Название: Das Netz ist politisch – Teil I
Автор: Adrienne Fichter
Издательство: Автор
Жанр: Зарубежная публицистика
isbn: 9783038053460
isbn:
23 <https://www.golem.de/1106/84139.html> ↵
24 <https://reykjavik.is/en/better-reykjavik-0> ↵
25 <https://www.sueddeutsche.de/politik/island-insel-der-angepassten-1.3726018-2> ↵
Der Jäger der missbrauchten Daten
Der Indiana Jones des Datenschutzes: Paul-Olivier Dehaye half, die Facebook-Skandale zu enthüllen. Der Kampf des Belgiers gegen die Tech-Konzerne begann in der Schweiz. Ein Porträt.
Erschienen in der Republik, 15. Januar 2019
Sie hatten Fragen zu Facebook. Dreimal luden sie Mark Zuckerberg ein. Sie, das waren unter anderem Damian Collins, Alessandro Molon und Catherine Morin-Desailly. Abgeordnete aus Grossbritannien, Brasilien, Frankreich und sechs anderen Ländern[1], die am 27. November 2018 in die britische Hauptstadt angereist waren.
Sie alle hätten gern vom Facebook-Gründer persönlich erfahren, wie es zu den grossen Datenskandalen der letzten Jahre gekommen ist.
Doch der CEO lehnte es zum dritten Mal ab, nach London zu reisen. Deshalb luden sie ihn ein[2]: Paul-Olivier Dehaye.
Dabei ist Dehaye kein Angestellter des Facebook-Konzerns. Er ist auch kein Whistleblower, kein Aussteiger. Er besitzt keine brisanten Insiderinformationen. Eigentlich sind nicht einmal Antworten sein Ding. Sondern Fragen. Er stellt sie grossen Technologieunternehmen. Er verlangt Datenauskünfte bei Facebook, Tinder und Uber. Immer wieder. Hartnäckig[3], unnachgiebig, geduldig.
Der Mathematiker ist einer der gefragtesten Technologieexperten unserer Zeit. Er hilft Journalistinnen bei der Aufklärung von illegalen Datenverstössen. Er unterstützt Abgeordnete dabei, den illegalen Datenhandel der Kampagne Leave.EU der Brexit-Befürworter aufzuklären. Er war es, der den Datenskandal der Firma Cambridge Analytica ins Rollen brachte. Er sass im März 2018 im britischen Unterhaus Seite an Seite[4] mit Whistleblower Christopher Wylie.
Acht Mal taucht der Name Dehaye im Bericht des britischen Untersuchungsausschusses[5] auf. Seine Expertise wird in amerikanischen Gerichtsdokumenten[6] zitiert. Seinetwegen hat Facebook eine der umstrittensten Nutzerinformationen transparent gemacht.
Und dennoch: Nennt man seinen Namen in der netzpolitischen Szene der Schweiz, wo er schon seit über zehn Jahren lebt, ist die Reaktion oft: Paul-Olivier wer?
Wer ist dieser unbekannte Mann, der die wichtigsten Enthüllungen über die Datenkonzerne einfädelte?
Datenschutz für Anfänger
Genf. Paul-Olivier Dehaye sitzt im Impact Hub, einem Arbeits- und Zufluchtsort für Freiberufler. Und er erzählt. Dabei fragt er ständig nach: «Ergibt das Sinn für Sie? Habe ich etwas nicht verständlich genug erklärt?» Er ist es gewohnt, technische Dinge anschaulich zu erklären. Unzählige Male hat er Politikerinnen und Journalisten Dinge erklärt. Es ist ihm wichtig, dass er verstanden wird.
Das Thema Datenmissbrauch ist abstrakt, für viele zu abstrakt. Das weiss Dehaye. Es tut niemandem richtig weh. Deshalb gehen Millionen Menschen so sorglos mit ihren Daten um, als würden sie diese fotokopieren und täglich eine Ladung aus dem Fenster schmeissen.
Dehaye wählt einen anderen Ansatz, einen lokalen: «Wenn wir begreifen, dass alles, was die Technologiekonzerne tun, gegen amerikanische, französische oder britische Gesetze verstösst, wachen die Politiker eher auf.» Und so arbeitet er nächtelang mit Medienschaffenden die nationalen Schlagzeilen heraus.
Das ist sein heutiges Leben. Der ehemalige Mathematikprofessor ist heute so etwas wie ein unabhängiger Rechercheur. Einer, der Medien liebt – und die Arbeit mit ihnen. Begonnen hat das 2015. Damals las er im «Guardian»[7] zum ersten Mal von einer Firma namens Cambridge Analytica. Das Unternehmen besitze Informationen von Millionen von Bürgern und setze diese für militärische Zwecke ein.
Es blieb vorerst bei diesem einen Text. Die Zeitung verfolgte die Spur zu Dehayes Verwunderung nicht weiter. Später erfuhr er, dass der Autor des Artikels nicht mehr dort arbeitete.
Der «Guardian» verlor also das Interesse. Dehaye aber blieb am Thema dran. Und brachte die britischen Behörden auf die Spur. Im August 2016 schrieb er die unabhängige Datenschutzbehörde Grossbritanniens an, das Information Commissioner’s Office. Er fragte, ob sie die Firma Cambridge Analytica auf dem Schirm habe. Mit dieser Nachricht wird die Kommission zum ersten Mal auf das kontroverse Big-Data-Unternehmen aufmerksam. Das war drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen in den USA.
Suche nach den «heissen Daten»
Dehaye stellte weitere Nachforschungen über Cambridge Analytica an. Sie führten ihn zum Schweizer Journalisten Hannes Grassegger vom «Magazin» des «Tages-Anzeigers». Auch Grassegger recherchierte über die Big-Data-Firma. Aus dem Kontakt der beiden entstand ein Text mit dem Titel «Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt»[8]. Mit «Bombe» meinten Grassegger und Dehaye die manipulative Werbemaschine von Facebook, die uns zum gläsernen Wähler macht. Der Artikel wurde im Dezember 2016 weltweit zum viralen Hit. Nach der Publikation machte Dehaye seine Erkenntnisse auf «Medium.com»[9] publik. Zweihundert Journalisten aus der ganzen Welt meldeten sich daraufhin bei ihm.
Das war der Startschuss für Dehayes Netzwerkarbeit. Während sich die Welt im Frühjahr 2017 ihre Meinung über Trumps angebliche «Bombe» machte, fing für Dehaye die Arbeit erst an. Zu viele Fragen waren für ihn noch ungeklärt. Was genau sammelt der Konzern Facebook über uns? Welche Datenströme werden wie miteinander verknüpft? Welche Firmen haben wieso Zugang darauf? Und: Ist das legal?
Dehaye reicht mehrere Anfragen beim grössten sozialen Netzwerk ein. Er gibt sich nicht mit den üblichen Standardfloskeln zufrieden. Er bohrt nach, verwendet das technische Vokabular des Konzerns, ist mit dem rechtlichen СКАЧАТЬ