Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Johanna und Julius gingen zusammen durch das Bosquet, stiegen die kleine Anhöhe hinan und betrachteten das ausgebreitete Meer. Trotz der Augustsonne wehte ein kühles Lüftchen; aber der Himmel erglänzte in lichtem reinen Blau.
Die jungen Leutchen durchschritten die Heide, um zu dem lieblichen Tale zu gelangen, welches sich mit seinem Gehölz bis Yport erstreckte. Sobald sie dasselbe betreten hatten, war kaum noch ein Luftzug zu verspüren. Sie verliessen den Hauptweg und verfolgten einen schmalen Pfad, der sich unter dem Gebüsch verlor. Es war hier kaum noch Platz für Zweie und Johanna fühlte plötzlich, wie ein Arm sich langsam um ihre Taille legte.
Sie sagte nichts; nur ihr kurzer Atem und das Klopfen ihres Herzens gaben Kunde von ihren Gefühlen. Die niedrigen Zweige streiften ihre Stirn, sodass sie dieselben oftmals zur Seite biegen mussten. Als sie ein Blatt abgerissen hatte, bemerkte sie unter demselben ein Paar Muttergotteskäferchen, die sich wie zwei kleine rote Schnecken dort festgeklammert hielten.
»Sieh’ mal, Mann und Frau!« sagte sie unschuldig.
»Heute Abend wirst Du auch meine Frau sein« flüsterte Julius ihr ins Ohr.
Obschon sie während ihres Lebens auf dem Lande schon manches gesehen und gehört hatte, fasste sie doch noch die Liebe rein von der poetischen Seite auf. Seine Worte überraschten sie. Seine Frau? war sie das denn nicht schon?
Jetzt überhäufte er sie plötzlich mit unzähligen Küssen auf Stirn und Nacken, dort wo ihre Haare anfingen. Unter dem Eindruck dieser ungewohnten stürmischen Zärtlichkeit eines Mannes neigte sie unwillkürlich den Kopf zur Seite, um den Küssen auszuweichen, die ihr aber doch so wohl taten.
Sie befanden sich jetzt am Rande des Gehölzes. Erschreckt über die weite Entfernung vom Hause blieb Johanna stehen. Was sollte man nur denken?
»Lass uns umkehren« sagte sie.
Er zog den Arm von ihrer Taille fort, und indem sie sich umwandten, standen sie beide so nahe gegenüber, dass sie fast ihren Atem spürten. Sie sahen sich an und zwar mit einem jener starren Blicke, die alles durchdringen und der Verschmelzung zweier Seelen gleichen. Ihre Herzen suchten sich in ihren Augen, hinter denselben, als wollten sie ein Wesen ergründen, das ihnen noch unbekannt, undurchdringlich bis dahin geblieben war. Sie prüften sich gegenseitig mit dieser stummen aber doch so ausdrucksvollen Frage. Was würden sie sich sein? Wie würde sich das Leben gestalten, das sie jetzt miteinander begannen? Welche Freuden, welches Glück oder welche Enttäuschung würde eins dem anderen in diesem langen Zusammensein einer unlöslichen Ehe bereiten? Und es schien ihnen beiden, als hätten sie sich vorher noch nie gesehen.
Plötzlich legte Julius beide Hände auf die Schultern seiner Frau und drückte einen vollen Kuss auf ihre Lippen, wie sie ihn bis da noch nicht empfangen hatte. Er weilte nicht auf ihren Lippen, dieser Kuss, er pflanzte sich durch ihr ganzes Innere fort, durch Mark und Bein. Sie fühlte einen solchen geheimnisvollen Schauer, dass sie halb von Sinnen mit beiden Armen Julius zurückdrängte, wobei sie beinahe hintenüber gefallen wäre. »Lass uns gehen, lass uns gehen« stammelte sie verwirrt.
Er antwortete nichts und ergriff ihre beiden Hände, die er den ganzen Weg über nicht wieder losliess.
Bis zu Hause wechselten sie kein Wort mehr. Der Rest des Nachmittags erschien ihnen sehr lang.
Gegen Abend setzte man sich zu Tische. Das Diner war, ganz gegen die sonstigen Gebräuche in der Normandie, kurz und einfach. Es lag wie eine Art Verlegenheit auf allen Teilnehmern. Nur die beiden Pfarrer, der Maire und die vier geladenen Landleute zeigten einigermassen eine gewisse ausgelassene hochzeitliche Stimmung.
Wenn sie zu lachen aufhörten, so reizte sie ein Witz des Maires aufs Neue dazu. Gegen neun Uhr ungefähr nahm man den Kaffee ein. Draussen unter den Obstbäumen im ersten Hofe begann der ländliche Reigen. Durch die offenen Fenster konnte man den Festplatz übersehen. An den Bäumen waren Papierlaternen aufgehängt und liessen den ganzen Raum in grünlich-gelbem Lichte erschimmern. Männlein und Weiblein hüpften beim Klange eines eigenartigen normannischen Liedes in der Runde, zu dem zwei Violinen und eine Klarinette auf einem als Tribüne dienenden Küchentische eine etwas dünne Begleitung spielten. Der laute Gesang der Tanzenden übertönte vollständig die Instrumente; nur hin und wieder klangen ihre mageren Töne durch das Gejohle hindurch, als wenn sie von Oben her dazu aufspielten.
Zwei große Fässer, durch Fackeln beleuchtet, sorgten für den Durst der Menge. Die beiden Mägde, welche dieselben bedienten, liefen unaufhörlich hin und her, den Arm voll tropfender Gläser, die sie entweder mit rotem Wein oder mit goldglänzendem reinen Cider füllten. Die durstigen Tänzer, die ruhig dasitzenden Alten ebenso wie die schweißtriefenden Jungen beeilten sich, mit ausgestreckten Händen ein Glas oder einen Krug zu erwischen und sich mit zurückgebogenem Kopfe ihr Lieblingsgetränk schluckweise durch die Kehle rinnen zu lassen.
Auf einem Tische waren Brot, Butter, Käse und Würstchen aufgestellt. Von Zeit zu Zeit holte sich jeder einen tüchtigen Bissen; und dieses muntere Treiben unter dem grünen Laubdach in seiner gesunden Natürlichkeit erweckte selbst in den Geladenen oben im Saale die Lust, ein Tänzchen zu machen, und zu Brot und Käse einen Krug vom köstlichen Cider zu schlürfen.
»Tausend auch!« rief der Maire, der mit seinem Messer den Takt schlug, »das ist prächtig, wie bei der Hochzeit zu Ganaga.«
Alles lachte laut.
»Sie meinen die Hochzeit zu Kanaa« sagte Abbé Picot, ein abgesagter Feind aller Zivil-Behörden.
Der andere aber wollte die Belehrung nicht gelten lassen.
»Nein, Herr Pfarrer, ich weiß schon Bescheid; wenn ich sage Ganaga, so meine ich Ganaga.«
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