Deutsche Sprachwissenschaft. Eine Einführung. Ingo Reich
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      Mit dem Begriff DiskurstopikDiskurstopik bezeichnen wir das Thema, den Gegenstand eines Textes oder Diskurses, also das, worum es in einem Text oder Diskurs (primär) geht.

      Die Annahme Diskurstopiks und die Struktur von Textenvon Diskurstopiks als zentrales Element der Diskursstruktur lässt zunächst einmal offen, wie Diskurstopiks im Einzelnen zu charakterisieren sind (vgl. z. B. van Dijk 1977) und in welcher Weise sie die Struktur eines Textes determinieren. In neueren Ansätzen wird häufig angenommen, dass das Format der Frage/Antwort-Struktur das prägende Strukturelement von Texten und Diskursen ist. Die Idee ist, dass jeder Text gewissermaßen als Antwort auf eine explizit oder implizit aufgeworfene Frage betrachtet werden kann. So beantwortet in unserem Beispieldiskurs die Äußerung in (2.2) die explizite Frage in (2.1). Die Äußerung in (2.2) wirft aber wiederum implizit die Frage auf, warum Erna keinen Kaffee möchte, eine Frage, die durch die Äußerung in (2.3) beantwortet wird. Die Äußerung in (2.4) schließlich bezieht sich genau genommen nur indirekt auf die Frage in (2.1) und wirft implizit die allgemeinere Frage auf, was Erna trinken möchte (Q). Das übergeordnete Diskurstopik ist damit die Frage Q (was Erna trinken möchte), die im Diskurs über die Teilfragen Q1 (ob Erna Kaffee trinken möchte) und Q2 (ob Erna Wasser trinken möchte) in zwei Schritten beantwortet wird. Schematisch kann die [28]Makrostruktur dann wie in Abbildung 2.7 repräsentiert werden (wobei wir hier der Einfachheit halber auf die Begründung von (2.2) verzichten).

      Abb. 2.7: (Vereinfachte) graphische Darstellung der Makrostruktur des Diskurses (2.1) – (2.4)

      Die Vorstellung, dass Fragen Texte strukturieren, ist bereits in der klassischen Rhetorik zu finden. In der neueren Literatur werden damit vor allem zwei Arbeiten verbunden: Klein & von Stutterheim (1987) und Roberts (1996). In Klein & von Stutterheim (1987) wird die leitende Frage eines Textes in Anlehnung an die klassische QuaestioRhetorik als Quaestio bezeichnet. Die Quaestio gliedert dabei einen Text in eine HauptstrukturHauptstruktur (die Teile des Textes, die sich direkt auf die Quaestio beziehen) und eine NebenstrukturNebenstruktur (die Teile eines Textes, die dies nicht tun).

      Roberts (1996) ist einer der ersten Versuche, diese Idee stärker zu formalisieren. Sie vergleicht Diskurse dabei mit einer Art Kartenspiel: Ist ein Spieler in einem Diskurs am Zug, dann wirft er eine Frage (Question under Discussioneine Question under Discussion, kurz QUD) auf, die in Form einer Spielkarte auf einen Kartenstapel gelegt wird. Die oberste Spielkarte definiert dabei die unmittelbar relevante Frage. Ist eine Frage beantwortet, wird sie wieder vom Stapel genommen. Dies geht so lange, bis der Stapel leer ist.

      In unserem Ein konstruiertes BeispielBeispieldiskurs wirft die Äußerung in (2.1) explizit die Frage Q1 auf, gleichzeitig aber auch die übergeordnete Frage Q mit allen relevanten Teilfragen (Q2). Das Resultat ist ein Kartenstapel, bei dem die Frage Q1 ganz oben liegt, gefolgt von Q2. Ganz unten im Stapel liegt die übergeordnete Frage Q. Da mit der Äußerung in (2.2) die Frage Q1 beantwortet ist, wird die oberste Karte gleich wieder vom Stapel genommen. Gleichzeitig wirft (2.2) aber die Frage auf, warum Erna keinen Kaffee möchte. Diese Frage kommt ebenfalls auf den Stapel, wird aber durch die Äußerung in (2.3) ebenfalls sofort wieder eliminiert. Bleiben Q2 und Q auf dem Stapel. Die Äußerung in (2.4) beantwortet Q2 und mit Q2 wird gleichzeitig auch Q mitbeantwortet. Alle Fragen sind beantwortet, der Stapel ist leer und der fragliche Diskurs ist abgeschlossen (bis erneut ein Spieler eine Karte auf den Stapel legt, also eine Frage thematisiert).

      An dieser Stelle ist es nicht notwendig und sicherlich auch gar nicht sinnvoll, sich auf eine dieser Theorien festzulegen. Dass die grundlegende Idee tragfähig zu sein scheint, lässt sich auch an Beispielen aus der freien Ein Beispiel aus der freien WildbahnWildbahn illustrieren. So findet man in Zeitungsartikeln nicht selten recht explizit diese Form der Strukturierung. Als Beispiel sei hier ein Online-Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 7. 10. 2014 genannt, der sich auf ein Länderspiel der DFB-Elf in Warschau (Polen) bezieht, vgl. Abbildung 2.8.

      Abb. 2.8: Auszug aus einem Artikel der Süddeutschen Zeitung online

      In diesem Artikel wirft die Schlagzeile die Frage Q auf, warum die DFB-Elf mit mulmigen Gefühlen nach Warschau fährt. Ziel des Artikels ist dann, diese Frage zu beantworten oder zumindest dieser nachzugehen. Der Artikel tut dies, indem er verschiedene Teilaspekte thematisiert, die zum Teil in den Unterüberschriften explizit als Fragen formuliert sind: Wer ersetzt Lahm? (Q4), Warum Polen den Deutschen Respekt einflößt (Q3) und Wie Löw die Sache sieht (Q2). Lediglich der erste Absatz wird durch ein Statement (DFB-Elf längst nicht in bester Verfassung) eingeleitet, das jedoch unmittelbar die Frage nach dem Warum aufwirft (Q1). Der Aufbau des Artikels kann also im Wesentlichen wie in Abbildung 2.9 skizziert strukturiert werden.

      Abb. 2.9: Makrostruktur des Zeitungsartikels in Abb. 2.8

      [30]2.6 Vom Text zur Textsorte

      Die in Kapitel 2.1 skizzierte Klassifikation von Kommunikationsformen auf der Grundlage zentraler Eigenschaften der Kommunikationssituation führt zunächst nur zu einem vergleichsweise groben (wenn auch wohlfundierten) Raster. Auch die Diskussion der konstitutiven Eigenschaften von Texten (Kohärenz, Kohäsion, Diskurstopik) in den Kapiteln 2.4 und 2.5 führt naturgemäß zu keiner weiteren Ausdifferenzierung des Textbegriffs. Tatsache ist aber auch, dass wir in unserem Alltag eine Vielzahl von Texten unterscheiden, die die verschiedensten Funktionen haben und auch in formaler Hinsicht stark voneinander abweichen können. Wir sprechen z. B. von einer Anhörung, einem Verhör, einem Vortrag oder einer Rede, wir sprechen von einem Artikel, einer Schlagzeile, einem Rezept oder einer Kleinanzeige, wir sprechen von einem Brief, einer Mitteilung, einem Gutachten oder einer Steuererklärung.

      Um diese vortheoretische Binnendifferenzierung von Texten zu erfassen, hat sich in der Textlinguistik der Begriff Textsorteder Textsorte herausgebildet. Textsorten können dabei im Wesentlichen als weitgehend konventionalisiertes Muster zur Erreichung eines bestimmten kommunikativen Ziels definiert werden. Oder in den Worten von Schwarz-Friesel & Consten (2014: 22): »Es ist typisch für einen Text, dass er als Exemplar einer Textsorte mit einer grammatischen Oberflächenstruktur, einem inhaltlichen Zusammenhang und einem globalen Sinngehalt von jemandem (für jemanden) mit einer bestimmten Intention in einer bestimmten Situation produziert wurde.«

      Mit dem Begriff der TextsorteTextsorte bezeichnen wir vortheoretisch Muster von Texten, die sich zur Erreichung eines bestimmten kommunikativen Ziels herausgebildet haben.

      Aufgrund der erwähnten Konventionalisierung können sich Textsorten formal auf zwei Ebenen unterscheiden, einer textstrukturellen Ebene und einer grammatischen Ebene. Machen wir uns das wieder an einem Beispiel klar, vgl. hierzu Abbildung 2.10.

      Abb. 2.10: Beispiel für den strukturellen Aufbau eines Artikels

      Abbildung 2.10 zeigt den typischen Aufbau eines Zeitungsartikels: Eine Schlagzeile betitelt den Artikel, gefolgt von einem Schlagzeile, Lead und BodyLead mit zusammenfassendem Charakter und dem eigentlichen Body des Artikels. Dieser strukturelle Aufbau ist konventionalisiert und in diesem Aufbau unterscheidet sich ein Zeitungsartikel wesentlich von einem Rezept, einem Wetterbericht oder einer Kleinanzeige. СКАЧАТЬ