Dezemberkids. Kaouther Adimi
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dezemberkids - Kaouther Adimi страница 5

Название: Dezemberkids

Автор: Kaouther Adimi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Lenos Babel

isbn: 9783857879869

isbn:

СКАЧАТЬ Taschen.

      »Wir sassen nicht weit weg und rauchten. Wir haben zu ihnen hinübergeschaut, weil es so seltsam war, wie sie da standen, mitten im Schlamm, im strömenden Regen«, fuhr Jussef fort.

      Keiner der beiden Generäle achtete auf Adila, die ehemalige Mudschahida, die sie vom Fenster ihres Hauses aus beobachtete. Rasch warf sie einen Mantel über ihr Kleid, schlüpfte barfuss in ihre Schuhe, ohne nach Strümpfen oder Socken zu suchen, griff nach ihrem Gehstock und war husch, husch die paar Treppenstufen in ihrem alten Haus hinunter, öffnete die Tür, noch ein paar Stufen, und schon stiess sie das schmiedeeiserne Gartentor, das sie nie abschloss, auf und humpelte auf die beiden Generäle zu, wobei ihre Füsse tief in die feuchte Erde einsanken. Ihr rechtes Bein tat ihr höllisch weh, seit sie vor ihrem Haus so gestürzt war.

      Adila war klein und brünett und hatte einen Kurzhaarschnitt. Im Algerienkrieg hatte sie mit der Waffe in der Hand gegen die Franzosen gekämpft, und während der Jahre des Terrorismus hat sie weitergekämpft. Die Kids vom Bolzplatz kennen sie gut, sie feuert sie oft von ihrem Fenster aus an und wirft ihnen immer gern die Bälle zurück, wenn sie wieder einmal hinter ihrer Gartenmauer landen.

      »Guten Morgen, meine Herren.«

      Die Generäle erwidern ihren Gruss mit breitem Lächeln und einem warmherzigen »salam«.

      »Ich bin General Athman, und das hier ist mein guter Freund, General Saïd.«

      »Ich bin Adila.«

      General Athman hält ihr seinen Schirm hin: »Nehmen Sie ihn, Madame, Sie werden sich noch erkälten.«

      »Nein, danke, vor ein bisschen Wasser ist mir nicht bange, aber Sie machen sich Ihre schönen Schuhe schmutzig. Was führt Sie denn hierher?«

      General Saïd lächelt ihr zu. Er ist so klein, dass er sie kaum um ein paar Zentimeter überragt. Adila hat schon von ihm gehört. Die Hälfte der Geschichten, die über ihn in Umlauf sind, fangen mit diesem eiskalten Lächeln an.

      »Wir wollten unser Grundstück in Augenschein nehmen. In ein paar Monaten gehen die Bauarbeiten los. Deshalb sind wir hier, und wir haben unsere Baupläne dabei. Ich freue mich, Sie bald als Nachbarin zu haben, Madame Adila. Ich bin einer Ihrer grossen Bewunderer. Sie haben so viel geleistet für unser Land.«

      Ein höhnisches Kichern lässt sie alle drei herumfahren. Lautlos hat sich die alte rothaarige Nachbarin genähert. Ihr gelbes Kleid klebt nass an ihrem Körper, modelliert deutlich Brüste und Po. Sie zeigt mit dem Finger auf die Generäle und kreischt: »Man will euch hier nicht! Man will euch hier nicht!«

      Adila versucht, sie schnell vom Bolzplatz wegzuziehen. Jussef und seine beiden Freunde sehen, wie sie näher kommt. Rasch werfen sie ihre Zigaretten weg, drücken sie mit dem Fuss aus.

      Die verrückte Alte in Adilas Schlepptau kichert noch immer: »Sie nehmen ihn euch weg, alles nehmen sie euch weg! Dann gibt es hier gar nichts mehr! Alles werden sie euch wegnehmen, alles! Ihr werdet schon sehen, die werden uns verschlingen mit Haut und Haar!«

      »Und was ist dann passiert?«, bestürmen die Jugendlichen ungeduldig Jussef.

      »Na, dann haben wir losgelegt! Alle drei. Und dann ist es schnell aus dem Ruder gelaufen.«

      Der eine der beiden, die dabei waren, als es hoch herging, bestätigt: »Wir mussten uns doch wehren. Sie haben uns provoziert.«

      Und der andere ergänzt: »Und dieser Angsthase von Chauffeur hat die Gendarmen zu Hilfe gerufen. Da meinte Jussef, es wäre besser, wenn wir uns vom Acker machten, während er und die Mudschahida Adila weiter auf die Generäle eindroschen.«

      »Ich wollte nicht, dass die Gendarmen euch verhaften! Ihr seid nicht aus der Siedlung. Ich hatte Angst, dass ihr am Ende wegen unserem Bolzplatz Probleme bekommt. Und eure Eltern hätten sie auch mit hineinziehen können.«

      »Dir können sie aber auch Schwierigkeiten machen.«

      Jussef zuckt nur mit den Achseln.

      4

      Wie ist es passiert? So sollten die pensionierten Militärs am Abend des 3. Februar ihre Freunde, Oberst Mohamed und Oberst Scherif, fragen, die den Streit zwischen den Generälen und den Jugendlichen miterlebt hatten. Sämtliche Männer, die da am Rand des Stadions stehen, sind hochrangige Offiziere, Oberst oder Oberstleutnant. Alle in den Sechzigern, nennen sie sich selbst »die jungen Pensionäre« und warten geduldig, dass auch für sie die Stunde an der Spitze des Staates schlägt. Der Armee haben sie, sobald sie konnten, nach ungefähr dreissig Dienstjahren den Rücken gekehrt. Die meisten von ihnen hatten sich gleich nach dem Abitur dort verpflichtet, um ihr Studium zu finanzieren und beim Aufbau des Landes mit dabei zu sein. In den siebziger Jahren machte die Armee jungen Leuten das Angebot, ihnen für die Dauer ihres Studiums ein monatliches Gehalt zu zahlen, als Gegenleistung für fünfundzwanzig Jahre Dienstverpflichtung ohne jede Möglichkeit, vorzeitig auszuscheiden. Kaum waren sie im Ruhestand, haben sie sich gleich wieder Arbeit gesucht. Im Geschäftsleben, an der Universität oder indem sie eigene Consultingfirmen gründeten.

      An diesem Mittwochabend im Februar sind es ihrer ein halbes Dutzend, die sich da um Mohamed und Scherif scharen. Alle beben sie vor Ungeduld, eine köstliche Anekdote witternd, die Mundwinkel schon spöttisch verzogen, gieren sie nach Einzelheiten. Sie bedrängen Mohamed und Scherif wie Kinder, die vor dem Einschlafen auf ihrer Gutenachtgeschichte bestehen.

      Und die beiden Männer lassen sich nicht lange bitten.

      »Wir wussten gleich, dass das nur Generäle sein konnten, selbst wenn wir zu weit weg waren, um sie zu erkennen. Gepanzerte Limousine, ein Chauffeur, der ihnen die geöffneten Regenschirme hinhielt, ihr seht schon, was ich meine«, würde Mohamed erklären.

      »Die klassischen Kennzeichen halt«, würde Scherif nachschieben.

      Mohamed und Scherif sind alte Freunde. Sie kennen sich seit ihrer Zeit auf dem Gymnasium in Constantine. Beide waren sie dort im Internat, sind dann zusammen zum Studium nach Algier gegangen, haben am gleichen Tag den Vertrag mit der Armee unterzeichnet und ihn am Abend desselben Tages gemeinsam begossen, haben im Abstand von einigen Monaten geheiratet und sind beide mit dem Grad eines Obersten in den Ruhestand gegangen, vor ungefähr zehn Jahren war das.

      Seitdem unterrichten sie einige Stunden wöchentlich an der Universität und treffen sich täglich, um durchs Viertel zu schlendern. Gemeinsam diskutieren sie über Gott und die Welt, reden über ihre ärmliche Kindheit in den Dörfern im Osten des Landes, ihre Zeit in der Armee, den jahrelangen Kampf gegen den Terrorismus während der Schwarzen Dekade, die unglaubliche Bürokratie der Armee, die kleinen Demütigungen durch die Chefs, die Eifersüchteleien mancher Kollegen, die weniger Diplome als sie vorweisen konnten, die vielen Soldaten, die im Kampf ihr Leben liessen, die Kälte in den Kasernen während der Grundausbildung, die Entbehrungen, den beruflichen Aufstieg, der zwar langsam, aber am Ende dann doch kam. Schliesslich haben sie die Armee mit einem der höchsten Dienstgrade verlassen, und nicht selten übergehen sie die traurigen Episoden, erinnern sich lieber an die Regimentswitze, die Freundescliquen oder das Ende des Terrorismus, das auch, ja, vor allem an das Ende des Terrorismus.

      Mohamed hat aus freien Stücken den Dienst quittiert, kaum dass er mit dem Bau seines Hauses fertig war, der ihn mehr als fünfundzwanzig Jahre in Atem hielt. Scherif dagegen hat lange gezögert, den Antrag zu stellen, obwohl er die reguläre Dienstzeit längst erreicht hatte und es ihm freistand zu gehen. Einige Monate nach seiner Verabschiedung hat Mohamed dann den Freund angerufen, um ihn СКАЧАТЬ