Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell
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Название: Begegnungen mit Bismarck

Автор: Robert von Keudell

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242683

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СКАЧАТЬ Ankunft kam er zurück und schien so munter und frisch, wie ich ihn seit Jahren nicht gesehen. Er trug einen Jägeranzug von braunem Schafpelz, der mit dem gleichen Pelz gefüttert war. Nach der ersten Begrüßung ging er, ohne an Wechseln des Anzuges zu denken, im Salon auf und ab und sagte, zu mir gewendet:

      „Sie konnten nicht zu den Winterfesten kommen wegen hartnäckiger Erkältungsbeschwerden. Wahrscheinlich, weil Sie zu wenig auf die Jagd gehen. Das Jägerleben ist eigentlich das dem Menschen natürliche. Und wenn man auch nur einen Tag in den Wäldern sein kann, so bringt man doch immer merkliche Stärkung mit nach Hause. Unsere gestrige Jagd freilich war verfehlt. Der Bär kam zwar gerade auf mich los in langsamem Trabe, aber ein anderer Jäger verscheuchte ihn durch einen vorzeitigen Schuß und er ging zwischen den Treibern davon. Dennoch freue ich mich, einmal wieder in der beschneiten Waldwildnis geatmet zu haben. Es geht nichts über Urwälder, in denen keine Spur von Menschenhänden zu finden. In Rußland gibt es deren noch viele, wahre Jägerparadiese. Auch bei Ihrem Vetter Sacken in Dondangen, wo ich vor Jahren zwei Elche schoß, gibt es noch Urwälder. Dort haben Sie ja auch gejagt. In Deutschland gibt es zwar keine großen Urwälder mehr, aber doch herrliche Waldungen in Masse, wo man Erquickung und Stärkung finden kann.“

      Dieser Aeußerungen habe ich mich später erinnert, wenn er als Minister trotz drängender Geschäfte nicht selten Einladungen zu Hofjagden annahm. Das Bedürfnis der Nervenstärkung zog ihn in die Wälder. Die durch den Ausfall eines oder zweier Tage entstandenen geschäftlichen Rückstände schnell zu erledigen, schien ihm immer leicht zu gelingen.

      Abends saßen wir rauchend am Kaminfeuer. Er erzählte von verschiedenen Bärenjagden. „Nur einmal,“ sagte er, „ist ein angeschossener Bär hoch aufgerichtet, mit offenem Rachen, auf mich zugekommen. Ich ließ ihn bis auf fünf Schritte herankommen und gab ihm dann zwei Kugeln in die Brust, wonach er tot hintenüberfiel. Ich hatte dabei keinen Moment das Gefühl, mich in einer Gefahr zu befinden. Hinter mir stand immer der Jäger mit einer zweiten geladenen Doppelbüchse. Die andern Bären, die ich erlegen konnte, fielen unter Feuer, ohne sich aufzurichten. Es ist gewöhnlich eine sehr leichte Jagd, denn der aus dem Winterschlaf aufgeweckte Bär ist noch träge und langsam. Im Sommer jagt man ihn nicht, da wäre er für die Treiber zu gefährlich.“

      In den Wohnzimmern erschienen damals mitunter zwei kleine Bären, deren possierliche Bewegungen Jung und Alt belustigten. Eines Abends war eine irdene Schale mit Milch für eines der Tierchen auf die Thürschwelle des Salons gesetzt. Die Milch war, wie nachher konstatiert wurde, sauer geworden. Der kleine Bär beschnupperte die Schale, holte dann mit der rechten Tatze aus und schlug von der Seite so heftig dagegen, daß die Schale an der nächsten Wand in Stücke sprang. Allgemeine Heiterkeit. – Als Bismarck Petersburg verließ, schenkte er die Bären dem Zoologischen Garten in Frankfurt a. M.

      Hoffeste gab es natürlich in der Fastenzeit nicht; doch hatte ich auf einem Raout bei dem Fürsten Gortschakoff Gelegenheit, den Kaiser Alexander zu sehen und zu hören, wie er sich längere Zeit mit Bismarck unterhielt, zum Teil in russischer Sprache. Ich bezweifle, daß je ein anderer Diplomat dem Kaiser dieses Vergnügen hat bereiten können. Bismarck aber hat während der ganzen Zeit seines Petersburger Aufenthaltes Unterricht im Russischen genommen. Abends, während Musik gemacht wurde, pflegte er immer in einem russischen Buche zu lesen.

      Mit den beiden Knaben, Herbert und Bill, lief ich fast täglich Schlittschuh auf der Newa, bei hellem Sonnenschein und 8‒10 Grad Kälte. Herbert begleitete mich auch mit seinem Hauslehrer, dem Kandidaten Braune, in die kaiserlichen Schlösser und zeigte dort vor historischen Bildern überraschende Kenntnisse in der neuesten Geschichte. Sein Vater hatte die große Güte, mich einmal in eine Gemäldegalerie zu führen, doch schien mir das mehr ein Akt ausgesuchter Höflichkeit als eine Folge besonderen Interesses für die Bilder.

      An dem Mittagessen (6 Uhr) pflegten teilzunehmen der damals schon als Schriftsteller bekannte Legationssekretär von Schlözer (nachmals Gesandter beim Vatikan) und der Attaché von Holstein. Von gelegentlichen Tischgästen darf ich erwähnen einen früheren preußischen Offizier, Oberst von Erckert, der lange im Kaukasus gewesen war und damals in Petersburg ein Infanterieregiment kommandierte, den Staatsrat von Brevern sowie den ehemals berühmten Klavierspieler und Komponisten Adolf von Henselt.

      In politischer Beziehung war Bismarck damals wenig mitteilsam, vielleicht, weil die bevorstehende Versetzung nach Paris und der nicht unwahrscheinliche spätere Einzug in das Ministerium seine Gedanken auf künftige Probleme richteten. Mehrmals erwähnte er, daß er dienstlich in der Vertretung der Interessen der in Rußland lebenden Deutschen „seine Schuldigkeit“ thue, in der europäischen Politik aber keinerlei Initiative nähme und sich passiv verhalte, was den immer auf Intrigen gefaßten Fürsten Gortschakoff sehr befriedigte.

      Als ich nach vierzehntägigem Aufenthalt abreiste, begleitete er mich wieder zum Bahnhof. Dort sagte er: „Ich würde mich über Ihren Besuch noch mehr gefreut haben, wenn ich Ihnen eine Bärenjagd geben und Sie da zu Schuß bringen gekonnt hätte. Aber in den letzten Wochen ist kein Bär gemeldet worden.“

      * * *

      Frau von Bismarck schrieb am 16. April:

      … „An Bismarcks Geburtstag wurden wir von der Großfürstin Helene zu einem kleinen Diner befohlen, worüber ziemliche Verblüffung in der kleinen und großen Familie herrschte. Nach Bismarcks Anordnung gab es hier um 3 Uhr mit sämtlichen Gesandtschaftsmitgliedern (5), Keyserling, Erckert, Kindern und Lehrer fröhliches Geburtstagsfrühstück und um ½ 7 zweite Auflage in Form und Feierlichkeit bei der Großfürstin. Die kleine Verstimmung vergaßen wir bald in Gesellschaft der wirklich strahlend liebenswürdigen Helena, die uns am ganz kleinen runden Tisch um sich versammelte (nur Keyserling, Suwarow und ihre bevorzugte Hofdame Fräulein von Rahden, außer uns) und eine so unbefangene, interessante, lustige Unterhaltung in Gang brachte, als wäre es der intimste Freundeskreis. Nach Tisch verwöhnte sie die passionierten Raucher noch mit ausgezeichneten Cigarren, und als sie uns um ½10 Uhr entließ, wollte sie keinen Abschied nehmen, „weil es ihr zu schwer würde“ … Jetzt werden täglich viele Visiten absolviert, 50 habe ich überwunden, 39 noch vor mir, dazu die wahrscheinlichen Abschieds-Couren in Palais Michael und Leuchtenberg und verschiedene Freundschaftsabende … So viel steht fest, daß wir eine angenehmere, bequemere Stellung wie hier nirgend wieder finden werden – weshalb wir wirklich mit Wehmuth von Petersburg scheiden, trotz Klima und Theuerung – die lieben Schrenck und Bertheau noch gar nicht eingerechnet, von denen der Abschied mir wahrhaft schwer werden wird. … Keyserling ist ein wahres Prachtexemplar innerlich, trotz äußerer Unscheinbarkeit. Er hat einen ganz ungewöhnlich scharfen Verstand und richtiges Urtheil nach jeder Richtung hin; er ist nicht wie ein trockner Gelehrter, sondern wie ein farben- und duftreicher Blumengarten – voll zarter Poesie –, wie man es sehr selten im Leben findet … Ich werde diesen liebsamen Freundschaftsverkehr schmerzlich vermissen, wenn ich mich in Paris oder sonstwo mit den langweiligsten Creaturen abquälen muß.“ …

      Den 30. April.

      … „Vorgestern Gratulationscour und Ball im Kaiserlichen Palais, höchst glänzend und fröhlich für die tanzlustige Jugend. Mir war’s zu voll und zu heiß für meine ehrsamen Jahre. Ich habe mich mit angenehmen Abschiedsregrets von rechts und links unterhalten lassen und meine Augen an den kaiserlichen Diamanten zum letzten Mal geblendet. … Des Kaisers wiederholter Händedruck wie der außerordentlich weiche herzliche Ton seiner wohlklingenden Stimme, mit dem er „aufrichtig lebhaft bedauerte“, daß man uns nicht in Petersburg lassen wollte, hatte wirklich etwas Rührendes. Bismarck hat mehrmals gesagt, daß die herzliche Manier des Kaisers unwiderstehlich sei, was ich nie glauben wollte – aber heute wurde ich selbst ergriffen, besonders bei seinen letzten Worten: „Aber wir bleiben doch immer Freunde, nicht wahr?“ Die Kaiserin war auch sehr freundlich mit huldvollster Umarmung, ebenso die Großfürstinnen Helene, Marie, Konstantine – es ging von einer Umarmung in die andere.“ …

      7Anfangsworte eines beliebten Liedes von Rob. Franz (op. 4 Nr. 7).

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