Die Geschichte Chinas als Geschichte von Fetischverhältnissen. Raimund Philipp
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Geschichte Chinas als Geschichte von Fetischverhältnissen - Raimund Philipp страница 2

СКАЧАТЬ Marxsche Begriff des Fetischs, konzipiert für den realmetaphysischen Charakter der kapitalistischen Produktions- und Lebensweise als spezifischer Waren-, Kapital- und Rechtsfetisch, konnte so als Überwindung der soziologistisch und herrschaftstheoretisch verkürzten marxistischen Geschichtstheorie auf die bisherigen historischen Formationen bezogen werden, ohne außer Acht zu lassen, dass es sich dabei um jeweils ganz verschiedene Fetischverhältnisse gehandelt hat, deren je eigener Charakter erst zu untersuchen wäre.

      Der grundlegende Vorteil gegenüber allen anderen geläufigen Geschichtstheorien besteht darin, dass abstrakt-allgemeine Kriterien entwickelt wurden, die es ermöglichen, jede Epoche der Menschheitsgeschichte und jede Kultur zu analysieren. Doch Robert Kurz warnt:

      „Es handelt sich bei diesem Konzept um eine notwendige geschichtstheoretische Abstraktion, die erst durch das historische Material durchgehen muss und nicht unabhängig davon zu beliebigen Schnellschuss-Hypothesen führen kann, schon gar nicht zu einer umfassenden Epochengliederung nach Art der positivistischen Evolutionstheorien oder des ‚Histomat‘“ (Kurz 2007, S. 12; Hervorhebung Kurz).

      Es besteht nämlich eine grundlegende Differenz zwischen der Vormoderne und der Moderne, die von den Historikern und Vertretern anverwandter Wissenschaftszweige, egal welcher Couleur und unabhängig davon, aus welchem Kulturkreis sie stammen, nicht in der letzten Konsequenz wahrgenommen wird, wie dies eigentlich nötig wäre. Die vormodernen Sozietäten waren mindestens seit der Steinzeit bis hin zur beginnenden Neuzeit allesamt »religiös« konstituiert, in welcher Form auch immer. Es herrschte das »transzendente göttliche Prinzip« (Kurz), der »Glaube an übersinnliche Kräfte und Mächte, der die Daseins- und Lebensverhältnisse der Menschen objektiv beherrschte und bestimmte«, wie eindrucksvoll belegt werden kann. Mit der allmählichen Entwicklung des Kapitalverhältnisses im 15. Jahrhundert verliert das »transzendente göttliche Prinzip« langsam aber sicher seine objektive Daseinsberechtigung:

      „In der Moderne verschiebt sich die Fetisch-Konstitution von der transzendent verankerten ‚Gottesbeziehung‘ zur weltimmanenten Wertverwertung (…). Dabei handelt es sich jedoch um eine paradoxe ‚immanente Transzendenz‘, denn die Wertabstraktion als gesellschaftliche Realabstraktion ist nicht weniger ‚übersinnlich‘ als die ganz andere ‚Gottesabstraktion‘. Dieses übersinnliche Wert-Wesen (wie es Marx im Fetischkapitel bestimmt) der qua kapitalistischer Wertverwertung zur offiziellen allgemeinen Reproduktionsform gemachten Warenform ist aber nicht in derselben Weise transzendent wie die vormoderne ‚Gottessphäre‘, sondern ‚diesseitig‘ inkorporiert in die materiellen Warenkörper und damit ‚versachlicht‘. Deshalb konnte die optische Täuschung entstehen, die moderne Gesellschaft sei nicht mehr metaphysisch konstituiert, während tatsächlich die vormoderne religiöse Jenseits-Metaphysik abgelöst wurde durch die moderne Diesseits-Metaphysik des Wert-Abspaltungsverhältnisses“ (Kurz 2006a, S. 14; Hervorh. Kurz).

      Die Widerlegung der Behauptung, dass Staat und Politik charakteristisch für die drei Dynastien war, nimmt soviel Raum ein, dass die radikale Kritik an den wesentlichen Grundkategorien der Moderne, die transhistorisch rückprojiziert und ontologisiert werden, den Rahmen dieser Abhandlung gesprengt hätte. Hinzu kommt, dass manche dieser modernen Kategorien so selbstverständlich auf die Vormoderne angewandt werden, wie z.B. der Begriff der Arbeit, als würden sie zur Natur des Menschen gehören, anstatt diese Kategorien als Zwangsverhältnisse der Moderne zu dechiffrieren. Damit ist nicht gesagt, dass die Menschen der Antike, egal in welcher Kultur sie zu Hause waren, im Paradies gelebt hätten, im Gegenteil:

      „Die andere realmetaphysische Konstitution der vormodernen Sozietäten brachte aber auf ihre eigene Weise brutale Zwänge, Friktionen, Machtverhältnisse, Kriege, Elend usw. hervor, eben weil sie keineswegs auf einer ‚strikten Materialität‘ im Sinne gemeinschaftlich-selbstbestimmter Reproduktion beruhte, sondern auf einer metaphysischen Transzendenz-Bestimmung“ (Kurz 2007, S. 11; Hervorh. Kurz).

      Nichtsdestotrotz wird beispielhaft auf diese modernen Kategorien eingegangen werden müssen, wenn sie das »transzendente göttliche Prinzip« berühren, wie u.a. die Akkumulation von Reichtum oder dass die vormodernen Sozietäten СКАЧАТЬ