Tagebücher 1818 - 1832. Johann Wolfgang von Goethe
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Tagebücher 1818 - 1832 - Johann Wolfgang von Goethe страница 6

Название: Tagebücher 1818 - 1832

Автор: Johann Wolfgang von Goethe

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783849616786

isbn:

СКАЧАТЬ entzückender Frische, durch das eine neue Epoche der deutschen Dichtung eingeleitet wurde (vgl. Minor und Sauer, Studien zur G.-Philologie, Wien 1880; Weißenfels, G. im Sturm und Drang, Halle 1894, Bd. 1).

      Vom Mai bis September 1772 weilte G. in Wetzlar als Praktikant bei dem gänzlich verkommenen Reichskammergericht. In einer literarisch angeregten Tischgesellschaft (darunter Gotter, v. Goué, Kestner) verbrachte er genussreiche Stunden. Vor allem aber kam sein rätselhaft tiefes und leidenschaftliches Gemütsleben zur höchsten Entwickelung in der Liebe zu Charlotte Buff, der Braut Kestners; nur dadurch, dass er rechtzeitig, ohne Abschied zu nehmen, Wetzlar verließ, wusste er der heftigen Erregung Herr zu werden (vgl. Herbst, G. in Wetzlar, Gotha 1881). Nach kurzem Aufenthalt zu Ehrenbreitstein in der Familie der Romanschriftstellerin Sophie v. Laroche kehrte G. nach Frankfurt zurück, wo er eine Reihe von Aufsätzen schrieb, weiterhin an der Herausgabe der »Frankfurter Gelehrten Anzeigen« beteiligt war, zahlreiche dramatische und sonstige Pläne entwarf und zu Anfang des Jahres 1774 in wenigen Wochen die »Leiden des jungen Werthers« niederschrieb, in denen er seine Wetzlarer Erfahrungen, die erschütternde Kunde des am 29. Okt. 1772 erfolgten Selbstmordes von Karl Wilhelm Jerusalem (s. d.) und eigne unerfreuliche Erlebnisse mit Peter Anton Brentano, dem Gatten von Maximiliane, geborenen Laroche, seiner Freundin, verwertete. Dieser Roman, der das erste europäische Buch der deutschen Literatur werden sollte und schnell in alle Kultursprachen übersetzt wurde, ist das großartigste literarische Denkmal des empfindsamen, stillen, tiefen Kulturlebens jener Zeit. Die Verfeinerung des Gefühls bei geringer Kultur des aktiven Willens gelangt in keinem andern Werke so wie hier zum Ausdruck; zugleich aber gewinnt man bei aller krankhaften Schwärmerei des Helden doch einen Ausblick auf gesunde und reine Verhältnisse einer gemütvoll sinnigen Wett (vgl. A. Kestner, G. und Werther, 2. Aufl., Stuttg. 1857; J. W. Appell, Werther und seine Zeit, Leipz. 1855; 4. Aufl. 1896; Erich Schmidt, Richardson, Rousseau und G., Jena 1875). Daneben schrieb G. übermütige dramatische Satiren: den »Prolog zu den neuesten Offenbarungen Gottes« (gegen den Aufklärer Bahrdt), das »Jahrmarktsfest zu Plundersweilern« mit mannigfaltiger literarischer Satire (vgl. M. Herrmann, Jahrmarktsfest zu Plündersweilern, Berl. 1900), den »Pater Brey« gegen Leuchsenring, den »Satyros« gegen die Rousseauschen Naturapostel, »Hanswursts Hochzeit«, »Götter, Helden und Wieland« gegen Wielands »Alceste«. Von groß angelegten Arbeiten blieben »Mahomet«, »Prometheus« und der »Ewige Jude« Fragment, jedes in seiner Art, vor allem der »Prometheus«, von höchster Genialität und eigenartigster Weltanschauung zeugend. Auch vom »Faust« entstanden 1774–75 die meisten Abschnitte des ersten Teils, darunter der erste Monolog, die Szene mit dem Erdgeist, die Wagnerszene, die Schülerszene und fast die ganze Gretchentragödie (die Kerkerszene noch in Prosa). Diese ältesten Abschnitte des Werkes, der sogen. »Urfaust«, sind erst 1887 in einer Abschrift des weimarischen Hoffräuleins Luise v. Göchhausen wieder aufgefunden und durch Erich Schmidt veröffentlicht worden (»Goethes. Faust' in ursprünglicher Gestalt«, Weim. 1887, 5. Aufl. 1901; vgl. Collin, Goethes, Faust' in seiner ältesten Gestalt, Frankf. a. M. 1896; Minor, Goethes 'Faust', Stuttg. 1901, 2 Bde.); sie bilden in der gedrängten Fülle tiefsinnigster Gedanken, in dramatisch gehobener Handlung, lyrisch vertieften Situationen und tragisch erschütternder Größe das Gewaltigste, was G. geschaffen hat. Zur Vollendung gelangte in dieser Zeit der »Clavigo« (Leipz. 1774), ein an Beaumarchais' Memoiren eng angelehntes, in acht Tagen flüchtig niedergeschriebenes Werk, das immerhin noch den großen Dichter verrät, aber den Vergleich mit seinen bessern Arbeiten nicht verträgt. Auch »Stella, ein Schauspiel für Liebende« (Berl. 1776), ein nach vielfältigen Modellen gearbeitetes, verwickeltes Stück, ist trotz der entzückenden Schilderung des Seelenlebens der Heldin im ganzen eine verfehlte Arbeit; der damals bereits weit geförderte »Egmont« gelangte in Frankfurt nicht mehr zum Abschluss.

      Zu dem vor allem durch den »Werther« schnell berühmt gewordenen Dichter suchten zahlreiche Schriftsteller, teils brieflich, teils persönlich Beziehungen zu gewinnen. Im Sommer 1774 machte er eine Lahn- und Rheinreise mit Lavater und Basedow; 1775 eine Reise nach der Schweiz mit den Grafen Friedrich Leopold und Christian zu Stolberg. Seit 1774 verbanden ihn freundschaftliche Beziehungen mit Fritz Jacobi und dessen Freundin Johanna Fahlmer; 1774 und 1775 kehrte Klopstock in Goethes Haus ein; Mitte Oktober 1774 erschienen Boie, im Februar 1775 Jung-Stilling, später Sulzer, Pestalozzi, Georg Zimmermann u.a. Aber das wichtigste Erlebnis dieser Zeit war Goethes Liebe zu Elisabeth (Lili) Schönemann, der Tochter eines Frankfurter Bankiers, einer ebenso schönen wie klugen 17jährigen Blondine, deren harmlose Koketterie die edelsten Gemüts- und Charakteranlagen nur leise verbarg. Sie, die vielleicht besser als irgend eine andre des Dichters Lebensweg zu schmücken verstanden hätte und seiner würdig gewesen wäre, wurde zwar seine Braut, doch führten einerseits die Ehescheu des jungen Titanen, anderseits die Verschiedenheit der Lebenssphären und Anschauungen beider Familien bald zu einer Lösung der Verlobung (vgl. E. Graf von Dürckheim, Lillis Bild, 2. Aufl., Münch. 1894). So war es denn auch in dieser Hinsicht wünschenswert, dass G. den heimischen Verhältnissen, die ihm zu eng wurden, entfloh: einer Einladung des jungen Herzogs Karl August von Weimar, dessen Bekanntschaft er schon 1774 gemacht hatte, folgend, zog er nach der thüringischen Residenz, wo er 7. Nov. eintraf, ohne zunächst zu glauben, dass er hier dauernd verweilen werde.

      Vom Eintritt in Weimar bis zur Rückkehr aus Italien (1775–88).

      Der Eintritt in neue Verhältnisse großen Stils und in einen Kreis hochgebildeter vornehmer Personen blieb nicht ohne tiefgehenden Einfluss auf den Dichter. Karl August, eine überschäumende Kraftnatur, hochbegabt, soldatisch derb, rastlos, aber nicht immer zweckbewußt tätig, begegnete dem jungen Dichter mit Bewunderung und größtem Vertrauen. Beide wurden bald nahe befreundet und überboten sich zum Schrecken aller Philister in oft fast bedenklich tollem Treiben. Den Mittelpunkt des Musenhofes bildete noch die Herzogin-Mutter Anna Amalia, der die Huldigungen der Dichter und Komponisten (außer G.: Wieland, Knebel, Bertuch, Herder, Einsiedel, Seckendorf u.a.) in erster Linie galten. Dagegen hielt sich die edle, sittenstrenge Herzogin Luise, von dem haltlosen Treiben peinlich berührt, mit Entschiedenheit zurück (vgl. E. v. Bojanowski, Luise, Großherzogin von Sachsen-Weimar, Stuttg. 1903). Auch von den Staatsbeamten verfolgten manche mit Kopfschütteln die Beweise unbedingter Gunst, die der Fürst des Landes dem jungen Dichter schenkte, vor allem Graf Görtz und der Minister v. Fritsch, der mit seinem Abschied drohte, als Karl August G. ein Amt im Verwaltungsdienst übertragen wollte (vgl. K. von Beaulieu-Marconnay, Karl August und der Minister v. Fritsch, Weim. 1874; Düntzer, G. und Karl August, 2. Aufl., Leipz. 1888). Aber der Herzog ließ sich nicht abhalten, G. 11. Juli mit dem Titel eines Geheimen Legationsrates im geheimen Konseil anzustellen; er übertrug ihm die Geschäfte der Wegebaukommission, der Bergwerks- und Forstverwaltung, der Kriegskommission u.a., Geschäfte, die des Dichters nicht immer würdig sein mochten, ihm aber doch die Weltkenntnis mehrten. 1782 wurde G. auf Anlass Karl Augusts durch den Kaiser geadelt, und im selben Jahr übernahm er das Kammerpräsidium. Er selbst, der acht Jahre älter war als der Herzog, fühlte sich bald durch die zerstreuenden Vergnügungen unbefriedigt und suchte auch seinen ungestümen Herrn zu ernsterer Lebensauffassung zu bewegen.

      Zu der tiefen Wandlung, die G. schon in den ersten Jahren erfuhr, trug wesentlich bei seine Liebe zu Frau von Stein, geborenen v. Schardt. Sie, die Gattin des Oberstallmeisters v. Stein, Mutter von sieben Kindern, sieben Jahre älter als G., flößte ihm ein Gefühl ein, das sich von seinen früheren Liebesregungen wesentlich unterschied. Die kränkelnde, nicht eben schöne Frau vereinte mit den edlen Formen der echten Aristokratin ein unendlich tiefes Gemüt, ungewöhnlich reiche Bildung und scharfen Verstand. Ihr Wesen spiegelt sich in den Gestalten von Iphigenie und der Prinzessin im »Tasso«, vor allem in der letzteren, ab. Auch ihr begegnete der Dichter mit leidenschaftlichem Ungestüm, aber sie verstand es, sein heißes Drängen in Schranken zu halten, sein Gemüt zu klären und zu beruhigen, und ihrem Einfluss ist der weihevolle Geist der Dichtungen dieser Zeit in erster Linie zu danken.

      Goethes Bemühungen gelang es, Herder dauernd nach Weimar zu ziehen, wo er die Stellung eines Generalsuperintendenten und ersten Predigers an der Stadtkirche übernahm. Andre Freunde unsers Dichters, Lenz und Klinger, machten sich in Weimar, wo sie zu Besuch erschienen, bald unmöglich; der Graf СКАЧАТЬ