Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Gegen 4 Uhr betrat ein Fremder, der von der Düne herkam, das Dorf. Es war ein kleiner, dicker Mann mit einem auffallend schäbigen Zylinder und er schien sehr außer Atem zu sein. Seine Wangen hingen abwechselnd bald schlaff herunter, bald wurden sie links aufgeblasen. Sein fleckiges Gesicht trug einen Ausdruck von Angst. Er bewegte sich mit einer Art gezwungener Lebhaftigkeit. Bei der Kirche änderte er die Richtung und ging auf den »Fuhrmann« zu. Unter anderen erinnert sich auch der alte Fletcher, ihn gesehen zu haben; und tatsächlich war der alte Herr bei dem Anblick des eigentümlich erregten Fremden so betroffen, dass er einen Teil der Tünche unachtsam aus dem Pinsel in seinen Rockärmel fließen ließ.
Nach Angabe eines der Schaubudenbesitzer schien der Fremde mit sich selbst zu sprechen; auch Mr. Huxter machte dieselbe Beobachtung. Er blieb am Fuße der Stufen, die zum »Fuhrmann« führen, stehen, und schien, wie Mr. Huxter behauptet, vor dem Betreten des Gasthofes einen schweren inneren Kampf zu kämpfen. Endlich stieg er die Stufen hinauf, wendete sich nach links und öffnete die Tür zum Gastzimmer. Mr. Huxter hörte Stimmen aus diesem Raum und aus der Schankstube, die den Mann über seinen Irrtum belehrten.
»Das ist ein Privatzimmer!«, sagte Hall, worauf der Fremde verdrossen die Tür schloss und in die Schankstube ging.
Nach Verlauf von wenigen Minuten erschien er wieder, sich mit dem Handrücken über den Mund fahrend und mit einer Miene ruhiger Zufriedenheit, die Mr. Huxter, er wusste nicht warum, unnatürlich vorkam. Er blickte sich rasch nach allen Seiten um, und dann sah ihn Mr. Huxter in sonderbar geheimnisvoller Weise nach dem Tor des Hofes schleichen, auf den das Fenster des Gastzimmers hinausging. Nach kurzem Zögern lehnte sich der Fremde an einen Torpfosten, zog eine kurze Tonpfeife heraus und begann sie zu stopfen. Die Finger zitterten ihm dabei. Er zündete die Pfeife ungeschickt an und begann träge mit verschränkten Armen zu rauchen – eine Haltung, die seine gelegentlichen, schnellen Blicke auf den Hof allerdings Lügen straften.
All dies sah Mr. Huxter durch das Auslagefenster; das sonderbare Benehmen des Mannes veranlasste ihn auch, seine Beobachtungen fortzusetzen.
Plötzlich richtete sich der Fremde auf und steckte die Pfeife in die Tasche. Dann verschwand er im Hofe. Auf das hin sprang Mr. Huxter, dem es mit einem Male klar wurde, dass er Zeuge eines Diebstahls sei, über den Ladentisch und rannte auf die Straße, um dem Dieb den Weg abzuschneiden. Kaum war er dort angelangt, als sich Mr. Marvel wieder zeigte, den Hut auf der Seite, ein großes Bündel in einem blauen Tischtuche in der einen und drei, wie sich später herausstellte, mit den Hosenträgern des Pfarrers zusammengebundene Bücher in der anderen Hand. Sobald er Mr. Huxter sah, stieß er einen Schrei aus, wendete sich nach links und begann zu laufen. »Haltet den Dieb!«, schrie Mr. Huxter und eilte ihm nach.
Mr. Huxters Beobachtungen waren deutlich, aber von kurzer Dauer. Er sah den Mann gerade vor sich um die Ecke bei der Kirche biegen und gegen die Straße nach der Düne zu rennen. Er sah die Fahnen und Lustbarkeiten des Dorfes, und nur ein oder zwei Leute wendeten sich nach ihm um. Nochmals brüllte er: »Haltet den Dieb!«, und setzte kühn die Verfolgung fort. Kaum war er aber zehn Schritt weitergekommen, als sein Schienbein an irgend etwas Geheimnisvolles anstieß und er nicht länger lief, sondern mit unglaublicher Schnelligkeit durch die Luft flog. Er sah noch, wie sich sein Kopf unheimlich rasch der Erde näherte. Dann schien die Welt in eine Million wirbelnder Lichtflecke zu zerstieben, und »die folgenden Ereignisse interessierten ihn nicht mehr«.
11. Kapitel – Im »Fuhrmann«
Um genau zu verstehen, was im Gasthof vorgegangen war, muss man auf den Augenblick zurückgreifen, wo Mr. Marvel zuerst von Mr. Huxters Fenster aus gesehen wurde.
Zur selben Zeit waren Mr. Cuss und Mr. Bunting im Gastzimmer. Sie besprachen ernsthaft die seltsamen Ereignisse des Morgens und untersuchten mit Mr. Halls Erlaubnis die Habseligkeiten des Unsichtbaren aufs gründlichste. Jaffers hatte sich von seinem Sturz teilweise erholt und war unter der Obhut teilnehmender Freunde nach Hause geschafft worden. Mrs. Hall hatte die verstreuten Kleidungsstücke des Fremden weggeräumt und die Stube in Ordnung gebracht. Und bei dem Tische am Fenster, wo der Fremde gewöhnlich gearbeitet hatte, war Mr. Cuss sofort auf drei dicke, handgeschriebene Bücher mit der Aufschrift »Tagebuch« gestoßen.
»Tagebuch!«, sagte Mr. Cuss, die drei Bücher auf den Tisch legend. »Nun, etwas werden wir jedenfalls daraus erfahren.« Der Pfarrer hatte die Hände auf den Tisch gestützt.
»Tagebuch«, wiederholte Mr. Cuss und setzte sich nieder. Hierauf legte er zwei Bücher übereinander, um das dritte darauf zu stützen und öffnete dieses. »Hm! – Kein Name auf dem ersten Blatt. Teufel! Nichts als Chiffren und Zahlen.«
Der Pfarrer trat zu ihm und blickte über seine Schultern ins Buch.
Sehr enttäuscht wendete Mr. Cuss die Seiten um. »Da soll gleich …! Es ist alles in Geheimschrift abgefasst, Bunting.«
»Keine Figuren?«, fragte Mr. Bunting. »Keine Zeichnung, die irgendein Licht –«
»Sehen Sie selbst«, erwiderte Mr. Cuss. »Mathematische СКАЧАТЬ