Schattengeister. Frances Hardinge
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Название: Schattengeister

Автор: Frances Hardinge

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783772541445

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СКАЧАТЬ Sie versuchte es, aber ihr Inneres sah so wild und leer aus wie ein weißer Oktoberhimmel; nichts, was sie in Worte fassen konnte. Es war, als wäre ihre Seele verschwunden.

      In der zweiten Nacht allein in ihrem Zimmer wollte Makepeace den Deckel von ihren Gefühlen anheben. Sie zwang sich, um Vergebung zu beten, für Mutters Seele und für ihre eigene. Der Versuch ließ sie erzittern, aber nicht vor Kälte. Sie hatte Angst, dass Gott ihr mit eisigem, unversöhnlichem Zorn lauschte und bis tief in den verfaulten Kern ihrer Seele blickte. Gleichzeitig überkam sie die Furcht, dass er überhaupt nicht zuhörte, dass er ihr nie zugehört hatte und nie zuhören würde.

      Die Anstrengung laugte sie aus, und danach konnte sie einschlafen.

      Tapp, tapp, tapp.

      Makepeace schlug die Augen auf. Ihr war kalt, so ganz allein im Bett, ohne die Wölbung von Mutters Rücken neben sich. Der Verlust wog in der Schwärze der Nacht noch schwerer.

      Tapp, tapp, tapp.

      Das Geräusch kam vom Fenster; vielleicht hatten sich die Läden gelockert. Wenn das der Fall war, würden sie die ganze Nacht lang klappern und sie wach halten. Widerstrebend stand sie auf und tastete sich zum Fenster vor; sie fand sich auch ohne Licht in dem Zimmer zurecht. Sie strich über den Riegel und spürte, dass er fest verschlossen war. Und dann erzitterte etwas unter ihren Fingerspitzen, als von draußen wieder gegen den Fensterladen geklopft wurde.

      Jenseits der hölzernen Latten hörte sie noch etwas anderes. Es war so leise und gedämpft, dass es kaum das Ohr kitzelte. Aber es klang wie eine menschliche Stimme. Und diese Stimme war entsetzlich vertraut. Makepeaces Nackenhaare stellten sich auf.

      Da war es wieder, ein unterdrücktes Schluchzen, ganz dicht an den Fensterläden. Ein einzelnes Wort.

      Makepeace.

      In hundert Albträumen hatte Makepeace vergeblich darum gekämpft, die Läden in ihrem Geist geschlossen zu halten und die Schreckgespenster auszusperren. Ihre Hände zitterten bei dem Gedanken daran, doch noch immer lagen ihre Finger auf dem Riegel.

      Die Toten sind wie Ertrinkende, hatte Mutter gesagt.

      Makepeace stellte sich vor, wie ihre Mutter in der Nachtluft ertrank, wie sie langsam nach unten sank, mit weit ausgebreiteten Haaren. Sie stellte sich vor, wie hilflos, allein und verzweifelt sie nach Halt griff.

      «Ich bin hier», flüsterte sie. «Ich bin es – Makepeace.» Sie drückte ihr Ohr an den Fensterladen, und sie glaubte, eine erstickte Antwort auf ihre Worte zu hören.

      Lass mich ein.

      Makepeace gefror das Blut in den Adern, aber sie ermahnte sich, keine Angst zu haben. Mutter würde nicht so sein wie die anderen toten Wesen. Das hier war anders. Was immer da draußen war, war immer noch Mutter. Makepeace konnte sie nicht im Stich lassen. Nicht noch einmal.

      Sie löste den Riegel und öffnete den Fensterladen.

      An einem kohlschwarzen Himmel glommen ein paar trübe Sterne. Eine klamme Brise sickerte ins Zimmer und verursachte ihr eine Gänsehaut. Makepeace wurde die Brust eng in der Gewissheit, dass noch etwas anderes außer dem Wind hereingekommen war. Die Dunkelheit war mit einem Mal anders beschaffen, und sie war nicht länger allein.

      Makepeace überkam das schreckliche Gefühl, dass sie womöglich etwas Unwiderrufliches getan hatte. Ihre Haut kribbelte. Wieder fühlte sie es, dieses Kitzeln von Spinnenfüßen an ihrem Geist. Die verlangende, zögerliche Berührung des Todes.

      Sie wich vom Fenster zurück und versuchte, ihre geistigen Abwehrkräfte zu mobilisieren. Aber wenn sie an Mutter dachte, wurden ihre selbst erfundenen Bannsprüche so nutzlos wie ein altes Kinderlied. Makepeace kniff die Augen zu, aber sie sah trotzdem Mutters Gesicht vor sich, wie es im Kerzenlicht an jenem ersten Abend in der Kapelle ausgesehen hatte. Ein fremdes Wesen mit einem unergründlichen Ausdruck, dem jede Wärme fehlte.

      An ihrem Nacken spürte sie einen eisigen Hauch, den Atem von etwas Atemlosen. Ein Kitzeln an ihrem Gesicht und an ihrem Ohr – eine Haarsträhne, nichts weiter, das musste es sein. Sie erstarrte und atmete flach.

      «Ma?», flüsterte sie so leise, dass ihre Stimme kaum die Luft aufwirbelte.

      Eine Stimme antwortete ihr. Eine Beinah-Stimme. Ein geschmolzenes Etwas aus Klang, wie das Lallen eines Schwachkopfs, mit zerbrochenen und ausfasernden Konsonanten. Es war ihrem Ohr so nah, dass es in ihrem Kopf summte.

      Makepeace riss die Augen auf. Da – da! – direkt vor ihr war ein wirbelndes, mottengraues, verzerrtes Gesicht. Die Augen waren nur Höhlen, der Mund ein klaffender, heulender Abgrund. Sie taumelte rückwärts, weg von diesem Gesicht, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Sie starrte und starrte und wollte nicht, dass es so war, auch als dieses Etwas schon mit Rauchfingern gierig nach ihren Augen krallte.

      Gerade noch rechtzeitig kniff Makepeace die Augen zu und fühlte, wie sich eine Kälte auf ihren Lidern niederließ. Es war wie der Albtraum, es war wie alle Albträume, nur ohne die Hoffnung, aufwachen zu können. Sie hielt sich die Ohren zu, aber es war zu spät. Sie hatte sie gehört, diese weichen, schrecklichen Töne.

      Lass mich ein … Lass mich ein … Makepeace, lass mich ein

      Das Etwas tastete sich an ihrem Geist entlang, fand die Ritzen von Kummer, Liebe und Erinnerung in ihrer Verteidigungsmauer und riss an ihnen mit brutalen, gierigen Fingern. Es riss Stücke aus ihrem Herzen und ihrem Geist, während es sich seinen Weg hineinkämpfte. Es wusste, wie es ihre Abwehr umgehen konnte, kannte den Pfad zu ihrem weichen Kern.

      Und mit einer Wildheit, die schierer Todesangst entsprang, wehrte sich Makepeace.

      Mit ihrem Geist hieb sie um sich, zielte auf die rauchige Weichheit des Dings, fühlte es schreien, als sie es zu packen bekam und zerriss. Die Fetzen zappelten hilf- und sinnlos herum wie zerschnittene Würmer und versuchten, sich in ihre Seele zu graben. Es grabschte und krallte und klammerte sich an sie. Es konnte keine Worte bilden, nur winseln und heulen.

      Makepeace wollte die Augen nicht mehr öffnen. Aber sie tat es trotzdem, ganz zum Schluss. Um zu sehen, ob es weg war.

      Und sie sah, was aus dem Gesicht geworden war, was sie mit ihm gemacht hatte. Sie sah Angst und einen Schlund von Hass in den verdrehten, verschwindenden Zügen.

      Es war kaum noch als Gesicht zu erkennen. Aber trotzdem war es irgendwie immer noch Mutter.

      Makepeace wusste nicht mehr, dass sie geschrien hatte. Geschrien und geschrien. Das Nächste, woran sie sich erinnerte, war, dass sie auf dem Boden saß und in das Licht der Kerze ihrer Tante blinzelte und von der ganzen Familie mit Fragen überschüttet wurde. Die Läden waren fest verschlossen und klapperten leicht im Nachtwind. Tapp, tapp, tapp.

      Die Tante erklärte Makepeace, dass sie vermutlich während eines Albtraums von der Matratze gerollt war. Makepeace musste ihr glauben. Die Vorstellung beruhigte sie nicht ganz und gar, denn schließlich wusste sie, dass die Geister, gegen die sie in Träumen kämpfte, manchmal wirklich waren. Aber bitte, lieber Gott, nicht dieser Geist. Dieser Geist durfte sie nicht angegriffen haben, und Makepeace durfte ihn nicht in Fetzen gerissen haben. Allein der Gedanke war unerträglich.

      Es musste ein Traum gewesen sein. Voller Verzweiflung klammerte sich Makepeace an diesen Glauben.

      Nur eine Woche nach diesem Vorfall ging das Gerücht um, ein Geist treibe in den Sümpfen СКАЧАТЬ