Vom schönen Schein. Eva Rossmann
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Название: Vom schönen Schein

Автор: Eva Rossmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783990371107

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СКАЧАТЬ Menschen, Gastfreundschaft, Romantik. We are from Austria. Wenn Christoph Kaiser einmal nicht mehr Sportmanager sein sollte, kann er sofort als Hochzeitsplaner anfangen. Damit wird meine Reportage schließen. Das Brautpaar möchte ich mit gebührendem Respekt behandeln. Die beiden sind außergewöhnlich erfolgreiche, hart arbeitende junge Leute mit besonderen Talenten. Man mag sie, weil man ihnen eben nicht nachstreben muss. Niemand verlangt von einem durchschnittlichen Dreißigjährigen, in der Tennis-Weltrangliste nach oben zu klettern, keine Frau wird sich an der Ausnahmeskifahrerin orientieren, wenn es darum geht, Job und Familie zu vereinbaren. Ich habe vor, schon während des Hochzeitsessens zu verschwinden. Nach der Vorspeise sollte ich auch über das Menü schreiben können. Ich nehme an, es ist so überraschungsfrei wie der Typ, der dafür gebucht wurde.

      Während das junge Glück irgendwo für Hochzeitsfotos posiert, werden wir mit einem kurzen Film über ihre größten Erfolge und über ihre Liebe zu Österreich unterhalten. Samt Hinweis, dass dieses Material veröffentlicht werden darf. Man werde es bis morgen um die offiziellen Hochzeitsaufnahmen ergänzen. Nur um Missverständnisse zu vermeiden, müsse die Verwendung von Ausschnitten mit dem Presseteam abgesprochen werden. Ich sehe schon vor mir, wie man in Indien Tränen der Rührung weint, wenn Daniela und Daniel zu den Klängen des Donauwalzers im Prunksaal des Schlosses einander die Ringe anstecken. Bollywood könnte auf Ideen kommen. So geht Erfolg. So geht Liebe. Und der nächste Urlaub in die Wachau.

      Die Band spielt außergewöhnlich gut, das macht selbst diese Musikmischung erträglich. Internationale Lovesongs, Austropop und etwas, das man Hits der Klassik nennen könnte. Bolero, Vier Jahreszeiten und Kleine Nachtmusik mit E-Gitarre und Schlagzeug. Ich stehe an der Bar und gönne mir ein Glas gespritzten Weißwein.

      „Nicht schlecht für eine Bauerntochter und einen Migrantenbuben“, murmelt der Typ neben mir. Ich sehe auf seinen Badge. Er ist vom Blatt, der größten, aber kaum besten Zeitung in unserem Land. Ganz so ist es nicht, dass wir uns völlig frei zwischen den geladenen Gästen bewegen können. Wir haben unsere eigene Bar, unseren eigenen Bereich beim Hochzeitsessen, wir tragen unsere Namensschilder. Wir haben sie zu tragen. Auf dass man uns erkennt. Egal, wir werden die frohe Kunde trotzdem froh verkünden.

      „Bauerntochter?“, spottet eine blasse junge Frau in lila Samtjacke. Ich kann ihr Namensschild nicht entziffern. „Ihr Vater ist Versicherungsvertreter. Von der Landwirtschaft können die schon lange nicht mehr leben. Macht die Mutter allein. Gut, dass Daniela ins Verdienen gekommen ist, jetzt können sie sich eine Hilfskraft leisten. Angeblich trinkt die Mutter.“

      „Angeblich, wenn ich das schon höre. Und Sippenhaftung gibt’s auch keine. Jedenfalls ist Daniela Sagerer eine großartige Skifahrerin.“ Warum auch immer, ich habe das Gefühl, sie gegen die dürre Giftspritze verteidigen zu müssen.

      „Wohl ein Fan, was? Oder gar vom großen CSO eingeschleust, um zu schauen, was wir quatschen?“ Sie starrt auf meinen Badge. Offenbar ist auch sie kurzsichtig. „ECCO. Noch nie gehört.“

      „Die war beim Magazin“, antwortet mein Kollege vom Blatt. „Da hast du noch nicht einmal deinen Namen schreiben können.“

      Danke für die Unterstützung. Mira, das Fossil.

      „Aber dass sein Vater Mega-Schwierigkeiten hat, ist euch Sport-Gläubigen nicht entgangen, oder?“

      Ich lächle süffisant. Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hätte ich mich doch intensiver vorbereiten sollen.

      „Du meinst, wegen dieser Offshore-Sache?“, sagt der vom Blatt lässig und nimmt einen großen Schluck Gin Tonic.

      „Wenn die ihm nicht unter die Arme greifen, kann er sich die nächste Saison in die Haare schmieren. Tennistourneen sind teuer.“ Die lila Nachwuchskraft hat augenscheinlich Freude daran, alles schlechtzumachen.

      „Die …“, ergänze ich gedankenvoll.

      „Na, das neue Sportkonsortium. Samt CSO Kaiser. Die haben Kohle hoch siebzig. Sind ja auch teilweise staatlich. Und die gesamte Branche zahlt mit. Man ist abhängig von Genehmigungen, von der Zuteilung der Sportevents, von Werbepackages. Ich finde diesen Kaiser übrigens mehr als dubios.“

      „Irgendjemand muss die Arbeit machen“, murmelt der vom Blatt.

      „Na ja, das wirkliche Sagen haben ohnehin andere. Die Wirtschaft. Die dahinter.“

      Ich sehe mein lila Visavis mit freundlichem Spott an. „Wie immer. Die Welt ist verschworen.“

      „Prost“, unterstützt mich der vom Blatt.

      Blutwurst mit Kaisergranaten und Maschanzker-Essig-Reduktion. Gibt es immer noch welche, die glauben, eine Kombination von Innereien und Meeresfrüchten sei kreativ? Wird seit gut zwanzig, dreißig Jahren gemacht. Und funktioniert selten. Unser Starkoch hat die Vorspeise selbst kommentiert: „das Beste aus Österreich und dem Rest der Welt“. Hängt er nicht gerade vor dem Mikrofon, ist er am Smartphone. „Gekocht hat der nicht selbst“, sagt mein Kollege vom Blatt.

      „Tut er sonst auch nicht“, erkläre ich ihm. „Geht sich bei seinen vielen Lokalen schwer aus. Wenn er sich an den Herd stellt, dann geht es um PR.“

      „Kein Wunder, dass er sich mit Kaiser so gut versteht.“

      „Blutwurst? Ich kotz mich gleich an“, wirft die Dürre in Lila ein. Inzwischen hab ich ihr Schild entziffert. Sie arbeitet für einen Blog. So etwas ist jetzt angeblich ganz wichtig. Kathi Richter.

      „Kaisergranaten? Ihr Österreicher seid schon lustig, noch immer auf dem Kaisertrip … Ich dachte, das wäre etwas zum Schießen“, kommt es von der Berliner Abendzeitung.

      „Das sind diese Garnelen da auf dem Teller“, lässt der vom Blatt weltläufig wissen.

      Ich grinse ihm zu. „Auch wenn es eigentlich Scampi sind.“

      „Na und? Ich bin ja kein Gastrokritiker.“

      „Ich bin überhaupt Vegetarierin“, ergänzt Kathi Richter und sieht sich um, als müsste sie das gegen alle verteidigen, wenn nötig, auch mit Kaisergranaten.

      „Passt schon“, sage ich gutmütig. Soll doch bitte jede essen, was sie will. Eine einfache Übung in Toleranz. Ich sehe hinüber zum Ehrentisch. Er ist zu weit entfernt, als dass ich Details erkennen oder gar Gesprächsfetzen aufschnappen könnte. Aber es wirkt, als wären alle mit der Vorspeise einverstanden. Auch Danielas Eltern. Die Außenministerin wirkt bäuerlicher als Mutter Sagerer. Vielleicht ist das Brokat-Dirndl daran schuld. Zu viele Rüschen, zu viel altrosa Gepluster. Ich muss an einen rustikalen Lampenschirm denken.

      Ich verstricke mich in ein Gespräch über Doping im Radsport und Skilanglauf. Nicht gerade mein Spezialgebiet, auch wenn einschlägige Skandale die heile österreichische Sportwelt immer wieder beuteln. Die Pharmaindustrie teste neue Wirkstoffe am liebsten an Todkranken und an Spitzensportlern, hat mir ein Genetiker vor Jahren erzählt. Ich weiß bis heute nicht, ob ich das glauben will. Wobei schon interessant ist, dass Sportler und Trainer wegen Dopings verurteilt werden, Pharmafirmen aber nie. Ich sehe auf die Uhr. Material für eine nette Geschichte habe ich mehr als genug. Und wie die Feier weitergeht, kann ich mir vorstellen. Essen, tanzen, immer wieder schauen, wie spät es schon ist, trinken, tanzen, noch mehr trinken. Von den traditionellen Hochzeitsbräuchen hat man abgesehen, das wissen wir schon aus dem Presse-Briefing. Weil man „exklusive Kleingruppenbildung“ verhindern möchte, hat Sportmanager Kaiser erklärt. Weil man so etwas nie ganz unter Kontrolle hat, ist meine Erklärung. Die meisten der Bräuche sind ohnehin eher lähmend.

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