Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Er wusste nichts von der Existenz Marvels, denn der Unsichtbare hatte diesem die Bücher und das Bündel im Hof übergeben. Das Antlitz Mr. Cuss’ war zornig und entschlossen, aber sein Anzug war sehr mangelhaft – eine Art losen, weißen Kittels, der nur im alten Griechenland einer Musterung standgehalten hätte. »Haltet ihn!«, brüllte er. »Er hat meine Hosen! – und die Kleider des Pfarrers, Stück für Stück!«
»Gleich will ich ihm nach!«, rief er Henfrey zu, als er an dem am Boden liegenden Huxter vorbeikam; aber als er um die Ecke bog, um sich der Menge anzuschließen, sah man ihn plötzlich in sehr unästhetischer Weise auf der Erde liegen. Jemand kam in voller Hast vorbei und trat ihm schwer auf die Finger. Er schrie auf und versuchte auf die Füße zu kommen. Da wurde er nochmals gestoßen und niedergeworfen und bemerkte endlich, dass die Verfolgung des Unsichtbaren sich in eine Flucht verwandelt hatte. Alles eilte nach dem Dorfe zurück. Während er sich abermals erhob, bekam er eine schallende Ohrfeige, die ihn zum Wanken brachte. Dann trat er den Rückweg nach dem »Fuhrmann« an und sprang dabei über den von aller Welt verlassenen Huxter, der sich jetzt aufgesetzt hatte, hinweg.
Als er die Stufen zum Gasthof halb erstiegen hatte, vernahm er hinter sich einen plötzlichen Wutschrei, der sich von dem Stimmengewirr deutlich unterschied, und einen weithin tönenden Schlag in jemandes Gesicht. Er erkannte die Stimme als diejenige des Unsichtbaren, und sie klang wie die eines Menschen, der durch einen heftigen Schmerz in Wut versetzt wird.
Im nächsten Augenblick war Cuss wieder im Gastzimmer.
»Er kommt zurück, Bunting!«, rief er, hineinstürzend. »Retten Sie sich!«
Mr. Bunting stand am Fenster und war eifrig damit beschäftigt, sich so gut als möglich in einen Teppich und die »West-Surrey-Zeitung« einzuhüllen.
»Wer kommt zurück?«, rief er, erschreckt auffahrend, sodass sein improvisierter Anzug nahe daran war, ihm zu entgleiten.
»Der Unsichtbare!«, erwiderte Cuss und eilte ans Fenster. »Wir sollten lieber von hier fort! Er kämpft wie wahnsinnig! Wie wahnsinnig!«
Im nächsten Augenblick war er bereits im Hof.
»Gütiger Himmel!«, sagte Mr. Bunting, zwischen zwei entsetzlichen Alternativen schwankend. Er hörte einen furchtbaren Kampf im Vorhause und sein Entschluss war gefasst. Er kletterte aus dem Fenster, brachte seine Kleidung so gut wie möglich in Ordnung und floh, so schnell ihn seine kurzen, dicken Beine tragen wollten.
Von dem Augenblick an, da der Unsichtbare vor Wut geschrien, und Mr. Bunting seine denkwürdige Flucht durch das Dorf bewerkstelligt hatte, wird es unmöglich, eine zusammenhängende Darstellung der Ereignisse in Iping zu geben. Möglicherweise ging des Unsichtbaren Absicht ursprünglich dahin, Marvels Rückzug mit den Büchern und Kleidern zu decken. Aber seine gute Laune, mit der es niemals weit her war, scheint ihn bei einem Schlage, der ihn zufällig traf, ganz verlassen zu haben, und er begann darauf los zu schlagen und zu stoßen, um des reinen Vergnügens an der Sache willen.
Man denke sich die Straße voll eilender Menschen, zuschmetternder Haustore und dichter Gruppen, die um ein sicheres Versteck kämpften. Man stelle sich vor, wie der Haufen sich auf das aus einem Brette und zwei Stühlen hergestellte Gerüst des alten Fletcher zuwälzte und die Katastrophe, die darauf folgte. Und dann ist der Tumult vorüber. Die Straße mit ihren lustig flatternden Fahnen ist öde und verlassen, bis auf den wild wütenden Unsichtbaren, und bedeckt mit herumkollernden Kokosnüssen, umgestürzten Zelten und den in alle Winde zerstreuten Waren eines Verkäufers von Süßigkeiten. Überall werden Läden geschlossen und Riegel vorgeschoben. Die ganze Ortsbevölkerung ist verschwunden, nirgends sind Menschen zu sehen; nur hie und da kann man hinter den Fenstervorhängen ein ängstlich herausspähendes Auge erblicken.
Der Unsichtbare unterhielt sich noch kurze Zeit damit, alle Fenster im »Fuhrmann« einzuschlagen; dann warf er eine Straßenlaterne in Mrs. Grograms Wohnzimmer. Er muss es gewesen sein, der den Telegrafendraht nach Adderdean unmittelbar hinter Higgins Haus durchschnitt. Und dann verschwand er, dank seiner besonderen Gabe, ganz und gar aus dem Gesichtskreis der Menschen und wurde in Iping weiterhin weder gesehen noch gehört noch gefühlt. Er verschwand vollkommen.
Aber zwei gute Stunden dauerte es, bevor sich ein menschliches Wesen in Iping wieder auf die verödete Straße hinauswagte.
13. Kapitel – Mr. Marvel will abdanken
Bei Einbruch der Dunkelheit, als Iping eben begann, einen schüchternen Blick auf die Trümmer der festlichen Veranstaltungen zu werfen, schritt ein kleiner, dicker Mann in einem schäbigen Zylinder mühsam den Birkenwald an der Straße nach Bramblehurst entlang. Er trug drei Bücher, die durch ein eigentümliches elastisches Band zusammengehalten wurden, und ein in ein blaues Tischtuch eingewickeltes Bündel. Sein rotes Gesicht zeigte deutliche Spuren von Müdigkeit und Angst, und von Zeit zu Zeit schien er einen komischen Anlauf zu einer beschleunigteren Gangart zu nehmen. Eine Stimme, die nicht seine eigene war, folgte ihm, und wieder und wieder stöhnte er unter dem Druck einer unsichtbaren Hand.
»Wenn Sie mir noch einmal entwischen«, sagte die Stimme, »wenn Sie noch einmal den Versuch dazu machen – –«
»Herr Gott!«, stöhnte Mr. Marvel. »Meine Schulter ist schon ganz zerquetscht.«
»Dann töte ich Sie, auf Ehre!«, fuhr die Stimme fort.
»Ich wollte Ihnen gar nicht entwischen«, sagte Marvel schluchzend. »Ich schwöre, dass ich nicht die Absicht hatte. Ich kannte nur die Richtung nicht. Wie, zum Teufel, konnte ich die Richtung kennen? Ich bin ja so herumgestoßen worden – –«
»Sie werden noch viel mehr herumgestoßen werden, wenn Sie sich nicht zusammennehmen«, erwiderte die Stimme, und Mr. Marvel wurde plötzlich ganz still. Er stieß die Luft durch die Zähne und in seinen Augen malte sich die Verzweiflung.
»Es ist schon schlimm genug, dass diese einfältigen Pinsel dort unten mein Geheimnis kennen, auch ohne dass Sie mit meinen Büchern sich davonmachen. СКАЧАТЬ