­te« sa­gen. Sie war eben tot!

      Man wür­de sie in einen Sarg le­gen und sie be­gra­ben, und dann war al­les zu Ende. Man wür­de sie nicht mehr se­hen. War das mög­lich? Hat­te sie denn wirk­lich kein Müt­ter­chen mehr? Die­ses teu­re, trau­te Ant­litz, in das sie ge­schaut von dem Au­gen­blick an, wo sie die Au­gen ge­öff­net hat­te, das sie ge­liebt von der Mi­nu­te an, wo sie die Ärm­chen aus­brei­ten konn­te; die­ser СКАЧАТЬ