Название: Der Kaiser
Автор: Geoffrey Parker
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806240108
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Unter den englischen Diplomaten kam Freude auf, als sie von Franz’ Vorschlägen erfuhren. »Langsam rutscht dem französischen König das Herz in die Hose«, spotteten sie, und »für den Anfang macht er dem Kaiser ein recht ordentliches Angebot« – aber auch sie schätzten die Situation falsch ein. Die Verzögerung, die sich aus dem Warten auf Moncada ergab, sorgte dafür – und genau das hatte Franz beabsichtigt –, dass Karl die Zeit davonlief, um eine sofortige Invasion und Zerteilung Frankreichs zu arrangieren. Inzwischen überzeugte Franz, der »viel von seiner eigenen Beredsamkeit und Klugheit hielt und glaubte, mit seinen Worten den Kaiser umzustimmen«, in der Lombardei Lannoy davon, dass er bei einem persönlichen Treffen mit Karl imstande wäre, »die ganze Sache in zwei Worten zu regeln«.16 Also reisten der Vizekönig und sein illustrer Gefangener zwar nach Genua und gingen dort an Bord eines Schiffes, das sie auf Karls Geheiß nach Neapel bringen sollte; sobald sie jedoch auf See waren, wechselte die ganze Flotte abrupt ihr Ziel und nahm Kurs auf Spanien. Im August 1525 erreichte Franz Madrid.
Die Nachricht von diesen Entwicklungen hatte gewaltige Konsequenzen. Antonio de Leyva, der nun als kaiserlicher Oberbefehlshaber in der Lombardei amtierte, warnte Karl, dass Lannoys »Abreise mit dem König ganz Italien in Aufruhr versetzt« habe. »Alle hier glauben«, fuhr er fort, »dass Euer Majestät mit dem König eine Vereinbarung treffen wird, die zu ihrer völligen Zerschlagung führen wird; und deshalb versuchen sie alle möglichen Verhandlungen und Initiativen, um sich nur mit Frankreich zu verbünden und Italien zu einen, um sich gegen die Größe Eurer Majestät zu stellen«. Karls Botschafter Sessa meldete aus Rom gleichfalls eine »große Angst« im Hinblick darauf, »was Eure Majestät womöglich mit dem König von Frankreich vereinbaren wird, weil sie fest davon ausgehen, dass eine solche Vereinbarung dazu dienen wird, ganz Italien zu unterjochen und denen die Macht zu entreißen, die sie jetzt innehaben, und sie so zu schwächen, dass sie nie wieder zu Kräften kommen werden«. Sessa zufolge hatte die Republik Venedig bereits begonnen, eine feindliche Allianz italienischer Staaten zu schmieden, und er warnte, dass auch Papst Clemens sich diesem Bündnis anschließen und damit eine zweite Front in diesem Krieg eröffnen werde, wenn man ihn nicht umgehend beschwichtige.17
Karl erkannte nun, in welchem Dilemma er steckte: Die Franzosen würden Burgund nur aufgeben, »wenn wir mehr Druck ausüben«, jedoch fehlte, wie der Kaiser einsah, »das Geld, um dies zu erreichen«. Deshalb erklärte er: »Ich beabsichtige nicht, dieses Jahr noch Krieg zu führen, sondern stattdessen will ich mich auf meine Heirat konzentrieren und anschließend über das Meer nach Italien fahren« – um die dortige Ordnung wiederherzustellen, aber auch, um sich endlich zum Kaiser krönen zu lassen. Danach wollte Karl nach Deutschland reisen, »wo ich all meine Mittel darauf verwenden will, die lutherische Sekte auszumerzen«; anschließend wollte er sich mit den Türken auseinandersetzen.18 Um diese hochgesteckten Ziele erreichen zu können, war Karl jedoch zuerst auf einen Friedensschluss mit Frankreich angewiesen, weshalb er nun – doch noch – dem Rat seines Kanzlers folgte: Der Kaiser weigerte sich fortan, mit dem französischen König weiterzuverhandeln oder ihn auch nur in seiner Zelle zu besuchen – Franz wurde im Alcázar von Madrid unter entwürdigend strenger Bewachung gefangen gehalten (die ganze Nacht hindurch schauten immer wieder Wachen in der Zelle nach, ob Franz sich auch tatsächlich in seinem Bett befand). Karls Ratgeber diskutierten inzwischen darüber, welche Zugeständnisse sie vernünftigerweise fordern konnten. Lannoy, der zwar durch und durch von den Traditionen des burgundischen Hofes geprägt war, setzte dennoch die strategischen Bedürfnisse des Reiches an erste Stelle: Der Kaiser müsse sich Mailand und Genua sichern, weil diese Territorien entscheidende Verbindungsglieder zwischen seinen weit gestreuten Herrschaftsgebieten darstellten. Gattinara dagegen, obschon in Italien geboren und aufgewachsen, sah Burgund als den »Hauptgewinn«, und er durchforstete Chroniken und Archive auf der Suche nach Präzedenzfällen, welche die Rückgabe des Herzogtums rechtfertigen könnten. Karl selbst sollte schließlich die Vergangenheit der Gegenwart vorziehen, denn, wie er den englischen Gesandten an seinem Hof erklärte: Indem er von Franz die Rückgabe Burgunds verlangte, »fordere er nichts anderes als sein rechtmäßiges Erbe, das seine Vorfahren bis zum Tode Herzog Karls [des Kühnen 1477] besessen hätten, also bis vor wenig mehr als vierzig Jahren, und viele der damaligen Untertanen seien noch immer am Leben«. Die Engländer blieben jedoch skeptisch und hielten dagegen, dass es Franz zwar relativ leichtfallen dürfte, seinen erst kürzlich eroberten – und eigentlich ja auch schon wieder verlorenen – italienischen Besitz aufzugeben; im Gegensatz dazu werde er jedoch freiwillig »kein Fußbreit französischen Bodens« seinem Erzfeind überlassen.19
Anfangs bemühte Franz sich, jegliche Zugeständnisse zu vermeiden. Stattdessen versuchte er, Eleonore zu verführen. Zu diesem Zwecke schrieb er ihr einen Liebesbrief, wobei er fraglos das Vorgehen des Pfalzgrafen Friedrich acht Jahre zuvor im Gedächtnis hatte. Eleonore jedoch ließ ihn höflich, aber bestimmt wissen, dass sie in Heiratsfragen – wie auch in allem anderen – stets den Anweisungen ihres Bruders folge. Auch Bestechung setzte Franz ein, bis es »im Haushalt des Kaisers kaum jemanden gab, von den höchsten Herren bis hinunter zu den Kammerdienern, den der französische König nicht bestochen hat«. Mehrmals versuchte der Gefangene zu fliehen, einmal bizarrerweise sogar, indem er sich das Gesicht schwärzte und sich als der afrikanische Sklave ausgab, der in seiner Zelle das Feuer entzündete.20 Nachdem all dies fehlgeschlagen war, verlangte Franz nach einem Notar und gab die folgende geheime Erklärung ab, die er mit seiner Unterschrift bestätigte: Falls er »wegen seiner Gefangenschaft und langen Haftzeit gezwungen sein sollte, dem Kaiser die Besitzrechte an dem besagten Herzogtum Burgund – oder irgendwelche anderen Anrechte der französischen Krone – abzutreten, so sei und bleibe dies null und nichtig, da er zu diesem Schritt mit Gewalt gezwungen worden sei«.21 Kaum hatte er dies zu Protokoll gegeben, erkrankte der König schwer.
Der Kaiser befand sich gerade bei Segovia auf der Jagd, als er einen eiligen Brief von Franz’ Ärzten erhielt, die drängten, dass, »wenn Euer Majestät ihn noch lebend antreffen will, er sich sehr beeilen« müsse. Unverzüglich ritt Karl in Richtung Madrid los, legte die rund fünfzig Kilometer in etwa zweieinhalb Stunden zurück (eine beachtliche reiterische Leistung) und eilte mit großen Schritten in die Kammer, in der Franz halb bewusstlos vor sich hin dämmerte. Der König »umfing ihn mit offenen Armen und so saßen sie wortlos für eine ganze Weile«. Schließlich sagte Karl zu Franz: »›Was ich am sehnlichsten wünsche, Herr, ist, dass Ihr gesund werdet, und wir werden uns darum kümmern; alles andere aber soll genau so geschehen, wie Ihr es wünscht.‹ Und der König antwortete: ›Nein: Ich stehe Euch zu Diensten.‹ Und dann fügte er noch hinzu: ›Was ich von Euch erbitte, Herr, ist, dass keine dritte Partei mehr zwischen uns tritt.‹« Die beiden Herrscher verbrachten etwa eine Stunde im vertraulichen Gespräch, indem sie sich bei den Händen hielten. Am Ende »sagte der König: ›Tod all denen, die jenen Streit zwischen uns getragen haben! Soll dies etwa der hässliche, geistlose Stotterer sein [von dem man mir erzählt hat]?« Und dann pries er die Klugheit und die Redegewandtheit des Kaisers.22
Franz erwartete wohl, dass dieser Austausch von Nettigkeiten geradewegs zu direkten Verhandlungen mit Karl führen würde. Sobald er jedoch wieder genesen war, begannen die Verhandlungen durch Vermittlung einer »dritten Partei« von Neuem. Als Vorbedingung für Franz’ Freilassung verlangte der Kaiser nicht nur die »Restitution« Burgunds sowie die Gründung von vier Klöstern, um »für die Seele Herzog Johanns von Burgund zu beten, der von den Franzosen ermordet wurde, obwohl ihm freies Geleit versprochen war«, sondern auch das Versprechen, Franz werde
»von all seinen Freunden und Verbündeten lassen und nur noch Bündnisse eingehen, die der Kaiser genehmigt hat. Von diesen Bedingungen abgesehen, sagen viele, der König müsse 4 Millionen in Gold zahlen und den Kaiser persönlich zu dessen Krönung begleiten; er müsse das Herzogtum Mailand dem Herzog von Bourbon überlassen, der dann nicht mehr der Krone Frankreich, sondern allein dem Kaiser Gefolgschaft schuldig sei; und er müsse den Dauphin so lange als Geisel in die Hand des Kaisers geben, bis er all seine gegebenen Versprechen erfüllt hat.«23
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