Dezemberkids. Kaouther Adimi
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Название: Dezemberkids

Автор: Kaouther Adimi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Lenos Babel

isbn: 9783857879869

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СКАЧАТЬ hatten gedacht, der blosse Anblick der Pistolen würde alle zur Räson bringen.«

      Mohamed fügte erregt hinzu: »Die drei Jugendlichen haben das ausgenutzt, um sich auf die Generäle zu stürzen!«

      »Es war unglaublich!«, bestätigte Scherif.

      »Sie haben sie beleidigt! Sogar ihre Mütter haben sie beleidigt!«

      »Die alte Adila hat gar nicht mehr aufgehört, mit ihrer Krücke auf die Generäle einzudreschen. Sie war schon ganz rot im Gesicht und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, wegen ihres Knöchels und dem ganzen Schlamm.«

      »Und dazu dann noch die Verrückte mit dem roten Haar, die auf einmal anfing, unsinniges Zeug zu kreischen. Uns war gar nicht wohl in unserer Haut.«

      »Und dann sahen wir die Gendarmen anrücken.«

      »Mein Sohn Jussef hat seine Freunde gewarnt und sie weggeschickt. Das waren Jugendliche aus dem Cheraga-Viertel. Er hatte Angst, die Gendarmen könnten sie sich am Ende noch schnappen. Ihre Eltern sind einfache Sekundarschullehrer …«

      »Die Gendarmen haben Jussef und die alte Adila abgeführt. Die rothaarige Verrückte wäre am liebsten auch mit zur Gendarmerie gekommen, aber niemand wollte sich mit ihr abgeben.«

      Die Militärs schütteten sich jetzt vor Lachen aus: »Die Generäle haben die Waffe gezogen, stellt euch das mal vor!«

      »Ja, aber auf die Jugendlichen hat es gar keinen Eindruck gemacht.«

      »Das hat den Generälen aber mal gutgetan, so eine kleine Abreibung!«

      »Und die alte Adila mit ihrer Krücke, die auch mit dreingeschlagen hat!«

      »Na klar, der Alten, der darf man nicht in die Quere kommen.«

      »Die versteht keinen Spass!«

      »Das hätte ich mal sehen wollen!«

      Zwar stimmt Mohamed ins Gelächter seiner Freunde mit ein, denn er will ja Haltung zeigen, aber insgeheim macht er sich langsam Sorgen um seinen Sohn, der noch immer nicht heimgekommen ist. Er ist ihm nicht nachgelaufen, wütend, wie er war, über das Benehmen des jungen Mannes, aber je mehr Zeit verstreicht, umso weniger optimistisch sieht er den kommenden Dingen entgegen.

      Hat man in Algerien je Generäle erlebt, die einer Revolte mit Wohlwollen begegnet wären?

      5

      Wie ist es passiert? So sollten die Gattinnen der beiden Generäle fragen, als diese wütend und gedemütigt nach Hause kamen. Und die Frage regte sie nur noch mehr auf.

      General Saïd antwortete nicht gleich und ging erst mal in den Garten, ein paar Zigaretten rauchen. Seine Frau lief ihm nach und wartete brav auf der steinernen Bank, dass ihr Mann sich beruhigte. Doch der schäumte vor Wut, während er durch den Garten seiner grossen Villa tigerte und »diese Rowdys, diese Schufte, diese Terroristen« verfluchte.

      General Athman dagegen trommelte seine Gattin und alle fünf Kinder im Wohnzimmer zusammen. Er wollte die ganze Familie um sich haben, bevor er berichtete, was passiert war. So machte er es immer.

      Und irgendwann begannen sie dann beide zu erzählen.

      Nach einstündiger Fahrt waren sie schliesslich auf dem Grundstück angekommen, einer Stunde Fahrt für eine Strecke, für die man normalerweise dreissig Minuten brauchte, aber dieser elende Regen, dazu der Schlamm und vor allem die Unfähigkeit der Algerier, anständig Auto zu fahren, das hatte halt alles verzögert. »Scheissland!«, rief General Saïd. Seine Frau nickte zustimmend. Als sie dann auf ihrem Grundstück eintrafen, und jeder General betonte mit Nachdruck: »auf MEINEM Grundstück«, achteten sie weder auf die alte Dame, die mit ihrem Krückstock um sie herumschlich, noch auf die zwei ins Gespräch vertieften Spaziergänger weiter hinten und noch viel weniger auf die Jugendlichen, die rauchend unter dem Vordach eines Hauses sassen, nur ein paar Meter von ihnen entfernt, doch die sie kaum wahrnahmen.

      »In Wahrheit« – nüchtern gab Saïd es zu – »waren wir leichtsinnig. Wir haben uns reinlegen lassen wie blutige Anfänger.«

      »Das kommt aber selten vor, dass du so wenig wachsam bist«, wunderte sich die Ehefrau.

      »Ja, das soll mir eine Lehre sein, Pack versteckt sich überall, selbst bei den Kindern hoher Offiziere.«

      Wenn die Generäle sich so in Sicherheit gewiegt hatten, dann auch, weil die meisten Häuser rings um die Freifläche ja im Besitz von Armeeangehörigen sind. Hier leben sie, zusammen mit ihren Kindern und Kindeskindern. Und hat einer mal sein Haus verkauft, dann an Ärzte, Architekten, Firmenchefs.

      »Wir dachten, dass wir hier ganz unter unseresgleichen sind«, erklärte Athman seinen Kindern, »das soll uns eine Lehre sein. Traut niemandem, selbst dem nicht, der euch ähnlich ist. Saïd und ich hatten gedacht, dass wir dort in einem absolut sicheren Viertel sind.«

      Beide Generäle waren ehrlich überrascht von dieser Attacke, gegen die sie so gar nicht gewappnet gewesen waren. Vielleicht hatte genau das sie am meisten schockiert. Was für ein Glück, dass der Chauffeur gleich den Sicherheitschef erreicht hatte und die Gendarmen so schnell vor Ort waren, aber den Jugendlichen blieb trotzdem noch genug Zeit, über sie herzufallen. Der Griff nach der Waffe war purer Selbstschutzreflex, aber rückblickend hat das die Jungs natürlich nur noch mehr aufgebracht.

      In den rund fünfzig Jahren, die sie im Dienst ihres Landes verbracht hatten, hatten beide Generäle Zeit genug gehabt, sich eine grosse Zahl von Feinden zu machen, die sämtlich polizeilich erfasst sind, sämtlich abgehört, überwacht, beschattet werden. Unter ihnen politische Gegner, ganz klar, dazu ein paar Militärs, Minister, Kleinkriminelle, Journalisten, Nachbarn und sogar Mitglieder der eigenen Familie oder jener ihrer Frau.

      Saïd und Athman empfangen regelmässig Berichte über ihre Feinde und die Lage im Land. Überzeugt, in Gefahr zu schweben, verwenden sie nur selten ihr verschlüsseltes Telefon, lassen Ermittlungen anstellen über jede Person, die Kontakt zu ihren Kindern hat, und kontrollieren regelmässig, ob ein Freund, ein Familienmitglied oder ein Hausangestellter ihnen nicht vielleicht eine Wanze ins Haus geschmuggelt hat. Müssen sie miteinander oder mit ihrer Frau über Geld, Transaktionen, Geschäfte oder ihre Auslandskonten reden, dann gehen sie in den Garten und verständigen sich im Flüsterton.

      Nur die wenigsten wissen, wer General Saïd wirklich ist. Geburtstag, Geburtsort, Studium Fehlanzeige, man weiss einfach gar nichts über ihn. Selbst die engsten Kollegen wissen so gut wie nichts über diesen kleinen Mann, der ein Meister der Geheimhaltung ist. Und so weiss auch kein Mensch, dessen ist er sich sicher, dass er als Kind davon träumte, Tänzer zu werden, dass er null religiöse Prinzipien besitzt und ein Liebhaber der russischen Literatur ist, die er während seiner von der algerischen Armee finanzierten Ausbildung an der Seekriegsakademie in Leningrad kennenlernte, wo man ihm übrigens den Spitznamen »Knirps« verpasste.

      General Saïd war einer der Drahtzieher der Säuberungen in den Neunzigern. Er hat verbissen jede Form von Islamismus bekämpft und darüber gewacht, dass alle Studenten mit Bart beschattet, belauscht, vorgeladen und durch die Mangel knallharter Verhöre gedreht wurden. Nie kamen ihm Zweifel an Sinn und Zweck der ihm von weiter oben anvertrauten Mission: den islamistischen Bewegungen im Land den Garaus zu machen.

      Er ist ein überaus eleganter, immer gutgekleideter Mann. Seine Massanzüge lässt er in СКАЧАТЬ