Der Schreiberling. Patrick J. Grieser
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Название: Der Schreiberling

Автор: Patrick J. Grieser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der Primus

isbn: 9783947816040

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СКАЧАТЬ hört sich besser an, mein Freund! Du trägst meine Essenz. Sei stolz, dass ich dich auserwählt habe. Es ist ein Privileg, meine Essenz zu tragen!«

      Und in diesem Moment erinnerte sich der Cowboy an seine erste Begegnung mit der Göttin Hekate in der Stadt der Nacht. Da war etwas gewesen, das Hekate zu ihm gesagt hatte.

      »Ich erinnere mich wieder …«, flüsterte er leise und ging das Erlebte in seinen Gedanken durch.

      Sie trug eine schlichte weiße Robe, die ihr bis zu den Knien reichte sowie Sandalen aus gegerbtem Leder. Sie war jung und schön. Ihre braunen Haare waren hochgesteckt und durch einen goldenen Haarkamm – das einzige Schmuckstück, das sie zu tragen schien – fixiert. Die Frau konnte Anfang zwanzig, aber auch schon weit über vierzig sein. Etwas Zeitloses ging von diesem Gesicht aus.

      »Ich bin Hekate, die Göttin der Wegkreuzungen. Magna Mater. Die Große Mutter. Willkommen in meinem Reich!«, sagte sie, während sie beobachtete, wie der Cowboy mit den Jungen aus dem Schatten des Steinportals trat.

      »Du hast eine meiner Grazien ermordet«, sagte sie und musterte den Cowboy von Kopf bis Fuß.

       »Baby, falls du die Schlampe ein paar Stockwerke tiefer meinst … well, sie hat einen unserer Kumpels auf dem Gewissen.«

       »Was bist du?«, fragte Hekate irritiert und stellte sich direkt vor den Cowboy. »Du warst einmal ein Mensch, aber da ist noch etwas in dir. Eine Essenz …«

      Eine Essenz! Hekate hatte gespürt, dass er anders war. Die Essenz war wohl auch der Grund, warum er allen Gefahren bislang getrotzt und überlebt hatte. Zufall oder gelenktes Schicksal?

      »Aber warum?«, wollte der Cowboy wissen.

      Der Mann, der sich Kelvin Smith nannte, deutete auf den gläsernen Sarg vor ihnen. »Dazu musst du meine Vorgeschichte kennen. Das hier ist kein Sarg, sondern eine Hyperkapsel.« Dann zeigte er mit beiden Händen auf sich selbst. »Was du vor dir siehst, bin nicht ich, sondern nur ein geistiges Abbild. Eine Illusion. Ich bin in dieser Hyperkapsel gefangen.«

      »Also doch ein Geist?«

      »Eher eine täuschend echte Illusion, die die richtigen Stellen in deinem visuellen Kortex aktiviert. Nennen wir es doch einen Astralkörper.«

      »Wie funktioniert diese Hyperkapsel?«

      »Ein Behältnis, das die darin liegende Person in einen Hyperschlaf versetzt. Durch die Kälte werden deine Vitalfunktionen auf ein Minimum reduziert. Die Zellalterung ist praktisch ausgesetzt. Die Olympioi benutzten diese Kapseln auf ihren langen Reisen durch das Multiversum.«

      »Der Kerl darin schläft?«

      »Ja, ich schlafe!«, antwortete Thanatos.

      Der Cowboy trat wieder vor den Sarg aus Glas und suchte nach einem Griff an der Seite. »Dann lass mich dir helfen. Wie bekomme ich das Scheißteil auf?«

      »Gar nicht«, sagte Thanatos und unsagbare Wut stieg in ihm auf. Ein Zittern ging durch das Bauwerk. Staub und Gesteinsbrocken rieselten von den Decken. Der Cowboy glaubte, dass jeden Moment der Tempel einstürzen würde. Erschrocken und ängstlich ging er in die Knie. Dann war alles wieder vorbei. Kleine Staubwolken stiegen vom Boden auf.

      »Du bist mir sympathischer, wenn du nicht wütend bist!«, meinte der Cowboy und nahm seinen Hut ab, um den Staub abzuklopfen.

      »Tja, ein schlechtes Benehmen, ich weiß, ich weiß …«, sagte Thanatos und hob entschuldigend die Hände.

      »Wer hat dir das angetan? Warum bist du in dieser Kapsel?«, wollte der Cowboy wissen und setzte seinen Hut wieder auf.

      »Komm her und ich zeige es dir!«, forderte ihn Thanatos auf und hob seine Hände in die Höhe.

      »Nein, danke!«, sagte der Cowboy. »Ich habe heute genug Ausflüge in die Vergangenheit gemacht.« Er wollte noch etwas sagen, doch Thanatos griff nach seinem Kopf und ehe der Cowboy reagieren konnte, bohrten sich dessen Finger tief in seinen Kopf. Es war diesmal nicht ganz so schmerzhaft, denn er wusste, was gleich kommen würde, aber das Gefühl war trotzdem unangenehm und er biss sich auf die Lippen, als er ein Glühen in seinem Kopf spürte. Ein Regenbogen explodierte vor ihm in tausend Farben – Farben, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Er glaubte für einen Augenblick, dass jemand ein Radio eingeschaltet hatte und die Beatles den Refrain von Yesterday sangen. Yesterday … Die Anspannung wich langsam einem Gefühl der entspannten Erschöpfung. Das Singen der Beatles (ja, es waren definitiv die Beatles!) verstummte schlagartig. Dann war da nur noch Schwärze und dann … nichts.

      Thanatos stand auf dem Kamm eines dünn bewaldeten Hügels, der in einen lieblich anmutenden Landstrich führte. Das Tal war geprägt von Laub- und Nadelbäumen, die nebeneinander wuchsen und zwei Liebhabern gleich miteinander harmonierten. Bunte Blumen lockerten das ebenmäßige Buschwerk auf, das hauptsächlich aus wilden Farnpflanzen bestand. Es war ein heißer Sommertag, doch der Mann mit der roten Haut schwitzte aus keiner einzigen Pore. Er hatte ein Energiefeld um seinen Körper gelegt, das ihn vor der sengenden Hitze schützte.

      Hinter dem Tal lag ein kleines Dorf, dessen Namen er schon wieder vergessen hatte. Er war gekommen, um die Einwohner zu bestrafen. Ihm war zu Ohren getragen worden, dass manche Einheimische sich der dunklen Kunst der Nekromantie verschrieben hatten. Sie praktizierten nächtliche Rituale, um die Toten aus ihren Gräbern zu holen. Das war etwas, was Thanatos auf gar keinen Fall dulden konnte. Er war der Gott der Toten und keinem Sterblichen war es gestattet, in seinem Reich zu wildern. Nekromantie war ein Sakrileg und die Dorfbewohner würden dafür einen hohen Blutpreis zahlen. Er würde sie nicht alle töten, denn er brauchte eine Handvoll Überlebende. Leute, die die Kunde in alle Herren Länder tragen würden, dass mit der Nekromantie nicht zu spaßen war.

      Die Nekromanten waren zu einer wahren Plage geworden. Gerade im fernen Arabien war das Interesse an der Totenbeschwörung groß. In jedem Hinterhof wurden die dunklen Künste praktiziert. Aber auch die leidenschaftlichen Araber würden ihre Lektion erteilt bekommen und sie würden lernen … sehr schnell lernen.

      Thanatos labte sich an den Qualen, die er unter den Dorfbewohnern anrichten würde. Ein Schriftgelehrter hatte einmal das Sprichwort geprägt, dass Rache ein Gericht sei, das man am besten kalt serviere. Der Mann war ein Narr gewesen! Blanker Hass, der sich in hemmungsloser Aggression entlud, war der höchste Lustgewinn, nach dem man streben konnte. Die Zerstörung war ein Grundbedürfnis. »Gesegnet sei der, der sich in der Wut verliert! Unsere Rache stürzt den Ungerechten vom Thron und erhöht den Niedrigen. Trage meine Essenz in alle Herren Länder, auf dass deine Klinge reichlich Ernte halte!« (Spruch des Thanatos, 3, 8, Das Hohelied der Rache).

      Thanatos folgte einem kleinen Pfad ins Tal, der mit metallisch glänzenden Kieselsteinen übersät war. Seine Sandalen knirschten bei jedem Schritt.

       Er spürte die Präsenz der beiden schon, bevor er sie hinter dem großen Felsbrocken am Fuß des Pfades hervortreten sah. Der Mann war in eine schwarze Robe gekleidet, die Frau, das passende Gegenstück, in ein weißes eng anliegendes Kleid. Sie trug ein goldenes Diadem. Epimetheus und Hekate. Die beiden Olympioi verkörperten Kräfte, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Epimetheus war für Thanatos nicht mehr als ein arroganter Knabe, der im Schatten seines mächtigen Bruders Prometheus stand. Ein Träumer, der an die wahre, bedingungslose Liebe glaubte. Früher oder später würde er Epimetheus zurechtstutzen. Der Knabe benötigte eine ordentliche Lektion in Sachen Demut. Vor Hekate musste er sich allerdings in Acht nehmen. Sie war schlau und manipulativ. СКАЧАТЬ