Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
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Indem er seinen Füßen auf dem schwankenden Deck dadurch, dass er sie in das Netzwerk des Geländers einhakte, einen sicheren Halt schaffte, blickte mein Bruder über den dahinschießenden Leviathan4 hinweg, wieder nach den Marsleuten. Er sah nun alle drei dicht beieinander; sie standen so weit draußen im Meer, dass ihre dreifüßigen Stützen fast ganz unter Wasser waren. So halb versenkt und in so großer Entfernung, sahen sie weit weniger furchtbar aus, als die riesenhafte Eisenmasse, in deren Kielwasser der Dampfer hilflos hin- und herschwankte. Es schien, als betrachteten die Marsleute diesen neuen Gegner in hellem Staunen. Es mag sein, dass nach ihren Begriffen dieser Riese ein ähnliches Wesen ihrer Gattung war. Der »Thunder Child« feuerte keinen Schuss ab, er rückte nur in voller Wucht gegen sie vor. Vermutlich dankte er nur dem Umstand, dass er nicht feuerte, die Möglichkeit, jenen so nahe zu kommen. Sie wussten nicht, was sie aus ihm machen sollten. Nur eine Bombe, und sie hätten ihn mit dem Hitzestrahl sofort in den Grund gebohrt.
Das Schiff dampfte mit einer derartigen Schnelligkeit vorwärts, dass es in einer Minute den halben Weg zwischen dem Dampfboot und den Marsleuten zurückzulegen schien — eine sich immer mehr verringernde Masse, die sich schwarz von der zurücktretenden horizontalen Linie der Küste von Essex abhob.
Plötzlich senkte der vorderste Marsmann sein Rohr und feuerte eine Büchse schwarzen Gases auf das Panzerschiff ab. Sie traf ihn auf der Backbordseite und prallte in einem tintenartigen Strahl ab, der sich seewärts weiterwälzte als entfalteter Strom schwarzen Rauches, dem das Panzerschiff glücklich entrann. Den Zuschauern auf dem tief im Wasser fahrenden Dampfer, welche überdies die Sonne im Gesicht hatten, schien es, als sei das Schiff schon mitten unter den Marsleuten.
Sie sahen, wie die ungeschlachten Gestalten sich trennten und sich immer höher aus dem Wasser hoben, indem sie sich ans Ufer zurückzogen. Einer von ihnen erhob jetzt den kameragleichen Erzeuger des Hitzestrahls. Er hielt ihn schräg nach abwärts gerichtet, und sofort fuhr eine Dampfwolke auf, als der Strahl das Wasser berührte. Er musste durch das Eisen des Schiffskörpers gefahren sein, ähnlich, wie weißglühendes Eisen durch Papier dringt.
Das Zucken einer Flamme wurde in dem aufsteigenden Dampf sichtbar, und der Marsmann wankte und taumelte nach vorn. Im nächsten Augenblick war er niedergeschlagen und eine große Menge Wasser und Dampf schoss Hoch in die Luft auf. Die Geschütze des »Thunder Child« donnerten durch den Qualm, eines nach dem anderen; ein Geschoss klatschte dicht neben dem Dampfer ins Wasser, prallte in Richtung der anderen fliehenden Schiffe nordwärts und zersplitterte eine Fischerbarke in Zündhölzchen.
Niemand aber schenkte dem besondere Beachtung. Beim Anblick des zusammenbrechenden Marsmannes stieß der Kapitän auf der Brücke unartikulierte, gellende Laute aus, und die zu einem Haufen beim Steuerrad zusammen-gedrängten Reisenden schrien wild durcheinander. Und noch einmal schrien sie auf. Denn drüben, jenseits des weißen Tumults erhob sich ein langer, schwarzer Rumpf und trieb kräftig weiter; Flammen strömten aus seinen Mittelteilen, und die Ventilatoren und Schornsteine spien Feuer.
Er lebte noch; sein Lenksteuer, scheint es, war unversehrt und seine Maschinen arbeiteten. Er schoss geradeaus auf einen zweiten Marsmann los und war noch hundert Yard von ihm entfernt, als der Hitzestrahl seine Wirkung tat. Mit einem heftigen Getöse und unter blendenden Blitzen flogen sein Verdeck und seine Schornsteine in die Luft. Der Marsmann wankte bei der Heftigkeit des Zündschlages und im nächsten Augenblick schoss das flammende Wrack mit der ganzen Wucht seines stürmischen Laufes vorwärts, warf den Marsmann nieder und zermalmte ihn, wie ein Stückchen Papier. Mein Bruder schrie unwillkürlich auf. Kochende Dampfwolken hüllten alles wieder ein.
»Zwei!«, jubelte der Kapitän.
Jedermann jauchzte und schrie; der ganze Dampfer hallte von einem Ende bis zum anderen von den wilden Freudenrufen wieder, die zuerst vom nächsten und dann von allen, den unzähligen Booten und Schiffen aufgenommen wurden, die das offene Meer zu gewinnen suchten.
Der Dampf hing viele Minuten hindurch über dem Wasser und hüllte den dritten Marsmann und die Küste vollständig ein. Und während dieser ganzen Zeit arbeitete sich das Dampfboot stetig auf die hohe See hinaus, fort von dem Schauplatz jener Schlacht. Und als sich endlich der Dampf verzogen hatte, da traten die treibenden Wolken des schwarzen Rauches dazwischen, und vom »Thunder Child« konnte nichts mehr gesehen werden; auch der dritte Marsmann war verschwunden. Aber die Panzerschiffe, die seewärts lagerten, waren jetzt ganz nahe und standen gegen die Küste zugekehrt hinter dem Dampfboot.
Das kleine Fahrzeug fuhr fort, sich seinen Weg seewärts zu erkämpfen; die Panzerschiffe traten langsam gegen die Küste zurück, die noch immer von der gefleckten Rauchwand, halb Dampf, halb schwarzem Gas, in den abenteuerlichsten Gestalten auf- und niederwallend, eingehüllt war. Die Flotte der Flüchtlinge zerstreute sich nach Nordosten; einige Fischerbarken segelten zwischen den Panzerschiffen und dem Dampfboot. Nach einiger Zeit, bevor sie den sinkenden Wolkenzug erreichten, wandten sich die Kriegsschiffe nach Norden und mit einer unvermuteten Schwenkung verschwanden sie in südlicher Richtung, in dem sich immer mehr verdichtenden Abendnebel. Die Küste verblasste und verschwand endlich völlig in den langen Wolkenzügen, die sich um die sinkende Sonne lagerten.
Plötzlich scholl aus dem goldenen Nebelschleier des Sonnenuntergangs das Getöse von Geschützen; und schwarze Schatten tauchten auf und nieder. Alles stürzte wieder an das Geländer des Dampfers und spähte nach dem blendenden Feuerherd des Westens; aber es konnte nichts deutlich unterschieden werden. Eine Menge dichten Rauches stieg schräg auf und verbarg das Antlitz der Sonne. Das Dampfboot keuchte seinen Weg weiter; und bange Erwartung lastete auf allen.
Die Sonne versank in graue Wolken; der Himmel zuckte auf und verfinsterte sich wieder, und oben zitterte der Abendstern. Es war schon dunkles Zwielicht, als der Kapitän aufschrie und nach aufwärts deutete. Mein Bruder strengte seine Augen an. Aus dem Grau fuhr etwas hoch auf in die Luft, zuckte in reißender Schnelligkeit schief hinüber zu dem glänzenden Licht über den Wolken des westlichen Himmels, ein flacher, breiter und sehr großer Körper; er raste in einer ungeheuren krummen Linie weiter, wurde kleiner, sank dann langsam und verschwand endlich in dem grauen Geheimnis СКАЧАТЬ