Schauer der Vorwelt. Tobias Bachmann
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Название: Schauer der Vorwelt

Автор: Tobias Bachmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783969447406

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СКАЧАТЬ doch die Geleise seien aufgrund einer eingestürzten Brücke nicht befahrbar, weswegen bis auf weiteres der Zugverkehr entfallen würde, wie man mir mitteilte.

      Kein Taxifahrer erklärte sich bereit, mich aus der Stadt herauszubringen. Ein Fußmarsch über die Stadtgrenzen wurde vereitelt, da ich diese nicht finden konnte. Es schien, als liefe ich unentwegt im Kreis herum. Ständig verirrte ich mich in den trostlosen Gassen der Randbezirke Kingsports. Oder Kadaths. Ich glaube immer mehr daran, dass es sich so verhält, wie ich es bereits gemutmaßt habe.

      Als ich einen kleinen Jungen traf und ihn fragte, wie ich hier aus der Stadt herauskommen würde, sagte mir dieser ins Gesicht: »Gar nicht. Es gibt keinen Ausgang. Man ist hier gefangen. Für immer.«

      »Ach ja?«, sagte ich, als seine Mutter aus dem Haus gerannt kam und rief: »Hören Sie nicht auf den Bengel. Er redet nur Blödsinn.«

      Sie gab ihrem Jungen eine Ohrfeige und dieser machte sich mit seinem Fußball von dannen.

      »Vielleicht könnten Sie mir verraten, wie ich aus Kingsport herausfinde.«

      »Versuchen Sie es über den Seeweg«, sagte sie und verschwand wieder im Haus.

      Ich beherzigte ihren Ratschlag und begab mich zum Hafen. Doch betrübt musste ich feststellen, dass es keinen Fährverkehr gab. Ich lief am Kai entlang, um die Fischer und Seeleute zu befragen, doch keiner schien bereit, mich für ein noch so stattliches Entgelt mit seinem Boot zu transportieren. Als die Dämmerung einsetzte, kehrte ich entmutigt zu meinem Hotel zurück. Aber auch hier hatte ich keinen Erfolg. Das Zimmer, das ich heute Morgen geräumt hatte, sei anderweitig vergeben worden. Ein freies Zimmer gäbe es momentan nicht. Und es sei das einzige Hotel der Stadt. Ich war fassungslos. Man hielt mich in der Stadt gefangen und verwehrte mir nun auch noch jegliche Form einer sicheren Zuflucht. Wo sollte ich hin, wenn die Nacht hereinbricht, und die grässlichen und abscheulichen Dinge kommen, die dort in den Schatten lauern und schmatzen und kichern und stöhnen und näherkommen … kriechend näherkommen, um mich zu betasten, zu umschlingen, zu packen und …

      Schließlich wird mir klar: Es gibt keinen Silberschlüssel, mit dem man den Ort des Grauens verlassen könnte. Keinen Physischen zumindest. Stattdessen glaube ich an die Theorie, dass Carter selbst der Schlüssel ist, der einem die Türen in die Traumlande öffnet. Seit jener Nacht suche ich ihn, denn ich beabsichtige keineswegs, fortan hierzubleiben. Im Gegenteil. Ich möchte fliehen. Diesem Wahnsinn entrinnen, bevor er von mir Besitz ergreift.

      Ich muss Carter finden.

      Doch einen solchen gibt es nicht in der Stadt, wird mir gesagt, gleich, wen ich nach dem Verbleib Randolph Carters befrage. Einen Randolph Carter hat es in Kingsport angeblich nie gegeben.

      Die Dunkelheit kommt.

      Ich renne durch die Straßen und Gassen mit ihren schwarzen Pflastersteinen. Dichter Nebel wabert mir entgegen und ich verfluche ihn, da ich deswegen noch weniger im Dunkel ausmachen kann, als es ohnehin schon möglich ist.

      Mein Gepäck habe ich bereits aufgegeben. Es liegt irgendwo am Straßenrand. Wenn es jemand findet, wird er sich an meinen Kleidungstücken nebst einigen Büchern erfreuen.

      Während ich durch die Gassen Kingsports irre, hoffe ich unentwegt darauf, jenes Plattenbaugebäude mit Carters Wohnung darin zu erreichen.

      In meiner Fantasie sehe ich mich, wie ich mit beiden Fäusten gegen Carters Wohnungstür hämmere. Die Tür wird aufgerissen und der alte Mann packt mich am Arm und zieht mich ins Innere seiner schwarzen aber sicheren Höhle. Dort hält er mir zunächst eine Standpauke: »Sehen Sie! Ich habe Sie doch gewarnt! Solche Dinge passieren eben, wenn man alle Warnungen in den Wind schlägt. Weshalb nur haben Sie den Stein berührt? Wieso?«

      Die Wirklichkeit aber sieht anders aus: Nie erreiche ich Carters Wohnung. Genauso wenig, wie ich den Hinterhof erreiche, aus dem mich ein Unbekannter in letzter Sekunde errettete.

      Stattdessen renne ich über den Stadtpark, wo ich vor wenigen Tagen neben Carter herlief, der seinen Einkaufswagen geschoben hatte. Ich befinde mich im relativen Zentrum des Parks, drehe mich im Kreis und beobachte, wie aus allen Richtungen die schwarzen Schatten auf mich zukriechen.

      Keiner wird mich retten.

      Es sei denn, das kriechende Chaos ist die Rettung.

      Meine Erlösung.

      Mit etwas Glück nimmt mich dieses Ding mit, in sein Onyxschloss, das sich hoch oben auf dem unbekannten Kadath befindet, irgendwo in einer kalten Einöde, fern dessen, was wir als Wachzustand und Realität bezeichnen.

      Nyarlathothep wird mich erretten.

      Leben Sie wohl, Carter. Leben Sie wohl.

      Leben Sie …

      Der Hausvermesser

       (Das Arkham-Sanatorium, 2008)

      War es Zufall? Vielleicht hatte ich es geträumt. War alles nur ein Traum, der stetig wiederkehrte? Ein böser und schlechter Traum, den mir der Alb, der während des Schlafes auf meiner Brust wachte, in den Kopf gepflanzt hatte?

      Fest stand, wenn ich dies alles wirklich und wahrhaftig erlebt und es mit eigenen Augen gesehen hatte, mir dies wirklich widerfahren war, dann widerlegte es meinen Glauben an jeglichen Gott oder den Glauben an ein Jenseits, gleich welcher Art.

      Eine bekannte Immobilienagentur beauftragte mich in einem Brief, ein Haus zu vermessen, das etwas weiter Abseits von Dunwich lag.

      »Es ist ein sehr geräumiges und altes Anwesen«, hieß es darin, »schwer zugänglich in den Bergen gelegen, dessen Gesamtwohnfläche kaum geschätzt werden kann. Sie werden sicherlich einige Tage für diese Aufgabe benötigen, weswegen wir Sie dazu einladen, für die gesamte Dauer ihrer Arbeit auf Watheley-Castle bei freier Kost und Logis (neben Ihrem üblichen Honorar) zu wohnen.«

      Es war absolut keine Frage, ob ich über dieses Angebot nachdenken musste und so nahm ich den Auftrag dankend an.

      Die Fahrt dorthin erwies sich als beschwerlicher als von mir angenommen. Dunwich lag in Massachusetts, in den Vereinigten Staaten. Gleich nach Dean’s Corners, an der Kreuzung des Aylesbury Pike nahm ich eine Abzweigung und erreichte ein mir einsam erscheinendes Land. Die Straße stieg neben kaum bebauten Feldern immerwährend an und die Häuser machten auf mich einen alten, verwahrlosten Eindruck. Ich wagte es nicht, die wenigen, einfältigen Einheimischen zu fragen, ob ich auf dem richtigen Weg sei. Schließlich stieg die Straße noch weiter an, und über tiefen Wäldern konnte ich die Berge sehen, wobei sich in mir gleichzeitig ein Gefühl des Unbehagens breitmachte. Ich überquerte unsichere, morsche Holzbrücken und die Anzahl tiefer Schlaglöcher stieg kontinuierlich. Dann fiel der Weg wieder etwas ab, und ich fuhr lange Zeit, an mir unwirklich erscheinendem Marschland vorbei.

      Aufgrund der schwülen Sommerhitze kurbelte ich mein Fenster runter und lauschte somit zwangsläufig dem unbeholfenen allabendlichen Schreien der Ziegenmelker, die sich meinem Sichtfeld entzogen, so als seien sie unsichtbar.

      Dann war ich in Dunwich.

      Ein СКАЧАТЬ