Die Geschichte Chinas als Geschichte von Fetischverhältnissen. Raimund Philipp
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СКАЧАТЬ Rückprojektion der modernen Kategorien Staat und Politik hat Konsequenzen zur Folge. Einerseits werde ich zu Redundanzen durch jene Autoren gezwungen, die der Auffassung sind, dass ein so genannter Staatsbildungsprozess in der Longshan-Kultur in der Entwicklung begriffen war. Obwohl die Sinologen z.T. äußerst ausführlich das »transzendente göttliche Prinzip« phänomenologisch richtig erfassen (ohne diesen Ausdruck zu gebrauchen), ziehen sie daraus falsche Schlüsse. Sie „springen“ vom »transzendenten göttlichen Prinzip« zum transzendentalen. Zwei Beispiele sollen hier vorab angeführt werden: einmal soll die Quelle der politischen Macht ihrer Auffassung nach aus dem »exklusiven Zugang der Herrschenden zu den übersinnlichen Kräften und Mächten« herrühren, zum anderen – dialektisch vermittelt – soll die monopolisierte Kontrolle über Ressourcen – Rohstoffe, aus denen die »rituellen Bronzen« hergestellt wurden – eine Entwicklung befeuert haben, die in der Etablierung eines Staates mündete und somit wiederum die Kategorie Politik hervorgebracht haben soll. Mit anderen Worten, sie können die Differenz zwischen dem »transzendenten« und dem transzendentalen Prinzip gar nicht erfassen, da ihnen eine kohärente und konsistente theoretische Grundlage fehlt.

      Um ihre vermeintlichen Beweise, dass in der Vormoderne schon moderne Kategorien existiert haben, zu widerlegen, müssen die abstrakt-allgemeinen Kriterien der Theorie der Geschichte als Geschichte von Fetischverhältnissen eben immer wieder in Stellung gebracht werden. Dass dann hier und da Zitate und Formulierungen wiederholt vorgebracht werden, erfolgt also gezwungenermaßen. Andererseits sind diese Redundanzen auch bis zu einem gewissen Grad gewollt, denn allem Anschein nach sind die Sinologen (aber nicht nur diese) gegenüber einer kohärenten und konsistenten Theorie resistent. Um es mit Marx zu sagen:

      „[M]an muß diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigne Melodie vorsingt“ (MEW Bd 1, S. 381), und zwar immer und immer wieder! (RGP)

      Die oben erwähnte Resistenz gegen – wahrscheinlich – jede Form von Theorie, soll an einer Begebenheit geschildert werden. In einem Gespräch mit einer Archäologin, der ich die hier vertretene Theorie in groben Zügen zu erklären versuchte (mit Hinweisen zur einschlägigen Literatur), bekam ich, nachdem sie mir mehr oder weniger interessiert zugehört hatte, zur Antwort, dass sie genügend andere Baustellen hätte. Nun ist es so, dass die Archäologie eine praxisbezogene Wissenschaft ist, aber was nützen einem die schönsten Artefakte, wenn sie nicht in den historischen Kontext eingebunden werden können, wenn die Vertreter der genannten Wissenschaftszweige den Unterschied zwischen dem »transzendenten« und dem transzendentalen Prinzip nicht erkennen bzw. ignorieren und auch die Gemeinsamkeiten von Vormoderne und Moderne nicht zu bestimmen in der Lage sind, wie oben schon erwähnt und in dieser Abhandlung deutlich gezeigt werden kann.

      Die obigen Ausführungen lassen sich durchaus verallgemeinern: der akademische Wissenschaftsbetrieb sperrt sich gegen neue Theorieansätze, erst recht dann, wenn sie wie die vorliegende Theorie der Geschichte als Geschichte von Fetischverhältnissen nicht aus den eigenen Reihen kommt – und das betrifft sowohl die Vertreter des bürgerlichen Lagers als auch die so genannte akademische Linke. Hier sei ein konkretes Beispiel genannt. Klaus Kempter wollte seinen Aufsatz Die Bedeutung von Wertkritik und Wert-Abspaltungs-Kritik für die Geschichtswissenschaft. Zur fortbestehenden Relevanz von Karl Marx in einer geschichtswissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlichen, dies ist ihn nur zum Teil gelungen, denn:

      „Eine stark gekürzte Fassung erschien unter dem Titel Robert Kurz, die ‚Wertkritik‘ und die radikale Gesellschaftstheorie oder Ist Karl Marx doch noch relevant für die Geschichte? schließlich in WerkstattGeschichte, Nr. 72, 2016, S. 65-76“ (Hervorh. Kempter).

      Hier ist noch eine Vorbemerkung angebracht. Wie oben erwähnt, mangelt es den Sinologen an einer fundierten Theorie, was zur Folge hat, dass sie nicht nur vormoderne und moderne Kategorien verwenden, vielmehr lassen sie, auch das wurde schon erwähnt, aus den »vormodernen Fetischverhältnissen« moderne Kategorien hervorgehen und dies ohne jeglichen stichhaltigen Beweis. Wenn an dieser Vorgehensweise vom Standpunkt der hier vertretenen Theorie radikale Kritik geübt wird, bezieht sich diese Kritik keinesfalls auf die Personen, deren Publikationen ich zur Analyse ausgewählt habe. Dazu noch einmal Marx:

      „Wir werden überhaupt im Fortgang der Entwicklung finden, dass die ökonomischen Charaktermasken der Personen nur die Personifikationen der ökonomischen Verhältnisse sind, als deren Träger sie sich gegenübertreten“ (MEW 23, S. 100).

      Abschließend muss noch auf einige Formalia hingewiesen werden. Die Publikationen und der Verweis auf einzelne Kapitel etc. werden kursiv gesetzt. Vormoderne Kategorien und Begriffe, die damit in Verbindung gebracht werden können, sind durch »…« gekennzeichnet, moderne Kategorien werden kursiv gesetzt. Begriffe, die sowohl auf die Vormoderne und auch auf die Moderne zutreffen, werden »kursiv« gekennzeichnet, z.B. »Fetischverhältnisse« als allgemeiner Oberbegriff – gedacht als kleine Hilfe, damit der geneigte Leser sich nicht im Dschungel der differenten Kategorien verläuft.

      Einleitung

      Im Vorwort zu seinem posthum veröffentlichten Essay Geld ohne Wert. Grundrisse zu einer Transformation der Kritik der politischen Ökonomie unternimmt Robert Kurz den Versuch, „verschiedene Argumentationsstränge einer grundlegenden Neuinterpretation der Kritik der politischen Ökonomie in einer Art Übersicht oder СКАЧАТЬ