Название: "...von dem müden Haupte nehm' die Krone ich herab"
Автор: Gabriele Praschl-Bichler
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783902998323
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Wenn die Beschreibung der Frisiersitzung auch sehr poetisch gefärbt ist, so scheint sie das Entstehen der Haarkrone sehr genau wiederzugeben und vor allem die Anschauung der Kaiserin von der lebenden Fülle des Haares zu treffen. Die Haarpflegegeschichten wurden wie viele andere Alltäglichkeiten von Christomanos auf eine eigene literarische Ebene gehoben, und die Kaiserin würde sich über die poetischen Worte sehr gefreut haben, hätte sie erfahren, welchen Stellenwert das Frisierritual auch im Leben des Griechischlehrers einnahm. Bei Christomanos tauchen immer wieder Erinnerungen an die mit Vortrag und Lektüre verbundenen Frisierstunden auf, mehrmals läßt er die Kaiserin selbst über ihr Haar philosophieren: »›Ich fühle mein Haar‹, sagte sie mir, und dabei ließ sie einen Finger unter seine Wellen gleiten, wie um ihren Kopf von der Last zu erleichtern. ›Es ist wie ein fremder Körper auf meinem Kopfe.‹ – ›Majestät tragen das Haar wie eine Krone anstatt der Krone.‹ – ›Nur daß man sich jener anderen leichter entledigen kann‹, erwiderte sie mit bekümmertem Lächeln.« (ders., S. 49)
Zum Kämmen benutzte die Friseuse einen Kamm aus Bernstein und einen mit Silber beschlagenen, sogenannten »Wunderkamm«, der nach Überzeugung der Kaiserin jeden Haarausfall verhinderte. Mit einer silbernen Schere wurden ein- bis zweimal pro Monat die Stirnfransen egalisiert. Am Ende des Frisierrituals mußten die ausgekämmten, »toten« Haare auf einer silbernen Schüssel zum Anblick dargereicht werden, wofür die Friseuse je nach Menge mehr oder weniger vorwurfsvolle Blicke empfing. Um die Laune der Kaiserin nicht unnötig zu strapazieren, hatte Franziska Feifalik einen Trick ersonnen, der ihr den Abgang wesentlich erleichterte: sie befestigte unterhalb ihrer Schürze einen mit Klebemittel versehenen Streifen, der die ausgegangenen Haare festhielt, die sie während des Kämmens geschickt verschwinden hatte lassen.
Kaiserin Elisabeth war von Kindheit an gewohnt, mit dem Hauspersonal rüde umgehen zu können, und es geschah nicht selten, daß die Friseuse, bevor sie sich den Trick mit dem Klebeband zueigen gemacht hatte, für das eine oder andere verlorengegangene Haar eine Ohrfeige empfing. Für ungerechte Behandlung rächte sich Franziska Feifalik, indem sie auf ein anderes bewährtes Mittel zurückgriff und das Elisabeth erstaunlicherweise – wie viele Launen ihrer Günstlinge – duldete: »Heute sagte sie (die Kaiserin zum Griechischlehrer) beim Frisieren: ›Sie müssen mich entschuldigen, heute bin ich zerstreut. Ich muß meinen ganzen Geist auf die Haare verwenden: denn sie (die Friseuse) hat sich krank gemeldet, und die junge Dame hier (das Kammerfräulein) ist noch nicht so eingeweiht in alle Mysterien. Nach einigen solchen Frisiertagen bin ich wieder ganz mürbe. Das weiß Jene und wartet auf eine Kapitulation.« (Christomanos, S. 63)
Sogar Kaiser Franz Joseph durchschaute die Tricks der Friseuse, die er als pflichtergebener Mensch nicht guthieß, und in der Korrespondenz zwischen ihm und Katharina Schratt tauchen immer wieder Bemerkungen auf, wo er sich über das Betragen der Friseuse kritisch äußert: »Frau v. Feifalik ist bei der Abreise von Corfu wieder krank geworden und wurde hier vom Bahnhofe ins Schloß in einem Wagen der Rettungsgesellschaft transportirt, es geht ihr aber schon so weit besser, daß sie Morgen die Frisur der Kaiserin mit dem Diadem wird machen können. Es ist ein Elend, wenn man so vom Befinden, manchmal auch von den Launen einer Person abhängt!« (Ofen, 2. Mai 1896)
In einem leicht spöttelnden Ton nahm Kaiser Franz Joseph schon zwei Jahre früher auf die labile Gesundheit der Friseuse Bezug, die mit ihrem Kränkeln sicherlich Elisabeth nachahmte: »Sehr glücklich war ich, durch ein Telegramm Berzeviczys Deine (der Kaiserin) Ankunft in Corfu zu erfahren, nach ruhiger Seereise, daher wird auch die schöne Franzi (Feifalik) noch keine Seekrankheit gelitten haben.« (Brief Kaiser Franz Josephs an seine Gemahlin aus Landskron vom 6. September 1894)
Nach dem Durchkämmen der Haare flocht Franziska Feifalik unter den kritischen Blicken der Herrscherin die kunstvollen Kronenfrisuren, die bei festlichen Anlässen und Hofbällen mit Diamantsternen, einer Kamelienblüte oder Agraffen geschmückt wurden und die zu ihrer Zeit von den Damen der Gesellschaft – vor allem aber von den Schwestern Elisabeths, die in Italien, Frankreich und Deutschland lebten – kopiert wurden. Wenn sich die Kaiserin nach vollendetem Werk von ihrem Stuhl erhob, sank die Friseuse unter einem feierlich gehauchten »Zu Füßen Eurer Majestät ich mich lege!« in einen tiefen Kniefall, um in dem ewigen Ränkespiel zwischen ihr und Kaiserin Elisabeth die untergebene Rolle zumindest anzudeuten.
Während des Frisierens trug Franziska Feifalik weiße Handschuhe, die Nägel mußten kurz geschnitten und die Finger unberingt sein. Diese Idee hatte Kaiserin Elisabeth vom Hoffriseur der französischen Kaiserin Eugénie, der Gemahlin Napoleons III., übernommen. Der französische Haarkünstler hieß Leroi und zählte zu den Meistern seines Fachs. Seine Kundinnen entstammten der Aristokratie und dem gehobenen Bürgertum, von denen eine einmal im Vorraum seines Ladens ihrer Zofe klagte, daß sie es als sehr unangenehm empfände, wenn der Friseur mit seinen Händen nacheinander in die Haare der verschiedensten Kundinnen griff, um danach auch an ihr Haar zu fassen.
Leroi, der zufällig Ohrenzeuge des Gesprächs geworden war, nahm sich den Vorwurf zu Herzen und erstand einige Dutzend Paar Glacéhandschuhe für sich und die Angestellten seines Frisiersalons, ließ jedes Paar mit dem Namen einer Kundin versehen und seine Klientel fortan nur noch behandschuht betreuen. Kaiserin Eugénie, die von den Künsten Lerois gehört hatte und die auch die neue Idee, mit den Handschuhen frisiert zu werden, begeistert aufnahm, ernannte Leroi zu ihrem Leibfriseur, der sie in Hinkunft überallhin begleitete.
Kaiserin Elisabeth, die mit Kaiserin Eugénie ausschließlich in modischen Belangen Kontakt hielt, übernahm sofort die neue Methode mit den Handschuhen, die künftighin jeder, der an ihr Haar faßte, zu tragen hatte. Auch die drei Kammerfrauen, die allabendlich die kaiserliche Zopfkrone entflochten, kämmten Elisabeth behandschuht. Das offene Haar wurde der zu Bett gehenden Kaiserin einer Schleppe gleich nachgetragen und anschließend am oberen Ende des Bettes vorsichtig ausgebreitet. Mit einer Kopfrolle im Nacken verbrachte die Kaiserin – einer Statue gleich unbeweglich liegend – die Nacht. Das sollte verhindern, daß die Haarsträhnen sich verwirrten oder daß sich ein Haar aus der Fülle löste und »starb«.
Ein- oder zweimal im Monat – gemäß den Aufzeichnungen der Nichte der Kaiserin, Marie Larisch-Wallersee, einmal, gemäß den Tagebucheintragungen des Griechischlehrers, Constantin Christomanos, zweimal – jeweils an einem Freitag, fand die Haarwäsche statt. An diesem Tag hatte das gesamte Kammerpersonal zur Verfügung zu stehen, und niemand, selbst Franz Joseph nicht, durfte die Kaiserin sprechen. Elisabeth, die die Haarwaschrituale kokett mit der Bemerkung »Ich bin die Sklavin meiner Haare!« einzuleiten pflegte, trug während der Zeremonie einen eigens dafür gefertigten, wasserdichten, bodenlangen Mantel. Franziska Feifalik bereitete eine Waschmischung aus etwa dreißig rohen Eidottern und Franzbranntwein. Dieses Shampoon wurde mit einem Pinsel auf die über einen Tisch ausgebreiteten Haarsträhnen aufgetragen und mußte eine Stunde lang einwirken. Danach wurde das Haar mit warmem Wasser gewaschen und mit dem Sud von ausgekochten Walnußschalen nachgespült. Eine letzte Spülung mit Rosenwasser beendete das Waschprogramm. Etliche Stubenmädchen nahmen die Kaiserin mit vorgewärmten Mousseline-Tüchern in Empfang, um das Haar zu frottieren oder warme Luft zuzufächern.
Bemerkungen über die Haarwaschtage ziehen sich durch die »Familienliteratur« (Tagebücher und Korrespondenzen) wie ein roter Faden: »Einmal im Monat wurden Elisabeths schwere kastanienbraune Zöpfe mit rohem Ei und Branntwein gewaschen und nachher mit einem ›Desinfektionsmittel‹, wie sie es nannte, abgespült. Nach der Waschung ging die Kaiserin in einem langen, wasserdichten Seidenmantel auf und nieder, bis ihr Haar getrocknet war. Die Frau, die das Amt der Friseurin übte, sah man nie ohne Handschuhe … Die Ärmel ihres weißen Kleides trug sie ganz kurz. Es ist durchaus keine Sage, daß die Haare auf Tante Sissis Kopf numeriert СКАЧАТЬ