Ada (Band 2): Die vergessenen Orte. Miriam Rademacher
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Название: Ada (Band 2): Die vergessenen Orte

Автор: Miriam Rademacher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Ada

isbn: 9783038961512

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СКАЧАТЬ das nun freundlich wirkende Lächeln des Mannes gab Richard das Gefühl, nicht in Gefahr zu schweben. Alles andere an dieser Situation hätte er sonst ausgesprochen beunruhigend gefunden.

      Aus den Augenwinkeln beobachtete er gerade noch, wie Martin davoneilte, während der krumme Billy auf einer Bank im Flur Platz nahm und nach einem Kreuzworträtsel griff. Anscheinend blieb dieser Flur niemals unbewacht. Und obwohl Richard diesen Ort erst vor wenigen Minuten betreten hatte, wünschte er sich bereits wieder hinaus ins warme Licht der Oktobersonne.

      September 2019

      ADA

      Die glatte Betonfläche inmitten des gepflegten Gartens erschien Ada wenig vertrauenerweckend, also breitete sie ihre Picknickdecke am Rand dieses Platzes aus, ließ sich auf einem bestickten Kissen nieder und öffnete ihre Blechdose voller Kekse. Lange würde sie nicht auf Gesellschaft warten müssen.

      In Sichtweite ihres gemütlichen Plätzchens wanderte Jig über die Gartenwege, hielt manchmal nachdenklich inne, um dann wieder weiterzuspazieren.

      Sie war Adas aktuelles Sorgenkind. Mit ihren siebzehn Jahren war Jig, die von ihren Eltern auf den Namen Jennifer getauft worden war, eigentlich schon zu alt für ein Kindermädchen. Ganz besonders für ein Kindermädchen wie Ada, die mit ihren zweiundsechzig Jahren zielsicher das Rentenalter ansteuerte. Doch abenteuerliche Umstände hatten sie beide zusammengebracht und Ada hatte nicht lang gebraucht, um zu erkennen, dass Jig nicht, wie von den Ärzten und Erziehungsberechtigten angenommen, in eine psychiatrische Klinik gehörte, sondern vielmehr in die Obhut eines Menschen, der sich mit Fabelwesen, Geistern und ja, man musste es sagen, auch mit Monstern auskannte. Mit anderen Worten: Jig brauchte jemanden wie Ada, die in ihrem langen Leben schon viele Kobolde unter Kinderbetten hervorgelockt und auch höchstpersönlich entsorgt hatte.

      Ada wusste, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gab, die zu sehen, riechen oder akustisch wahrzunehmen nicht jedem vergönnt war. Doch gerade Kinder waren mit solchen Erfahrungen schnell überfordert, ganz besonders, wenn sie keinen Erwachsenen in ihrem Umfeld hatten, der ihnen den richtigen Umgang mit Haus- oder Naturgeistern beibringen konnte. Aber Jig, die Stimmen hörte und viel mehr Sprachen verstand, als sie selbst ahnte, hatte jetzt Ada, und das war gut so.

      »Hier war es«, rief Jig und winkte Ada zu, die fragend eine Augenbraue hob. »Hier habe ich einen der Schrate mit einem Netz voller Orangen verdroschen.«

      »Das war deine erste große Tat«, rief Ada zurück und meinte es ehrlich. Denn es war Jigs erste Begegnung mit einem Fabelwesen gewesen, bei dem diese nicht verängstigt reagiert, sondern sich zur Wehr gesetzt hatte.

      Jetzt, nur wenige Wochen später, stand eine seelisch schon viel stabilere Jig am selben Ort, und Ada konnte so etwas wie Selbstbewusstsein und Stolz in ihrer Körpersprache erkennen. Das Mädchen war auf einem guten Weg.

      »Was zur Hölle machen Sie denn wieder hier?«, vernahm Ada die Stimme eines Mannes.

      Sie drehte den Kopf und sah Derek Dreyer auf sich zukommen, den zukünftigen Ex-Mann ihres einstigen Schützlings Valerie.

      »Theodor Blunt, Sie erinnern sich doch an Teddy, hat mich wissen lassen, dass Sie heute hier mit Ihrer Noch-Frau verabredet sind«, rief Ada ihm entgegen. »Und ich erlaube es mir, bei dieser spannenden Begegnung anwesend zu sein.«

      »Sie verschwinden sofort von meinem Grund und Boden und nehmen diese dürre Vogelscheuche auch gleich wieder mit«, rief er und deutete auf Jig, die in sicherer Entfernung zwischen zwei Rhododendren stand und die Szene beobachtete.

      Bei dieser wenig freundlichen Beschreibung ihrer Person blies sie jetzt allerdings die Backen auf und ballte die zarten Hände zu Fäusten. Seit Ada Jig unter ihre Fittiche genommen hatte, war das stoppelkurze Haar schon etwas nachgewachsen und ihr Appetit hatte sich gebessert. Jig war noch immer sehr zart, aber keineswegs mehr so dürr wie noch vor Wochen.

      »Charmant wie eh und je, Mister Dreyer«, erwiderte Ada. »Doch zu Ihrem Leidwesen können Sie uns gar nicht aus diesem Garten vertreiben, denn dies ist auch Valeries Grund und Boden. Und jetzt ist es ja auch nicht mehr als Grund und Boden, so wie ich die Dinge sehe.« Sie deutete auf die frisch betonierte Fläche hinter sich.

      »Haben Sie etwas damit zu tun?« Derek Dreyer, dessen Gesicht so rot geworden war wie eine Weihnachtskugel, hatte sie jetzt fast erreicht. Unter seinen schweren Schritten erbebte der Boden, auf dem Ada noch immer ungerührt saß und an ihrem Keks knabberte.

      »Sehe ich etwa aus wie eine Abrissbirne?« Ada blickte fragend zu ihm auf. »Passen Sie auf, was Sie sagen. Jig haben Sie schon beleidigt, verscherzen Sie es sich nicht auch noch mit mir.«

      »Ich dachte, das hätte er längst«, ließ sich plötzlich die vertraute Stimme Teddys vernehmen, der mit Valerie am Arm den Weg vom Gartentor herkam.

      Beim Anblick der kalten Betonfläche inmitten des Gartens verlor Valeries Gesicht jede Farbe. »Mein Haus! Mein Haus ist weg! Jemand hat es gestohlen!«

      Ada erhob sich von ihrem Kissen, um Valerie in den Arm zu nehmen und ihr zu versichern, dass ein Haus nicht einfach gestohlen werden konnte.

      Doch es war Derek Dreyer, der jetzt mit theatralischer Geste das Wort ergriff. »Das ist es ja, was ich dir sagen wollte. Schonend beibringen, nach Möglichkeit. Doch wenn du keinen meiner Anrufe beantwortest, nie zu sprechen bist, dich bei diesem Blunt in seinem Schloss verschanzt …«

      »Nur ein kleiner Landsitz«, warf Teddy ein und lächelte bescheiden.

      »Ach, halten Sie die Klappe, Blunt. Sie haben dieses komische Kindermädchen auf den Plan gerufen.« Derek deutete auf Ada. »Wie soll ich denn ein vernünftiges Wort mit meiner Frau wechseln, wenn diese Verrückte dabei ist?«

      »Ada ist nicht verrückt, Sie fetter, blöder …« Jig, die herbeigeeilt war, gingen die Schimpfwörter aus.

      Ada musste grinsen. Die Kleine war einfach zu gut für diese Welt.

      »Ich will sofort wissen, was mit meinem Haus passiert ist«, rief Valerie und schien kurz davor, hysterisch zu werden.

      »Das will ich dir ja gerade erzählen: Es ist weg!«, brüllte Derek Dreyer.

      Die darauffolgende Stille wurde nur vom leisen Glucksen Adas unterbrochen.

      »Das ist nicht witzig!«, fauchte Derek. »Ich befand mich auf einer Geschäftsreise. Gerade mal für fünf Tage. Und als ich wiederkam, war das Haus weg. Mitsamt seinem Inhalt. Meine Anzüge, meine Unterlagen, mein Lieblingssessel, alles einfach weg. Und niemand kann mir sagen, was eigentlich passiert ist.«

      »Was ist denn mit den Nachbarn?«, fragte Teddy neugierig.

      »Die haben den Abriss natürlich genau mitbekommen, dachten aber aus unerfindlichen Gründen, dass schon alles seine Richtigkeit haben wird. Und niemand hat sich den Namen des Abrissunternehmens gemerkt, der ja bestimmt an einem der LKWs gestanden haben muss.«

      »Das bezweifle ich«, sagte Ada leise und mehr zu sich selbst als zu einem der Umstehenden.

      Valerie trat vor und machte ein paar vorsichtige Schritte auf dem Beton, der genau dort ausgebracht worden war, wo einst ihr Zuhause gestanden hatte. »Das kann doch alles nur ein furchtbares Missverständnis sein.«

      »Das glaube ich nicht, mein Schatz.« Ada war neben sie getreten und legte ihr einen Arm um die Schulter. СКАЧАТЬ