Schattengeister. Frances Hardinge
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Schattengeister - Frances Hardinge страница 3

Название: Schattengeister

Автор: Frances Hardinge

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия:

isbn: 9783772541445

isbn:

СКАЧАТЬ Hinterlist von Bremsen, die ängstliche Aggressivität von Hunden und den schweren Gleichmut der Kühe.

      Manchmal geriet sie daher in Schwierigkeiten. Einmal kam sie mit einer gespaltenen Lippe und einer blutigen Nase nach Hause, nachdem sie ein paar Jungen angeschrien hatte, die Steine auf ein Vogelnest warfen. Vögel für den Suppentopf zu töten oder Eier für das Frühstück zu stehlen, ging völlig in Ordnung, aber sinnlose, dumme Grausamkeit erweckte in Makepeace einen Zorn, den sie nicht genau erklären konnte. Die Jungen hatten sie verblüfft angestarrt und dann mit Steinen nach ihr geworfen. Natürlich, warum auch nicht? Grausamkeit war normal, sie gehörte genauso zu ihrem Leben wie die Blumen und der Regen. Sie waren an den Rohrstock in der Schule gewöhnt, an die Schreie der Schweine beim Schlachter und das Blut in den Sägespänen der Hahnengrube. Kleine gefiederte Lebewesen totzuschlagen, war für sie genauso natürlich und befriedigend wie in Regenpfützen zu springen.

      Wenn man auffiel, bekam man eine blutige Nase. Um zu überleben, mussten sich Mutter und Makepeace einfügen. Was ihnen aber nie richtig gelang.

      In der Nacht nach der Wolfsgeschichte brachte Mutter Makepeace auf den alten Friedhof, ohne einen Grund dafür zu nennen.

      Nachts wirkte die Kirche hundertmal größer, und ihr Turm sah aus wie ein unerbittlicher Klotz aus abgrundtiefem Schwarz. Das Gras unter ihren Füßen war holprig und grau im Sternenlicht. In einer Ecke des Friedhofs stand eine kleine Kapelle aus Backstein, die schon lange nicht mehr benutzt wurde. In diese Kapelle gingen sie, und Mutter warf ein paar Decken in eine Nische des düsteren Gebäudes.

      «Können wir jetzt heimgehen?» Makepeace hatte eine Gänsehaut. Etwas war in der Nähe; Dinge lauerten überall ringsum, verursachten ein Kribbeln in ihrem Geist wie zarte Spinnenfüße.

      «Nein», sagte Mutter.

      «Hier ist etwas!» Makepeace kämpfte gegen ihre aufsteigende Panik an. «Ich fühle es!» Entsetzen überkam sie, als sie erkannte, was es war: Genauso fingen ihre Albträume immer an, mit dieser unguten Vorahnung, diesem Gefühl einer heranschleichenden Bedrohung. «Die Dämonen aus meinem Traum …»

      «Ich weiß.»

      «Was sind sie?», flüsterte Makepeace. «Sind sie … tot?» In ihrem Herzen kannte sie die Antwort bereits.

      «Ja», sagte Mutter mit ihrer gelassenen, kühlen Stimme. «Hör mir zu. Die Toten sind wie Ertrinkende. Sie treiben in der Dunkelheit und greifen nach allem, was sie kriegen können. Sie wollen dir vielleicht nichts tun, aber sie tun es trotzdem, wenn du es zulässt.

      Du wirst heute Nacht hier schlafen. Sie werden versuchen, sich in deinem Kopf festzusetzen. Was auch immer geschieht: Du darfst sie nicht hereinlassen.»

      «Was?», schrie Makepeace auf, die in diesem Augenblick vergaß, dass sie leise sein musste. «Nein! Ich kann nicht hierbleiben.»

      «Du musst», sagte Mutter. Ihr Gesicht war wie in Stein gemeißelt und silbern überzogen vom Licht der Sterne, und in ihrer Miene lag keine Freundlichkeit, keine Nachsicht. «Du musst hierbleiben und deinen Stock anspitzen.»

      Mutter benahm sich immer dann seltsam und unergründlich, wenn es um etwas Wichtiges ging. Es war, als ob sie dieses andere Ich, diese eigenwillige, unbegreifliche, andersweltliche Version ihrer selbst in der Kleidertruhe unter ihrem Sonntagsstaat aufbewahrte und nur im Notfall hervorholte. Wenn das geschah, war sie nicht mehr Mutter, sie war Margaret. Ihre Augen waren tiefer, ihr Haar unter der Haube dicker und hexenhaft unbändig, und ihr Geist war auf etwas gerichtet, das Makepeace nicht sehen konnte.

      Wenn Mutter sich so benahm, zog Makepeace normalerweise den Kopf ein und widersprach nicht. Aber diesmal schlug die Angst über ihr zusammen. Sie flehte, wie sie noch nie in ihrem Leben gefleht hatte. Sie protestierte, weinte, argumentierte und klammerte sich mit der Kraft der Verzweiflung an Mutters Arm. Mutter durfte sie nicht hierlassen, das durfte sie nicht, das durfte sie nicht …

      Mutter befreite sich aus dem Griff und versetzte Makepeace einen heftigen Stoß, der sie nach hinten taumeln ließ. Mit ein paar schnellen Schritten war sie draußen und schlug die Tür zu, woraufhin es pechschwarz in der Kapelle wurde. Ein schwerer Riegel wurde vorgeschoben.

      «Mutter!», schrie Makepeace, der es mittlerweile egal war, ob irgendjemand sie hörte. Sie rüttelte an der Tür, die aber nicht nachgab. «Ma!»

      Sie erhielt keine Antwort. Zu hören war nur das leise Schaben von Mutters Schritten, die sich entfernten. Makepeace war allein mit den Toten, der Dunkelheit und den Winterschreien der Eulen.

      Stundenlang kauerte sich Makepeace in das Nest aus Decken, zitterte vor Kälte und lauschte dem entfernten Bellen der Füchse. Sie fühlte die Wesen am Rand ihres Geistes lauern, sie warteten auf eine Gelegenheit, warteten darauf, dass sie einschlafen würde.

      «Bitte», flüsterte sie und hielt sich die Ohren zu, um die Stimmen nicht mehr zu hören. «Bitte nicht. Bitte …»

      Aber schließlich entzog sich ihr erschöpftes Gehirn ihrem Willen. Sie schlief ein, und prompt brach der Albtraum über sie herein.

      Wie die Male zuvor träumte Makepeace von einem dunklen, engen Raum. Der Boden bestand aus festgetrampelter Erde, und die Wände waren aus rußig schwarzem Stein gebaut. Sie wollte die Läden schließen, damit kein Mondlicht hereinkam – sie musste es aussperren, es trug Flüstern in sich. Aber die Läden standen in der Mitte einen Spalt auseinander und der Riegel war kaputt. Hinter der Lücke gähnte die tückische Nacht, wo Sterne schwankten und funkelten wie lose Knöpfe.

      Makepeace stemmte sich mit aller Kraft gegen die Fensterläden, aber die Nacht atmete die toten Wesen zu Dutzenden in den Raum. Sie griffen nach ihr und heulten mit diesen nebelhaften, geschmolzenen Gesichtern. Makepeace hielt sich die Ohren zu und kniff Augen und Mund zusammen; sie wusste, dass sie einen Weg in sie hinein suchten, in ihren Kopf.

      Sie surrten und winselten, aber Makepeace wollte nicht zuhören, wollte nicht, dass aus den weichen, abscheulichen Klängen Worte wurden. Das bleiche Licht zupfte an ihren Lidern, und das Flüstern leckte und kitzelte ihre Ohren, und die Luft war zum Schneiden dick von all dem, aber sie konnte nicht anders, sie musste atmen …

      Mit einem Ruck erwachte Makepeace. Ihr Herz hämmerte so laut, dass ihr davon übel wurde. Instinktiv streckte sie die Hand nach dem warmen und beruhigenden Körper ihrer Mutter aus.

      Aber Mutter war nicht da. Makepeace brach der Angstschweiß aus, als ihr einfiel, wo sie sich befand. Sie war nicht zu Hause in Sicherheit. Sie war eingesperrt, lebendig begraben, umgeben von den Toten.

      Ein plötzliches Geräusch ließ sie erstarren. Ein raues Rascheln auf dem Boden, erschreckend laut in der kalten, klaren Nacht.

      Unvermittelt lief etwas Kleines, Leichtes über Makepeaces Fuß. Sie schrie auf, aber im nächsten Moment beruhigte sich ihr Herzschlag wieder. Sie hatte das weiche Fell gespürt, das Kitzeln von winzigen Krallen.

      Eine Maus. Von irgendwo in diesem Raum beobachtete die Maus sie mit ihren hellen Augen. Sie war nicht allein mit den Toten. Die Maus war zwar nicht ihr Freund, es wäre ihr egal, ob die toten Wesen sie umbrachten oder in den Wahnsinn trieben. Aber es war ein tröstlicher Gedanke, dass die Maus hier vor den Eulen und den anderen Jägern der Nacht Schutz suchte. Sie schrie nicht und flehte auch nicht, man möge sie verschonen. Es kümmerte sie nicht, ob sie geliebt wurde oder nicht. Sie wusste, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen konnte. Irgendwo in dieser Kapelle schlug ein rosinengroßes Herz mit dem eisernen Willen zu leben.

      Und es dauerte nicht lange, da tat Makepeaces СКАЧАТЬ