Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 234

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ Dich in mei­nen Ar­men, Dei­nen Mund un­ter mei­nen Lip­pen, Dei­ne Au­gen un­ter mei­nen Au­gen. Und dann hät­te ich mich vor Wut aus dem Fens­ter stür­zen kön­nen, wenn ich dar­an dach­te, dass Du zu die­ser Zeit ne­ben ihm ruh­test, ihm ganz zu ei­gen wärst …«

      Jo­han­na hielt ver­ständ­nis­los inne. Was war das? An wen, für wen, von wem wa­ren die­se Lie­bes­be­teue­run­gen?

      Wie­der fort­fah­rend fand sie stets wie­der die­se wahn­wit­zi­gen Lie­bes­schwü­re, die­se Stell­dich­eins mit Mah­nun­gen zur Vor­sicht, und stets zum Schluss die fünf Wor­te: »Ver­bren­ne vor al­lem die­se Zei­len!«

      End­lich öff­ne­te sie ein nichts­sa­gen­des Bil­let, eine ein­fa­che Zu­sa­ge zu ei­nem Di­ner, aber mit der­sel­ben Hand­schrift und »Paul d’En­ne­ma­re« un­ter­zeich­net. Es war der­sel­be, den der Baron im­mer »mein gu­ter al­ter Paul« nann­te, wenn er von ihm sprach, und des­sen Gat­tin die in­tims­te Freun­din der Baro­nin ge­we­sen war.

      Jo­han­na’s Zwei­fel wur­den jetzt plötz­lich zur vol­len Ge­wiss­heit. Ihre Mut­ter hat­te einen Lieb­ha­ber ge­habt?

      Und mit ei­nem hef­ti­gen Ruck schleu­der­te sie die­se schänd­li­chen Pa­pie­re von sich wie ein gif­ti­ges Rep­til, das sich an ihr em­por­ge­wun­den hat­te. Sie lief an’s Fens­ter und wein­te bit­ter­lich, wo­bei ein hef­ti­ges Schluch­zen ihr die Keh­le zu­schnür­te. Dann brach sie ganz ver­nich­tet am Fuss der Fens­ter­brüs­tung nie­der und ver­barg ihr Ge­sicht in den Vor­hän­gen, da­mit man ihre Seuf­zer nicht hör­te. So wein­te sie in tiefs­ter Verzweif­lung bit­ter­lich vor sich hin.

      Sie wür­de viel­leicht die gan­ze Nacht so zu­ge­bracht ha­ben, wenn nicht das Geräusch von Schrit­ten im Zim­mer ne­ben­an sie mit ei­nem Sat­ze auf­sprin­gen las­sen. War das etwa ihr Va­ter? Und alle die­se Brie­fe la­gen auf dem Bett und auf dem Fuss­bo­den zer­streut! Er brauch­te nur einen der­sel­ben zu öff­nen, um al­les zu wis­sen! Er!

      Sie stürz­te vor­wärts und raff­te has­tig alle die­se gel­ben Pa­pie­re zu­sam­men, die Brie­fe der Gro­ß­el­tern wie des Lieb­ha­bers, die, wel­che sie schon ge­le­sen hat­te und jene, die noch un­be­rührt in der Schieb­la­de la­gen, um sie in den Ka­min zu wer­fen. Dann nahm sie eine der bren­nen­den Ker­zen vom Tisch und ent­zün­de­te den Pa­pier­sto­ss. Eine hel­le Flam­me zün­gel­te em­por, und be­leuch­te­te das Zim­mer, das Bett und den Leich­nam mit leb­haf­ten auf- und ab­tan­zen­dem Lich­te, das mit schwar­zen Um­ris­sen auf dem wei­ßen Vor­hange hin­ter dem Bet­te das zit­tern­de Pro­fil des star­ren Ant­lit­zes und die Li­ni­en des mäch­ti­gen Kör­pers un­ter den Bett­tü­chern ab­zeich­ne­te.

      Als nur noch ein Häuf­lein Asche auf dem Bo­den des Ka­mins lag, kehr­te sie zu­rück und setz­te sich an’s of­fe­ne Fens­ter, als wenn sie nicht mehr wag­te in der Nähe der To­ten zu sein. Das Ge­sicht in den Hän­den be­gann sie aufs Neue zu wei­nen.

      »O, mei­ne arme Mama, mei­ne arme Mama!« seufz­te sie un­auf­hör­lich mit ver­zweif­lungs­vol­lem Kla­ge­laut.

      In die­ser un­glück­li­chen Stun­de wur­de ein gu­tes Teil der Kin­des­lie­be in ih­rem Her­zen aus­ge­löscht. Die Kennt­nis von dem Ge­heim­nis ih­rer Mut­ter wirk­te wie ein kal­ter Was­ser­strahl auf ihr Ge­müt.

      Als Ju­li­us spä­ter noch­mals er­schi­en, und sie auf­for­der­te, doch et­was zu schla­fen, sträub­te sie sich nicht. Mit ei­nem letz­ten Kuss auf die blei­che kal­te Stirn der To­ten ver­liess sie das Zim­mer.

      Der Baron kam am Abend des nächs­ten Ta­ges; sei­ne Trä­nen flos­sen un­auf­halt­sam.

      Die Teil­nah­me am Be­gräb­nis­se war eine aus­ser­ge­wöhn­li­che und mit ho­her Be­frie­di­gung sah Ju­li­us, dass von dem gan­zen Adel der Um­ge­gend kein ein­zi­ger fehl­te. Die Mar­qui­se de Cou­te­lier hat­te so­gar Jo­han­na wie­der­holt um­armt und ge­küsst.

      Tan­te Li­son, die gleich­falls ge­kom­men war, blieb mit Gil­bert wäh­rend der Fei­er­lich­keit bei Jo­han­na. »Mein ar­mes, teu­res Herz« sag­te die Grä­fin im­mer wie­der un­ter Küs­sen und Trä­nen zu der völ­lig ge­bro­che­nen Toch­ter.

      Als der Graf vom Be­gräb­nis­se zu­rück­kehr­te, wein­te er, als habe er sei­ne ei­ge­ne Mut­ter zur Ruhe ge­bet­tet.

      *

      Trau­ri­ge Tage wa­ren es, die die­sem Er­eig­nis­se folg­ten; dop­pelt trau­rig für Jo­han­na, die un­ter den Erin­ne­run­gen der letz­ten Nacht bei der to­ten Mut­ter ent­setz­lich litt. Dazu er­krank­te Paul; und wenn er auch wie­der ge­nas, so ver­folg­te sie doch stets der Ge­dan­ke, dass er ihr ein­mal durch den Tod ent­ris­sen wer­den könn­te. In ih­rem Her­zen er­wach­te die Sehn­sucht nach ei­nem zwei­ten Kin­de; aber sie leb­te von Ju­li­us ge­trennt, seit­dem sie Kennt­nis von sei­ner aber­ma­li­gen Un­treue hat­te. Und doch wuchs ihre Sehn­sucht von Tag zu Tag.

      Ihr Va­ter war wie­der ab­ge­reist; die Mut­ter tot. Wem soll­te sie sich an­ver­trau­en? End­lich be­schloss sie sich dem Abbé Pi­cot in der Beich­te ih­ren Wunsch zu be­ken­nen. Der wa­cke­re Mann hör­te sie mit ei­nem ge­wis­sen Er­stau­nen an, das nur zu be­greif­lich war. wenn er an die Ge­wohn­hei­ten und die rück­sichts­lo­se Sinn­lich­keit sei­ner länd­li­chen Beicht­kin­der dach­te. Aber er war doch zart­füh­lend ge­blie­ben, in­mit­ten die­ser Na­tur­kin­der und sag­te ihr trös­tend zum Ab­schied: »Ver­las­sen Sie sich auf mich; ich wer­de mit Ju­li­us re­den.« Und we­ni­ge Tage dar­auf leb­ten sie wie­der ver­eint, wie in der ers­ten Zeit.

      Aber Ju­li­us übte sei­ne Pf­lich­ten nur halb aus; sei­ne Sor­ge, dass Jo­han­na aber­mals Mut­ter wür­de, konn­te er schliess­lich vor die­ser selbst nicht ver­heh­len. Ver­geb­lich ver­dop­pel­te sie ihre Zärt­lich­keit um ihn zu ver­lei­ten, sei­ne Selbst­be­herr­schung auf­zu­ge­ben. Er blieb in­des­sen stets zu­rück­hal­tend und wuss­te je­den Er­folg ih­res ehe­li­chen Zu­sam­men­le­bens zu ver­mei­den.

      Da be­schloss sie, un­fä­hig ihr hef­ti­ges Ver­lan­gen nach ei­nem Kin­de län­ger zu be­meis­tern, aber­mals Abbé Pi­cot auf­zu­su­chen. Er wuss­te Rat. »Es gibt nur ein Mit­tel, lie­bes Kind«; sag­te er nach ei­ni­gem Be­sin­nen. »Sie brin­gen ihm die Über­zeu­gung bei, dass Sie sich aber­mals Mut­ter füh­len. Dann wird er sei­ne Vor­sicht ver­ges­sen.« Jo­han­na er­rö­te­te; aber er wuss­te ihre Zwei­fel zu zer­streu­en. »Die Kir­che kann die Zu­rück­hal­tung des Gat­ten nicht bil­li­gen; Sie ha­ben ein Recht, ihn zu sei­ner Pf­licht zu­rück­zu­füh­ren.«

      Ju­li­us ließ sich wirk­lich täu­schen. Ein­mal über­zeugt, ver­lor er die lan­ge be­währ­te Selbst­be­herr­schung und Jo­han­na sah sich nach Ver­lauf ei­nes Mo­nats am Ziel ih­rer Wün­sche. Von da an schloss sie abends ihre Türe und ge­lob­te aus Dank­bar­keit dem Him­mel eine ewi­ge Keusch­heit.

      Ge­gen Ende des Mo­nats kam der gute Abbé Pi­cot und stell­te sei­nen Nach­fol­ger, СКАЧАТЬ