Название: Heißes Blut
Автор: Un-su Kim
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958903425
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»Was für ein Mundwerk! Was das betrifft, werde ich dich wohl nie schlagen.«
Vater Son nahm seine Tasse, blickte hinein und stellte sie missmutig wieder ab, weil kein Ginseng mehr am Boden klebte.
Huisu sah ihn gähnend an. »Haben Sie sonst noch was zu sagen? Sonst gehe ich jetzt.«
»Legst du dich wieder hin?«
»Ja, sollte ich wohl.«
»Gut, dann geh hoch und ruh dich ein bisschen aus. Aber jetzt hast du an deinem Geburtstag nicht mal eine Algensuppe gegessen, wie traurig! Soll ich in der Küche darum bitten, dass sie dir eine machen und sie dir hochbringen?«
»Nicht nötig, den Luxus kann ich mir nicht erlauben.«
Und damit erhob sich Huisu und verließ die Terrasse.
Der Rindsbouillon-Club saß immer noch plaudernd an dem Tisch mitten im Café. Einer der Alten, Vater Kim, hielt Huisu an, als er mit höflich gesenktem Kopf vorbeikam.
»He, Huisu!«
Huisu wurde automatisch langsamer.
»Ja?«
»Ich habe gehört, ihr mischt im Depot zwanzig Prozent koreanisches Chili unter, stimmt das?«
»Ja.«
»Warum so viel? Zehn Prozent würden bei Weitem reichen.«
»Ja, zehn Prozent sind mehr als genug«, gab Vater Park seinen Senf dazu. »Mit zehn Prozent ist es quasi ein koreanisches Produkt.«
»Mehr koreanisches Chili bedeutet mehr Spatenstiche«, fügte Vater Kim hinzu. »Und Gott weiß, wie anstrengend diese verdammten Spatenstiche für euch sind.«
Huisu lächelte schwach. »Sie scheinen sich ja große Sorgen um unser Wohlergehen zu machen. Dass sie sogar die Spatenstiche zählen!«
»Wir müssen die Jugend moralisch unterstützen – mehr können wir alten Männer doch nicht tun«, erwiderte Vater Kim selbstgefällig.
Huisu nickte. Dann verließ er die Terrasse und ging direkt hinauf in sein Zimmer.
HOTELZIMMER
Hotel Mallijang, Zimmer 249. Es lag am Ende eines Flurs, gleich gegenüber dem Notausgang, was Huisu ein Gefühl von Sicherheit gab, obwohl er noch nie hatte fliehen müssen. Seit er vor siebzehn Jahren aus Mojawon weggegangen war, hatte er kein richtiges Zuhause mehr gehabt. Zusammen mit anderen Gangstern hatte er – immer provisorisch – in diversen Absteigen gelebt, eine Weile bei einer Kellnerin und eine Zeit lang im Gefängnis. Ein Vagabundenleben an wechselnden Orten, die man ohne Bedauern mit einem Koffer in der Hand hinter sich lassen konnte. Oft wurde er gefragt, ob das Leben in einem Hotel nach all diesen unsteten Jahren nicht der Himmel auf Erden für ihn sei? War ein von einer faulen Ehefrau schlecht in Ordnung gehaltenes Zuhause, mit nicht mal einem sauberen Handtuch im Bad, nicht dreckiger als jede billige Absteige? Und war das Leben in einem Hotel, wo Putzen und Wäschewaschen entfiel, nicht ohnehin angenehmer? Wenn jemand so etwas sagte, lächelte Huisu nur. Sie hatten ja keine Ahnung vom Nomadenleben, so unstet und ohne jeden Halt.
Als Huisu die Zimmertür öffnete, schlug ihm eine Alkoholwolke entgegen. Bierdosen, Whiskyflaschen, Kekse und Stücke von aufgeschnittenem Obst lagen verstreut auf dem Tisch, Überreste der vorangegangenen Nacht mit Chef Gu. Der Aschenbecher quoll über. Huisu dachte an das Gejammer von Chef Gu, und plötzlich wurde ihm übel. Sein erster Gedanke war, Mau aus dem Foyer zum Saubermachen zu rufen, doch aus Faulheit ließ er die Idee gleich wieder fallen. Im Bad lag ein zusammengerollter Nylonstrumpf auf der Kommode, das Mädchen hatte ihn gestern wohl vergessen. Was für eine Nutte ließ einen Strumpf zurück? Huisu versuchte vergeblich, sich an sie zu erinnern. Wahrscheinlich eine von denen, die an der Hotelbar arbeiteten. Im Geist ging er alle Gesichter durch, doch ihres war wie ausgelöscht. Mit einem zynischen Lachen warf er den Strumpf in den Mülleimer. Sein übersäuerter Magen brannte. Er öffnete die Schublade, nahm ein Alkaselzer heraus, dazu was für den Magen. Daneben lagen Prozac und Xanax, von seinem Arzt verschrieben. Antidepressivum und Angstlöser.
Huisu litt seit Jahren unter Magenschmerzen. Die regelmäßigen Behandlungen im Krankenhaus hatten keine Besserung gebracht. Sein Arzt hatte ihm schließlich geraten, einen Psychiater aufzusuchen. Auf der Basis von klinischen Untersuchungen und einem eher rudimentären Fragebogen hatte dieser trocken seine Diagnose gestellt: »Sie haben eine Depression.« Huisus Magenschmerzen lagen also weder an den ungeregelten Mahlzeiten noch an seinem Alkohol- und Tabakkonsum, nein, sie waren dem Arzt zufolge Symptom eines psychischen Problems. »Aber ich fühle mich nicht depressiv«, hatte Huisu erwidert. »Sie leiden unter einer allgemeinen Antriebsschwäche, können sich für nichts begeistern, alles erscheint Ihnen langweilig und grau, habe ich recht? Nun, genau das ist eine Depression«, hatte ihm der Arzt erklärt. Huisu glaubte nicht daran. Wenn so etwas eine Depression war, litten so gut wie alle Gangster in seinem Umfeld an Depressionen. Sie hassten jede Form von Bewegung, hassten es zu schwitzen, waren für alles zu bequem. Trotzdem hatten Huisus Magenschmerzen nachgelassen, seit er die Medikamente nahm, und er schlief gut, während er früher erst nach langem Herumwälzen in den Schlaf gefunden hatte.
Er nahm eine Prozac- und eine Xanax-Tablette, legte sie sich auf die Zunge und trank einen Schluck Wasser. Im Badezimmerspiegel blickte ihm ein Vierzigjähriger entgegen, dem man die Jahre ansah.
Vierzig! Zu viel für einen Gangster, fand er. Doch er würde wohl mit einundvierzig und auch mit zweiundvierzig weiter seinen Weg gehen, was blieb ihm denn sonst übrig? Seit über zwanzig Jahren bewegte er sich nun schon in diesem Milieu und hatte es nicht einmal geschafft, sich eine elende Bleibe zu kaufen. Geschweige denn zu heiraten oder ein bisschen Geld auf die Seite zu legen. Das Einzige, was er hatte, war ein Haufen Schulden.
Doch selbst wenn es ihm gelang auszubrechen – wovon sollte er dann leben? Handwerklich war er absolut ungeschickt. Oder könnte er in seinem Alter noch einmal ganz neu starten?
Vierzig Jahre alt. Beruf: mittlerer Kader eines Vorort-Gangsterclans und Manager des Hotels Mallijang. Vorstrafenregister: vier Verurteilungen. Wohnsitz: Hotelzimmer. Gesundheitszustand: depressiv. Dies war Huisus aktuelles Profil.
»Wach auf, Huisu. Du bist vierzig. Nutz deine Chance, ehe du kaltgemacht wirst, und lass dieses Leben hinter dir.«
Huisu hatte mit dem Mann im Spiegel gesprochen, aber der starrte ihn nur trotzig an. Von Müdigkeit übermannt, ließ er sich aufs Bett fallen. Im Fernsehen, das die ganze Nacht über gelaufen war, pflanzte der Präsident gerade einen Baum. Huisus Kehle war wie ausgetrocknet, auch das lag am Schlafmangel. Er drückte seine Zigarette aus und blickte gedankenverloren auf den Bildschirm, wo das Präsidentenpaar gemeinsam diesen Baum pflanzte. Zwei weiße, gut genährte Hunde sprangen den beiden fröhlich um die Beine. In Mojawon, wo Huisu seine Kindheit verbracht hatte, wurden am fünften April, dem Tag des Baums, die Geburtstage aller Kinder gefeiert, ganz gleich, ob sie im Mai oder im Dezember geboren waren. Wenn die Beamten der Stadtverwaltung in den kahl geschlagenen Bergen ihre Bäume gepflanzt hatten, schenkten sie ihnen aus Mildtätigkeit ein kollektives Geburtstagsfest. Für etwa fünfzehn Kinder gab es dann einen Kuchen und sieben Kerzen. Warum ausgerechnet sieben, hatte er nie herausgefunden. Am Tag der Feier gab es im Wohlfahrtsheim Kinder unterschiedlichsten Alters, sie konnten fünf, aber auch schon elf Jahre alt sein. Vielleicht hatten die Beamten einen Altersdurchschnitt errechnet. Oder sie nahmen, ohne sich die Frage überhaupt zu stellen, einfach alle Kerzen, СКАЧАТЬ