Schwarzer Peter. Tim Herden
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Название: Schwarzer Peter

Автор: Tim Herden

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783963110306

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СКАЧАТЬ euch denn hierher? Ist eine Epidemie im Anmarsch?“, fragte der Arzt, als die beiden Polizisten von seiner Sprechstundenhilfe hereingeführt wurden. Er war aufgestanden und reichte beiden zur Begrüßung die Hand.

      „Es geht um Gilde“, erklärte Damp. Möselbeck zog die Stirn in Falten, doch bevor er etwas fragen konnte, zog Damp den Totenschein aus einer Mappe und reichte ihn Möselbeck. „Sie haben dieses Dokument ausgestellt. Nun gibt es aber Zweifel, dass es sich um einen natürlichen Todesfall handelt.“

      Möselbeck nahm das Formular. „Wie kommt ihr denn darauf?“ Er wartete aber die Antwort der Polizisten nicht ab, sondern rollte mit seinem Stuhl zu einem Aktenschrank, zog eines der Fächer auf und suchte nach einer Akte. „Nix für ungut. Aber Gilde war ein alter Mann. Über neunzig. Ein tolles Alter. So alt muss man erst mal werden. Da ist es ganz natürlich, dass man stirbt. Punkt.“ Er zog einen Hefter heraus, klappte ihn kurz auf, sah hinein und rollte dann wieder zurück an den Schreibtisch.

      „Können Sie uns erzählen, wie Sie von Gildes Tod erfahren haben und was Sie daraufhin getan haben?“, meldete sich Rieder.

      „Anna Rese rief mich an. Sie war von Frau Gilde gerufen worden, die ihren Mann tot aufgefunden hatte. Ich bin hingefahren, und es war alles korrekt.“ Möselbeck hatte dabei in der dünnen Akte geblättert und beim Sprechen auf der einen oder anderen Seite etwas nach gelesen. „Hier steht’s auch. Ich notiere mir immer alles genau bei Todesfällen. Heute steht man als Arzt ja immer mit einem Bein im Knast. „Eintreffen gegen 20.00 Uhr. Atemstillstand. Kein Puls an der Halsschlagader. Abhören Brustkorb und Herz. Keine Herztöne. Geweitete Pupillen. Gräuliche Färbung an den Fingerspitzen. Bei Beschau des Körpers keine Anzeichen für äußerliche Einwirkung. Auf Grund der Vorerkrankung Diagnose: Herzversagen. Keine Anzeichen für einen unnatürlichen Tod. 20.45 Uhr: Ausstellen des Totenscheins und Information der Witwe. Absprache mit Frau Rese über weiteres Vorgehen. Information an Notfallteam und Herrn Zion. Abtransport der Leiche in die Kapelle am Friedhof Kloster.“

      Möselbeck reichte die Akte über den Schreibtisch. Rieder nahm sie und blätterte sie durch. „Mehr kann ich euch auch nicht sagen“, erklärte Möselbeck, „Gilde war nicht mein Patient, sondern ging hier auf Hiddensee immer zum alten Lang.“

      „Der praktiziert noch?“, fragte Damp ungläubig.

      „Ja, leider.“

      Rieder sah den Arzt fragend an. „Lang war mein Vorgänger. Selbst Damp war noch nicht auf der Insel, als ich seine Praxis übernommen habe. Mancher Hiddenseer geht immer noch lieber zu ihm als zu mir. Dabei sind seine Methoden, na, sagen wir mal, etwas fragwürdig.“

      „Was meinen Sie damit?“

      Möselbeck stand auf, stellte sich hinter seinen Schreibtischstuhl und stützte sich mit den Händen darauf ab. „Lang ist eher ein Purist. Kommt einer zu ihm mit einer Wunde am Fuß, könnte seine Behandlung schon allein aus dem Rat bestehen, ein Bad in der Ostsee zu nehmen. Manchmal hilft es, manchmal auch nicht. Und was Gilde angeht … Ich habe mal einen Blick in den Nachttisch geworfen. Immer eine gute Informationsquelle für den Arzt.“ Möselbeck rieb sich das Kinn. Offenbar war er sich unsicher, ob er wirklich nicht seine Schweigepflicht verletzten würde. „Also da lagen diese blauen Pillen … ihr wisst, was ich meine.“

      „Na, bei so einer jungen Frau“, meinte Rieder trocken. Damp schien noch nicht zu verstehen und sah seinen Kollegen verständnislos an.

      „Mensch, Viagra, Damp!“

      Bei Damp rutschte der Groschen. „Ach so.“

      „Aber ich glaube nicht, dass er daran gestorben ist. Sein Gesamtzustand muss schon so kläglich gewesen sein, so erzählte es jedenfalls Anna Rese, dass ihm sicher nicht mehr der Sinn nach Sex stand. Er kämpfte mit seinem absterbenden Körper, war aber noch klar bei Verstand. Das zu erleben, wünsche ich keinem.“ Möselbeck richtete sich auf. „Reicht euch das?“

      Damp schien unzufrieden zu sein. „Mir wäre es egal, aber ob es Bökemüller reicht? Und ob es die Hinterbliebenen glauben?“, gab er zu bedenken.

      Möselbeck steckte die Hände in die Taschen seiner weißen Arzthose. „Mensch, Damp, wie gesagt, Gilde war über neunzig. Er hatte sein Leben gelebt. Wollt ihr ihn jetzt wieder ausgraben? Oder was? Ich habe das am Samstag auch schon der jungen Witwe erklärt. Sie machte da schon ziemlichen Wind.“

      „Das hat aber nichts gebracht“, konstatierte Rieder trocken. „Und Gildes Sohn ist auch nicht viel besser.“

      „Du meinst Richard? Der ist doch eigentlich ganz verträglich.“

      Daraufhin berichtete Damp, was am offenen Grab von Werner Gilde passiert war. Möselbeck grinste. „Da haben die Hiddenseer wieder einen echten Skandal. Und ihr beide macht euch auch noch die Mühe, diesem Schwachsinn nachzugehen. Grad nicht viel los auf der Insel?“

      „Wir glauben diesen Schwachsinn nicht, aber wir müssen ihm nachgehen“, antwortete Rieder resigniert. „Vorschrift ist Vorschrift. Gemeinsam mit Ihrer Aussage packen wir den ganzen Kram zusammen, schicken ihn nach Stralsund und warten ab.“

      Die Polizisten standen auf. „Wo finden wir diesen Doktor Lang?“, fragte Rieder noch.

      „Auf Teneriffa. Von Oktober bis Ostern überwintert er dort. Deshalb haben sie auch mich und nicht ihn geholt.“

      Eine Stunde später war Rieder zu Hause. Gemeinsam mit Damp hatte er im Revier noch die Anzeigen von Gildes Hinterbliebenen und das Protokoll des Gesprächs mit Möselbeck fertiggemacht. Damp wollte die Sache schnell vom Tisch haben. Er hatte die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft in Stralsund gemailt, auch wenn die Unterschriften fehlten, und dann dort angerufen, um die Entscheidung über eine Exhumierung Gildes zu beschleunigen. Rieder staunte über das energische Auftreten Damps. Das war gar nicht seine Art. Irgendetwas musste mit ihm passiert sein. Aber was nur, fragte sich Rieder.

      Als er das Tor zum Grundstück im Vitter Wiesenweg öffnete, wurden alle Gedanken an Gildes Tod und Damps Verhalten verdrängt. Er stöhnte, als er wieder auf den hüfthohen Grasdschungel schaute. Es half nichts. Der Rasenmäher stand noch neben dem Schuppen. Rieder nahm den Fangkorb vom Mäher ab, fixierte die geöffnete Klappe mit einem Spanngurt und schloss das Netzkabel an. Der kleine Motor jaulte auf. Langsam begann Rieder eine erste Bahn entlang der Hausmauer zu ziehen. Die gehäckselten Gräser und Grashalme flogen durch die Luft. Bald war seine Kleidung mit einem grünen Pelz aus Heu überzogen. Obwohl es zum Abend hin immer kühler wurde, schwitzte Rieder. Aber es ging langsam voran. Nach einer Stunde hatte er fast die Hälfte seines Grundstücks abgemäht. Weil es so gut lief, kehrten die Gedanken an den Fall zurück – wenn es überhaupt ein Fall war. Rieder war überzeugt, dass es keine Ermittlungen geben würde und Gilde in seinem kalten Grab bleiben würde. Der medizinische Befund Möselbecks war eindeutig.

      Rieder wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er sehnte sich nach einer Abkühlung. Nachdem er seine Kleidung abgeklopft hatte, schloss er das Häuschen auf. Sofort umfing ihn dieser besondere, leicht bittere Duft nach alten Möbeln, Kohlengrus und Staub. Im großen Zimmer waren die blaugemusterten Vorhänge noch geschlossen. Aber durch den kleinen Spalt tanzten die Schatten der Wolken im vergehenden Sonnenlicht. Rieder durchfloss ein warmes Gefühl von Geborgenheit. Das war sein Refugium. Aus dem alten Schrank im Zimmer mit den Glastüren nahm er sich einen Becher und ging in die Küche. Dort hatten über den Winter Spinnen Quartier gemacht und in allen Ecken Netze gespannt. Morgen würde er alles in Ordnung bringen. Er drehte den Wasserhahn auf. Doch es kam nichts heraus. Ihm fiel ein, dass hier das fließende Wasser nicht einfach aus der Wand kam. Er musste erst den Haupthahn im Garten aufdrehen. Rieder ging wieder hinaus, räumte die Feuersteine von der Abdeckung der Wassergrube. СКАЧАТЬ