Dezemberkids. Kaouther Adimi
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dezemberkids - Kaouther Adimi страница 6

Название: Dezemberkids

Автор: Kaouther Adimi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Lenos Babel

isbn: 9783857879869

isbn:

СКАЧАТЬ dann für immer so in deinen Papieren.«

      »Ich weiss, aber ich bin noch nicht so weit.«

      »Bei mir steht ›auf eigenen Wunsch aus dem Dienst ausgeschieden‹. Ich bin ein freier Mann, nicht wie diese Militärs, die warten, bis man sie rauswirft, und die dann den Rest ihrer Tage damit verbringen, total deprimiert im Offizierskasino herumzuhängen.«

      »So werde ich niemals enden!«

      »Über die, die den Absprung nicht schaffen, macht man sich lustig, und ich will nicht, dass es dir ebenso geht. Warte bloss nicht zu lange, sonst werden sie dich am Ende noch demütigen. Und weisst du, wie es dann weitergeht?«

      »Ja … sie werden mir eines Morgens ein Schreiben schicken, um mir mitzuteilen, dass ich meine Sachen packen, meine Dienstmarke abgeben, meinem Chauffeur ade sagen und mein schönes Häuschen binnen drei Monaten räumen muss.«

      »Genau so, und in diesen drei Monaten musst du dich komplett neu organisieren, musst eine Wohnung und eine neue Arbeit finden, denn dein Ruhegehalt wird dir kaum genügen, all das …«

      »Ich weiss, aber ich bin jetzt dreissig Jahre bei der Armee, was sollte ich denn im zivilen Leben mit mir anfangen?«

      »Weisst du, Scherif, ich kenne Leute, die lebten in ihrer Dienstvilla wie du und fanden sich über Nacht im Ruhestand wieder, mit der Auflage, sich schleunigst zu verziehen. Du musst in die Gänge kommen. In Dely Brahim, gleich neben meinem, ist ein Haus zu verkaufen, der Mann ist gestorben, die Frau braucht dringend Geld und will das Haus, so schnell es geht, abstossen.«

      »Ich weiss nicht, ob ich mir das leisten kann, in Dely Brahim zu leben.«

      »Leih dir Geld von irgendwem, du wirst es zurückzahlen. Ich werde dich mit der Witwe in Kontakt bringen, sie ist ein wenig deprimiert und sehr einsam, ihre Kinder leben in Kanada und sind noch nicht mal zur Beerdigung des Vaters zurückgekommen! Sie hat keine Ahnung, was das Haus wirklich wert ist, ich bin sicher, du wirst es zu einem guten Preis erstehen können. Und im Zivilsektor gibt es unendlich viele Möglichkeiten für junge Armeepensionäre, die seriös sind wie wir, dazu diplomiert und perfekt zweisprachig. Da findet man immer Arbeit!«

      Und Scherif beantragte die Versetzung in den Ruhestand und zog zu Mohamed nach Dely Brahim.

      Immer wenn sie über Politik reden oder die Regierung kritisieren wollten, gingen sie spazieren, kreuz und quer durchs Viertel. Sie wussten ja, sie wurden abgehört, überwacht, beschattet. Es kam vor, dass sie den Wagen eines Typen vom Geheimdienst gerade gegenüber ihrem Zuhause entdeckten. Den grüssten sie dann jedes Mal. Und der arme Kerl antwortete auch jedes Mal, ein wenig verlegen, aber nicht wirklich böse, enttarnt worden zu sein. Eines Tages schlug Mohamed ihm lachend vor: »Wenn du willst, geb ich dir eine Kopie meines Terminkalenders, dann ist es für dich leichter, mir zu folgen, wenn ich wegfahre. Ich habe nichts zu verbergen, das kannst du deinen Vorgesetzten mal ausrichten!«

      Seit ihrer Rückkehr ins zivile Leben geniessen Scherif und Mohamed es, frei von der Leber weg reden zu können, das hat ihnen in all den Jahren bei der Armee doch sehr gefehlt. Sie haben die Zähne zusammengebissen, Karriere gemacht, hohe Dienstgrade bekleidet, dabei immer fest überzeugt, sie hätten sich insgeheim den rebellischen Geist ihrer Jugend bewahrt und seien gegen das System gefeit, sie gehörten ja nicht wirklich dazu. Als sie dann im Ruhestand waren und ihre Häuser in der Cité du 11-Décembre in Dely Brahim bezogen hatten, engagierten sie sich nach und nach in Oppositionsparteien, meldeten sich dort lautstark zu Wort, um alle wissen zu lassen, dass es einen politischen Wechsel brauche. »Jetzt sind wir an der Reihe«, wiederholten sie ein ums andere Mal im Verlauf ihrer zahllosen Spaziergänge. »Ja, bald sind wir dran.« Und dieses »Wir« umfasste die Männer ihrer Generation, die vor der Unabhängigkeit geboren waren und noch immer nicht ihren Platz in der Gesellschaft gefunden hatten, weil die noch Älteren sie daran hinderten. Dieses »Wir« war mehr als ein vager Traum. Es war ein Versprechen, ein Schwur. Eines Tages, davon waren Mohamed und Scherif überzeugt, würden diese Älteren das Feld räumen und ihren Platz an sie abtreten müssen.

      An diesem 3. Februar, als General Saïd und General Athman auf dem Bolzplatz eintrafen, blieben die beiden Freunde auf Abstand und diskutierten weiter über die bevorstehenden Wahlen. Mohamed, der gerade eine Oppositionspartei gegründet hatte, redete seinem Freund zu, dort Mitglied zu werden. Es war ihm gelungen, ehemalige Minister, pensionierte Militärs, Universitätsprofessoren und zwei noch aktive Richter für seine Partei zu gewinnen. Scherif zögerte. Er mochte das Leben, wie es gerade war, ganz gerne und fürchtete eventuelle Repressalien gegenüber seiner Frau und den Kindern. Und ausserdem hatte er soeben einen lukrativen Vertrag als Kommunikationsberater bei der Provinz Constantine abgeschlossen. Wenn er jetzt in die Partei seines Freundes eintrat, würde der Gouverneur ihm dann nicht den Vertrag wieder kündigen? Das Geld konnte er gut gebrauchen, in Dely Brahim zu leben überstieg seine Mittel, doch das traute er sich seinem Freund nicht zu sagen.

      Erst als sie immer heftigeres Geschrei vernahmen, hatten Mohamed und Scherif den Blick wieder dem Bolzplatz zugewandt und die Jugendlichen gesehen, die sich da mit den Generälen schlugen. Auch Adila war unter ihnen, die Mudschahida, die mit ihrer Krücke auf die beiden Männer einschlug, angefeuert von der Verrückten mit dem roten Haar: »Nur zu! Auf den Rücken! Auf den Hintern! Spalte ihnen den Schädel!« Die Szene kam ihnen so surreal vor, dass sie sekundenlang erstarrten und sich fragten, ob sie nicht Opfer einer Halluzination waren.

      Dann aber spurteten sie los.

      »Wir haben versucht, uns zwischen die Jugendlichen und die Generäle zu werfen«, erklärte Mohamed.

      »Genau, versucht haben wir es, aber es war ganz schön kompliziert«, pflichtete Scherif ihm bei.

      »Wir hatten Mühe, zu verstehen, was eigentlich los war. Am Anfang waren da nur ein paar Jugendliche, darunter mein Sohn Jussef, und ich habe ihn von dort weggedrängt, so gut ich konnte.«

      »Er war wie besessen, ya Si Mohamed!«

      »Ja, ich weiss nicht, was in ihn gefahren war …«

      »Dann haben die Generäle ihre Waffen gezogen.«

      »So war es, wir haben gesehen, wie sie die Waffen zogen.«

      »Der Chauffeur ist im Wagen geblieben, er wirkte völlig verschreckt, der Feigling.«

      »Aber dann hat er sein Handy genommen und wild herumtelefoniert.«

      »Einer der Generäle hat einem der Jugendlichen einen ganz gemeinen Fusstritt verpasst!«

      Unisono entfuhr allen Mündern tadelndes Gemurmel.

      »Schämen sollten sie sich!«

      »Man tritt keinen Mann unter der Gürtellinie, selbst wenn man General ist.«

      Scherif fuhr fort: »Und dann bekam Jussef die Waffe des einen Generals zu packen, die der direkt auf ihn angesetzt hatte! Verzeih, Mohamed, aber dein Sohn hat da wirklich Bockmist verzapft.«

      »Ich weiss … dabei ist es gar nicht seine Art, sich zu schlagen …«

      »Ja, normalerweise ist er ein ganz besonnener Junge.«

      »Du weisst doch, wie die Jungs heute so sind, hängen den ganzen Tag im Internet herum und denken am Ende, sie hätten das Recht, zu tun, was sie wollen.«

      Die versammelte Männerschar drängte die beiden, die Geschichte weiterzuerzählen.

      »Die СКАЧАТЬ