"...von dem müden Haupte nehm' die Krone ich herab". Gabriele Praschl-Bichler
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Читать онлайн книгу "...von dem müden Haupte nehm' die Krone ich herab" - Gabriele Praschl-Bichler страница 6

СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      Des Blutes reinsten, besten Saft,

      Den Flechten möcht ich dies vererben.

       O ginge doch mein Dasein über

      In lockig seidnes Wellengold,

      Das immer reicher, tieferrollt,

       Bis ich entkräftet schlaf hinüber!«

       (Wunsch, aus der Gedichtreihe »Spätherbst«)

      Kaiserin Elisabeth galt nicht nur wegen der überreichen Haarfülle als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit. Aber sie war sich ihrer Erscheinung und ihrer Schönheit völlig bewußt, und sie unterstrich sie gerne mit der für sie eigens kreierten geflochtenen Haarkrone, die sie als »Steckbrieffrisur« bezeichnete. Bereitwillig opferte sie für die Pflege und Erhaltung des kostbaren Gutes viel Mühe und Zeit, da sie es liebte, von Männern wegen ihres Aussehens angebetet zu werden, – wenn sie ihnen auch meist nicht viel mehr als das Anbeten gestattete.

      Die glühendsten unter ihren Verehrern zeichnete sie mit kleinen Gunstbezeigungen aus, indem sie ihnen zum Beispiel Gehör und Aufmerksamkeit schenkte. Zu den eifrigsten Anbetern der Kaiserin zählte der persische Schah Nasr-ed-din, der in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts Europa bereiste. In seinen regelmäßigen Tagebucheintragungen finden sich wenige positive Bemerkungen über die europäische Damenwelt, die er zwar großteils als hübsch, aber auch als zu geschwätzig empfand.

      Eine Ausnahme bildete Kaiserin Elisabeth, die der persische Herrscher anläßlich eines Soupers in Wien kennengelernt hatte: »Laxenburg (dort war der Schah während der Dauer seines ersten Aufenthaltes einquartiert), 5. August 1873. Nun habe ich auch die Frau des Kaisers von Österreich zu Gesicht bekommen. Sie ist auf jeden Fall die schönste Herrscherin von all den Frauen an den europäischen Höfen, denen ich bisher begegnet bin. Sie hat eine wunderschöne, weiße Haut und die Gestalt einer Zypresse, eine Majestät vom Scheitel einer prächtigen Haarfülle bis zur Sohle.« Zwei Tage später traf er noch einmal auf sie und wiederholte den positiven Eindruck der früheren Begegnung: »Laxenburg, 7. August 1873 … Am Galasouper nahm auch die Frau des Herrschers teil. Sie ist, es muß bei der schon einmal getroffenen Behauptung bleiben, mit ihren vielfältigen Reizen ein Genuß für das Auge. An diesem mit Frauenschönheit nicht sonderlich gesegnetem Hof ist ihre Erscheinung ein Labsal … Ich drückte dies auch dem neben mir an der Tafel sitzenden Kaiser aus. Ich glaube, daß er sich über diese meine Feststellung gefreut hat.«

      Elisabeths Dank an den persischen Potentaten bestand darin, auch ihm Sympathie entgegenzubringen und sich in seiner Gegenwart sogar zu amüsieren. »Wirkliches Vergnügen bereitete der Kaiserin (im Sommer 1873, als man unzählige Herrscher und Gesandte anläßlich der Weltausstellung empfing) jedoch nur der Schah von Persien. Seine ungezwungene Überschwenglichkeit und sein eigenartiges Benehmen gaben (der Kaiserin) in einem ansonsten recht trüben Sommer Leben und Farbe … Kaiser Franz Joseph wußte nicht, ob er (über die rüden Sitten Nasr-ed-dins) lachen oder sich ärgern sollte, aber Elisabeth war begeistert von dem Schah, dessen Auffassung vom Herrschertum dem Pflichtbewußtsein ihres Gatten so entgegengesetzt war. Der orientalische Despot tat und sagte, was ihm paßte … Der einzige Mensch, für den der Schah wirklich Interesse zeigte, war die Kaiserin …«, die sich für die Begegnungen mit ihm besonders zurechtmachte und ihm zu Ehren, der kostbare Steine liebte und sammelte, reichen Schmuck anlegte. »(Sie) trug (an einem der beiden Abende) ein weiß-silbernes Kleid mit einer purpurnen Schärpe und eine mit Amethysten und Diamanten besetzte Krone im Haar, das ihr offen in Locken über den Rücken fiel …« (Haslip, 275 f.) Eine ähnliche Beschreibung befindet sich auch im Tagebuch Schah Nasr-ed-dins, dem die Robe besonderen Eindruck gemacht hatte.

      Wenn man von der Schönheit der Kaiserin spricht, meint man nicht nur ihre Gesichtszüge, sondern auch die hochgewachsene, zarte Figur, die sie mit Diäten, Sport und Gymnastik schlank erhielt, und vor allem ihr dichtes, lockiges Haar, das bis zu den Knieen reichte und auf dessen Pflege sie alle erdenkliche Sorgfalt und Raffinesse aufwendete. Eine kongeniale Dienerin fand sie in der Person der jungen Theaterfriseuse Franziska Angerer (oder Roesler – die Quellen klaffen auseinander, feststeht, daß sie nach der Verheiratung Feifalik hieß). Sie war die Tochter einer Hebamme und arbeitete schon bald nach Beendigung der Berufsausbildung an Wiener Theatern, wo sie Schauspielerinnen wie Marie Geistinger, Pauline Lucca und Katharina Schratt betreute.

      Ihr Ruf als einfallsreiche Haarkünstlerin drang bis in die kaiserlichen Schlösser und erweckte eines Tages die Neugierde der Kaiserin. Sie bat Franziska Angerer/Roesler zu einem vertraulichen Gespräch, in dem sie ihr vorschlug, künftighin ausschließlich als ihre Leibfriseuse tätig zu sein, wobei sie nicht vergaß, ihr alle Vor- und Nachteile, die sich daraus ergeben sollten, aufzuzählen.

      Die junge Frau willigte ein und wurde mit einem Jahresgehalt von zweitausend Gulden (rund 240 000 Schilling) eingestellt. Als sich die Friseuse in den Handlungsreisenden Hugo Feifalik verliebte und ihn heiratete, ernannte ihn Kaiserin Elisabeth spontan zu ihrem Privatsekretär, um sich von der Haarkünstlerin nie mehr trennen zu müssen. Feifalik wurde später in den Stand eines Regierungsrats erhoben, er wurde Schatzmeister des hochadeligen Sternkreuzordens (eines hohen Damenordens, dem Kaiserin Elisabeth als Schirmherrin vorstand), zum Hofrat und letztendlich sogar zum Freiherren ernannt. Dreißig Jahre lang stand das Ehepaar in den Diensten der Kaiserin. Nach dem Tod Elisabeths ging Franziska Feifalik mit dem Ruhegehalt eines Hofrats in Pension. Sie verstarb am 14. Juli 1911 in Wien.

      Die Friseuse zählte während der Zeit ihrer Tätigkeit zu den besonderen Vertrauten der Kaiserin, und sie war sich ihrer bevorzugten Stellung mehr als bewußt. Sie beanspruchte eine Menge von Vorrechten und durfte sogar darauf bestehen, von der Vorleserin der Kaiserin, Ida von Ferenczy, und der Hofdame Gräfin Festetics zuerst gegrüßt zu werden, was die beiden Damen wenig erfreute.

      Während des Frisierens saß die Kaiserin in einen weißen, mit Spitzen besetzten Mantel gehüllt auf einem für diesen Zweck vorbehaltenen Stuhl, während Franziska Feifalik im schwarzen Hofkleid mit langer Schleppe und mit einer weißen Schürze zunächst das Haar entwirrte und kämmte.

      Einer der wenigen, die dieser Zeremonie teilhaben durften, war einer der von der Kaiserin eingesetzten Griechischlehrer, Constantin Christomanos, in dessen Erinnerungen die Frisiersitzungen einen breiten Raum einnehmen: »Die Kaiserin saß an einem Tisch, der in die Mitte des Raumes gerückt und mit einem weißen Tuch bedeckt war … mit aufgelösten Haaren, die bis zum Boden reichten und ihre Gestalt vollkommen einwickelten … Hinter dem Sessel der Kaiserin stand die Friseuse in schwarzem Kleide mit langer Schleppe, eine weiße spinnewebene Schürze sich vorgebunden … (Sie wühlte) in den Wellen der Haare, hob sie dann in die Höhe und tastete darüber wie über Samt und Seide, wickelte sie um die Arme wie Bäche, die sie auffangen möchte, weil sie nicht rinnen wollten, sondern fortfliegen, teilte die einzelne Welle mit einem Kamm aus goldgelbem Bernstein in mehrere Strähnen und trennte dann jede von diesen in unzählige Fäden, die im Sonnenlicht wie golden wurden und die sie behutsam auseinanderzog und über die Schultern hinlegte, um ein anderes Gewirr von Strähnen wieder in Goldfäden aufzulösen. Dann wob sie aus all diesen Strahlen, die aus erloschenem Gold zu Blitzen dunklen Granatrots aufflammten, neue ruhige Wellen, flocht diese Wellen zu kunstvollen Geflechten, die in zwei schwere Zauberschlangen sich wandelten, hob die Schlangen empor und ringelte sie um das Haupt und band daraus, mit Seidenfäden dieselben durchwirkend, eine herrliche Krone. Dann ergriff sie einen anderen spitzig auslaufenden Kamm aus durchsichtigem Schildkrot mit Silber beschlagen und wellte den Polster von Haaren, der am Hinterhaupt die Krone zu tragen bestimmt war, in jene Linien zurück, welche dem atmenden Meer zueigen. Dann zog sie die verwaist irrenden Strähnen über die Stirne hinab in die Nähe der Augen, so daß sie wie goldene Fransen vom Kranz der Krone herabhingen und die lichte Stirn wie ein Schleier verhüllten, entfernte mit einer silbernen Schere, was bei diesen Fäden Harmonie und Gleichheit verstörte und den ruhigen Lauf der geschwungenen СКАЧАТЬ