Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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I. Unterwegs
Im ersten Buch schweifte ich so weit von meinen eigenen Abenteuern ab, um die Erlebnisse meines Bruders zu berichten; während der Ereignisse der letzten beiden Abschnitte hielten ich und der Kurat uns auf der Lauer, in dem leeren Haus in Halliford versteckt, in das wir uns flüchteten, um dem schwarzen Rauch zu entrinnen. Hier will ich den Faden der Erzählung wieder aufnehmen. Wir blieben während der ganzen Nacht des Sonntags und den ganzen nächsten Tag — dem Tag der Londoner Panik — in dem Haus, dem einzigen Eiland voll Tageslicht, durch den schwarzen Rauch von der übrigen Welt abgeschnitten. Wir konnten während dieser zwei trostlosen Tage nichts tun, als in schmerzlicher Untätigkeit warten.
Mein Gemüt war von Sorgen um meine Frau erfüllt. Ich malte mir aus, wie sie voll Angst und in Gefahr in Leatherhead weilte und mich bereits als einen Toten beklagte. Ich schritt in den Zimmern auf und nieder und weinte laut bei dem Gedanken, durch welche Abgründe ich von ihr getrennt war, wenn ich mir vorstellte, was ihr alles während meiner Abwesenheit zustoßen konnte. Ich wusste, mein Vetter würde jeder ihr drohenden Gefahr mutig entgegentreten, aber er gehörte nicht zu jener Gattung von Männern, welche rasch eine Gefahr begreifen und sich rechtzeitig gegen sie schützen. Was jetzt nottat, war nicht Tapferkeit, sondern Umsicht. Mein einziger Trost war die Vermutung, dass die Marsleute gegen London vorrückten, also fort von Leatherhead. Solche unbestimmte Angstgefühle machen die Gemütsverfassung eines Menschen reizbar und leidend. Bei den unausgesetzten Klagerufen des Kuraten wurde ich ärgerlich und gereizt, und der Anblick seiner selbstsüchtigen Verzweiflung ermüdete mich. Nach einigen wirkungslosen Vorstellungen hielt ich mich abseits von ihm, und zog mich in ein Zimmer zurück, das Globen, Schulbücher und Hefte enthielt, also offenbar ein Klassenzimmer von Kindern war. Als er schließlich mir auch dahin folgte, floh ich in ein Kofferzimmer auf dem Boden des Hauses, in dem ich mich einschloss, um mit meinem nagenden Kummer allein zu sein.
Wir waren durch den schwarzen Rauch den ganzen Tag und den Morgen des nächsten hoffnungslos eingesperrt. Am Sonntagabend waren Anzeichen wahrzunehmen, dass im Nachbarhaus noch Leute waren — ein Gesicht am Fenster, hin- und herflackernde Lichter, und später das Zuschlagen einer Tür. Aber ich weiß nicht, wer diese Leute waren, noch was aus ihnen wurde. Am nächsten Tag erblickten wir keine Spur mehr von ihnen. Der schwarze Rauch trieb langsam dem Fluss zu, den ganzen Montagmorgen hindurch; er kroch näher und näher an uns heran und wälzte sich endlich die Landstraße entlang, außerhalb des Hauses, das uns verbarg.
Ein Marsmann kam gegen Mittag über die Felder gefahren, und vernichtete den Rauch durch einen Strahl überhitzten Dampfes, der gegen die Mauern zischte, alle Fenster, die er traf, zerschmetterte, und die Hand des Kuraten verbrühte, als er sich aus dem Straßenzimmer flüchtete. Als wir uns endlich durch die durchnässten Zimmer schlichen und hinausblickten, sah das gegen Norden zu gelegene Land aus, als wäre ein schwarzer Schneesturm darüber hingebraust. Und als wir gegen den Fluss hinblickten, waren wir nicht wenig erstaunt, wie dort eine unerklärliche Röte sich mit dem Schwarz der versengten Wiesen vermengte.
Eine Zeit lang erfassten wir nicht, ob diese Veränderung unsere Lage günstiger gestalten würde, wir sahen nur, dass wir von unserer Furcht vor dem schwarzen Rauch erlöst waren. Aber später begriff ich, dass wir nicht mehr aufgehalten seien, und dass wir unsern Weg weiter verfolgen könnten. Sobald ich mir klar wurde, dass der Weg zur Flucht offen stand, kehrte meine Fähigkeit, zu handeln, wieder zurück. Aber der Kurat war wie in einer Erstarrung und keinen Vernunftsgründen zugänglich.
»Wir sind hier ja sicher«, rief er unaufhörlich, »ganz sicher.«
Ich beschloss, ihn zu lassen, wo er war. Hätte ich es nur getan! Durch die Lehren des Artilleristen klüger gemacht, suchte ich jetzt nach Speise und Trank. Ich hatte Öl und Linnen für meine Brandwunden gefunden; auch nahm ich einen Hut und ein Flanellhemd mit mir, das ich in einem der Schlafzimmer gefunden hatte. Als es dem Kuraten aufdämmerte, dass ich willens war, allein fortzugehen, dass ich mich mit dem Gedanken, allein zu sein, völlig ausgesöhnt hatte, da raffte er sich plötzlich zu dem Entschluss auf, mich zu begleiten. Und da während des ganzen Nachmittags alles ruhig blieb, brachen wir, wie ich vermute, um fünf Uhr auf, um die rauchgeschwärzte Straße nach Sunbury einzuschlagen.
In Sunbury und in gelegentlichen Zwischenräumen längs der Straße lagen tote Körper in verzerrten Stellungen — Pferde sowohl wie Menschen — ferner umgestürzte Karren und Kisten, alles mit einer dicken Schicht schwarzen Rauches bedeckt. Diese Schichten von Aschenpulver erinnerten mich an alles, was ich über die Zerstörung Pompejis gelesen hatte. Ohne weiteren Unfall gelangten wir nach Hampton Court; unsere Gedanken waren erfüllt von allen den seltsamen und ungewohnten Bildern, die wir unterwegs erblickten. In Hampton Court wurden unsere Augen geradezu von einem Bann erlöst, als wir einen grünen Rasenfleck entdeckten, der dem erstickenden Qualm entgangen war. Wir gingen durch den Bushey Park, sahen das Wild unter den Kastanienbäumen auf- und abgehen und einige Männer und Frauen, die in weiter Ferne gegen Hampton zu eilten. Das waren die ersten Leute, die wir sahen. So kamen wir nach Twickenham.
Als wir über die Straße hinwegblickten, sahen wir, dass das Gehölz jenseits von Ham und Petersham noch brannte. Twickenham war sowohl vom Hitzestrahl, wie vom schwarzen Rauch verschont geblieben, und so fanden wir hier herum schon mehr Leute, von denen aber niemand uns Neues mitteilen konnte. Zum größten Teil befanden sie sich in derselben Lage wie wir; sie benützten eine augenblickliche Ruhe vor den Marsleuten, um weiter zu fliehen. Ich gewann den Eindruck, dass viele Häuser noch von eingeschüchterten Menschen bewohnt waren, die zu erschreckt waren, um nur die Kraft zur Flucht zu besitzen. Auch hier waren die Anzeichen eines hastig fliehenden Menschenhaufens in Fülle längs der Straße vorhanden. Sehr lebhaft erinnere ich mich eines Gewirres von drei zertrümmerten Fahrrädern, die von den Rädern nachfolgender Karren in die Erde gestampft worden waren. Um halb neun Uhr etwa kamen wir bei der Richmond Bridge an. Wir eilten selbstverständlich, so rasch wir konnten, über die allen Angriffen sehr ausgesetzte Brücke; dennoch bemerkte ich eine Anzahl roter Gegenstände, die einige Fuß von mir entfernt, den Fluss hinabtrieben. Ich wusste nicht, was jene Gegenstände СКАЧАТЬ