Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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»Mach’ Dich hübsch, Kind, morgen Vormittag«, sagte dann eines Abends der Baron zu ihr.
»Warum denn, Papa?« fragte sie neugierig.
»Das ist ein Geheimnis«, antwortete er.
Und als sie am anderen Morgen herunterkam wie eine frisch erblühte Rose in ihrer lichten Toilette, fand sie den Tisch im Salon mit Bonbonieren bedeckt und auf dem einen Sessel ein mächtiges Bouquet.
Im Hof fuhr ein Wagen vor, auf dem man die Inschrift las: »Lerat, Kuchenbäcker in Fecamp. Hochzeitsdiners.« Ludivine, welche in Begleitung eines Küchenjungen herbeigeeilt kam, holte aus dem Innern desselben verschiedene verdeckte Schüsseln heraus, die sehr gut rochen.
Jetzt erschien der Vicomte de Lamare. Seine Beinkleider spannten sich über zierlichen Lackstiefeletten, welche die Kleinheit seiner Füsse noch mehr hervortreten liessen. Aus der Brustöffnung seines enganschliessenden Überrockes traten die Spitzen seines Faltenhemdes hervor, während eine elegante Halsbinde, dreifach geschlungen, ihn zwang, den Kopf höher als gewöhnlich zu tragen, was seinem gebräunten Antlitz einen gewichtigen Eindruck verlieh. Er hatte eine andere Miene wie sonst, jenen besonderen Ausdruck, den eine gewählte Toilette auch dem bekanntesten Gesicht gibt. Johanna war erstaunt und betrachtete ihn wie einen völlig Fremden. Sie fand übrigens, dass er das Musterbild eines Edelmannes, eines großen Herrn, vom Scheitel bis zur Zehe war.
»Nun, Gevatterin, sind Sie bereit?« sagte er, sich lächelnd verbeugend.
»Aber zu was denn?« stammelte sie. »Was gibt es denn?«
»Du wirst es gleich erfahren« sagte der Baron.
Der Wagen fuhr vor und Madame Adelaïde in großer Toilette stieg die Treppe herunter, gestützt von Rosalie. Letztere war so überrascht von der Eleganz des Vicomte, dass die Baronin ihm zuflüsterte:
»Hören Sie, Vicomte, ich glaube, unser Kammermädchen ist entzückt von Ihnen.«
Er wurde rot bis über die Ohren; aber er tat, als habe er nichts gehört. Er bemächtigte sich des großen Bouquets und überreichte es Johanna, welche es erstaunter noch als vorher annahm. Alle vier bestiegen jetzt den Wagen. Die Köchin Ludivine, welche der Baronin eine Tasse Fleischbrühe zur Stärkung brachte, konnte sich nicht enthalten zu sagen:
»Aber, gnädige Frau, das ist ja wie eine Hochzeit.«
In Yport stieg man aus, und sobald sie das Dorf betraten, traten die Fischer in ihren besten Anzügen aus den Türen, grüssten, drückten dem Baron die Hand und folgten prozessionsweise dem Zuge, den der Vicomte, mit Johanna am Arm, anführte.
Vor der Kirche wurde Halt gemacht. Ein Chorknabe mit dem hochgehaltenen silbernen Kreuz trat heraus, dem ein anderer im roten Chorrock und weißem Rochette folgte. Letzterer trug den Weihwasserkessel mit dem Wedel darin.
Dann kamen drei alte Chorsänger, von denen einer hinkte, dann der Organist, endlich der Pfarrer, die goldgestickte Stola über der Brust gekreuzt. Er wünschte lächelnd durch ein Neigen des Hauptes »Guten Morgen.« Dann folgte er mit halbgeschlossenen Augen, ein Gebet auf den Lippen, das Barett in die Stirn gedrückt, seinem Stabe, der sich nach dem Meere hin bewegte.
Am Strande umstand eine dichtgedrängte Menge eine neue blumengeschmückte Barke. Ihr Mast, die Segel, das Tauwerk, waren mit langen Bändern geschmückt, die im Winde flatterten. Am Steuerbord erglänzte in goldigen Buchstaben der Name »Johanna.«
Papa Lastique, der Patron dieses mit dem Gelde des Barons erbauten Schiffes trat aus der Menge vor. Alle Menschen entblössten beim Anblick des Kreuzes mit derselben Handbewegung gleichzeitig ihre Häupter und knieten in einer dreifachen Reihe nieder. Es war ein seltsamer Anblick: Alle diese Andächtigen, eingehüllt in die gleichartigen, weiten schwarzen Schultermäntel.
Der Pfarrer mit den beiden Chorknaben begab sich in das eine Ende des kleinen Fahrzeuges, während an dem anderen sich die drei alten Chorsänger aufstellten. Ihre weißen Chorhemden waren nicht mehr ganz sauber, das Kinn unrasiert; aber sie schauten mit ihrer wichtigsten Miene in das Gesangbuch und detonierten in Folge der klaren Morgenluft recht bedenklich.
Jedes Mal, wenn sie Atem schöpften, setzte der Küster allein seinen Gesang fort, und seine kleinen grauen Augen verschwanden fast hinter den dick aufgeblasenen Backen. Seine Stirn und sein Nacken waren von der Anstrengung so rot geworden, dass man hätte meinen können, die Haut wäre ihm dort abgezogen.
Das Meer selbst in seiner klaren unbeweglichen Ruhe schien an der Taufe seines Fahrzeuges Teil zu nehmen. Kaum eine leichte Regung des Wassers war zu bemerken, leise nur knirschte der Kies des Gestades unter den Wellen, die nicht ’mal eine Handbreit hoch waren. Und die großen weißen Möven zogen mit ausgebreiteten Schwingen ihre Kreise am blauen Himmel; bald schossen sie pfeilschnell davon, bald kamen sie langsam durch die Luft gesegelt auf die Menge der Andächtigen zu, als wollten sie schauen, was es da eigentlich gäbe.
Jetzt schloss der Gesang mit einem minutenlangen Amen und der Priester sprach mit tiefer Stimme ein lateinisches Gebet, von dem man im Allgemeinen nur die schärfer betonten Endsilben verstand.
Alsdann machte er einen Gang über die ganze Barke und besprengte sie mit Weihwasser; hierauf sprach er das Pater noster, wobei er an der Langseite des Schiffchens den Taufpaten gerade gegenüber stand. Diese blieben unbeweglich Hand in Hand.
Der junge Mann wenigstens behielt ganz seine ernste würdevolle Miene bei; aber die junge Dame wurde schliesslich doch von einer plötzlichen inneren Regung erfasst und fühlte sich so erschüttert, dass ihr die Zähne klapperten. Der Traum, der sie schon so lange verfolgte, nahm plötzlich eine feste Gestalt an; wenigstens glaubte sie seine Erfüllung vor sich zu sehen. Man hatte von einer Hochzeit gesprochen und ein Priester war da, um zu segnen; fromme Lieder und Gebete tönten zum Himmel. War das nicht in der Tat, als wenn es ihre Hochzeit wäre?
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