Название: Begegnungen mit Bismarck
Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242683
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Beim Mittagessen (5 Uhr) erzählte er von seinem Anteil an der Bildung des Ministeriums Brandenburg-Manteuffel genau so, wie die „Gedanken und Erinnerungen“ diese Begebenheiten des Spätherbstes 1848 darstellen.
Die Sitzung dauerte bei Wein und Cigarren ziemlich lange. Dann gab es wieder etwas Musik. In der Nacht fuhr ich nach Mainz, um das Dampfboot zu erreichen, das am frühen Morgen nach Köln abgehen sollte.
* * *
In Paris erfuhr ich, daß das Gesandtschaftsarchiv für mich nicht zugänglich und daß die erwähnte Zusage Usedoms eine unbegreifliche Abweichung von den bestehenden Grundsätzen gewesen sei.
Frau v. Bismarck schrieb mir (22. Januar 1854) nach Paris:
„Am 19. November war bei uns der erste Ball. Der Vortänzer war in der hiesigen Gesellschaft noch nicht sehr bekannt, aber dennoch endigte der Kotillon, wie mir schien, recht heiter. Anfangs Januar hat man wieder bei uns getanzt unter der Leitung unsers ehemaligen Attaché des Grafen Theodor Stolberg, der von den Frankfurter Damen unaussprechlich geliebt wird, und das Vergnügen war deshalb ohne Grenzen. Wahrscheinlich wird noch ein kleines Zauberfest in den nächsten Tagen bei uns stattfinden und zum Schluß ein ganz großes, wozu wir den jugendlichen Grafen wieder entloben möchten, weil wir dann gewiß sind, daß alle Gemüther befriedigt davongehen, wenn der Reigen verhallt ist. Man ist unendlich aufgeregt in diesem Winter, fast jeder Tag bringt eine neue Lustbarkeit mit sich – und wenn ich mich dabei auch wenig anstrenge, so ermüdet’s mich doch schließlich sehr. Ich werde mich deshalb nächstens ein wenig zurückziehen, um nicht ewig dasselbe zu sehen und zu sprechen. Ich finde, man wird schrecklich langweilig durch so viele Vergnügungen und träge dazu. Trotz aller guten Vorsätze spiele ich fast gar nicht, will mich aber ganz gewiß bessern.“
Als ich nach Rom kam, war Usedom auf viele Monate beurlaubt. Meine geschäftliche Neugierde konnte ich daher auch hier nicht befriedigen.
In Sicilien erhielt ich Anfang Juni von Frau von Bismarck die Nachricht, ich würde sie und ihren Gemahl bei meiner Rückkehr (Ende Juli) nicht mehr in Frankfurt finden. Sie schrieb:
„Es ist im Rath der Weisen beschlossen und hundertfach beschrieben und besprochen worden, daß ich Ende Juni mit Sack und Pack, d. h. mit drei Kindern, drei Bonnen, einem Diener und Frl. v. Rekow2, nach Pommern aufbrechen soll, wo ich drei Monate lang durch alle Tonarten hindurch Freundschaft zu schwärmen gedenke. Bismarck3 kann mich leider noch nicht begleiten, aber ich hoffe, er folgt mir im Juli, wo er Ferien zu erpressen hofft, die ich ihm von Herzen gönne, weil er augenblicklich so europa- oder bundesmüde ist, daß seine Klagen einen Stein erbarmen könnten, um wie viel mehr nun mich, sein getreues Ehegemahl. …
„Von unserem Leben läßt sich wenig sagen. Spiel und Tanz sind verklungen und ein Tag geht wie der andre hin ohne bemerkenswerthe Abwechselung, aber sehr angenehm still und ruhig; d. h., nur auf die letzten 8 Tage paßt dies, wo Bismarck wieder einmal fort ist, sonst haben wir gerade auch in diesen Monaten viel Trubel gehabt. Besuch aus Kurland, oder eigentlich aus Italien, aber Kurländer waren es doch, die in ihrem kalten Norden mit manchem Sehnsuchtsseufzer nach italienischem Himmel zurückkehrten. Es tauchen seit zwei Jahren hin und wieder sehr liebenswürdige Universitätsfreunde von Bismarck auf, deren Bekanntschaft mir viele Freude macht; so auch die von Graf und Gräfin Keyserling, die eben vor 8 Tagen einige Zeit hier und immer mit uns zusammen waren … Wenn Sie bei Ihrer Rückreise einen Tag in Frankfurt bleiben, wollen Sie dann nicht Frau v. Eisendecher besuchen, die Sie ja schon kennen? Sie ist sehr liebenswürdig und geistvoll.
„Vielleicht macht es Ihnen auch Vergnügen, die Familie des Malers Professor Becker aufzusuchen, welche sehr intim mit Mendelssohn gewesen sind und mir in diesem Winter, wo ich sie kennen lernte und herzlich lieb gewann, recht viel und oft von Ihrem Freunde erzählt haben. Frau Becker hat für mich eine sehr anziehende Stimme. Ich mag mitunter recht gern die weichen, sanften Melodien ohne Leidenschaft, und solche singt sie sehr hübsch, recht hell und klar und herzerfreuend wie ein stiller, warmer Frühlingsabend. Beckers sind sehr liebe Leute, die ich viel öfter sehen möchte, wenn ich nur könnte.“
Außer zwei damals noch unerwachsenen Kindern bestand diese Familie, die ich 1855 kennenlernte, aus dem Elternpaar und zwei Töchtern, deren einefrüh verstarb (1859), die andere 1861 Herrn Meister heiratete, einen Mitbesitzer der bekannten Höchster chemischen Fabrik.
Für Frau Marie Meister hat seit jener Zeit Frau von Bismarck eine innige Zuneigung bewahrt und auch von Berlin aus vielfach bethätigt.
Mit der erwähnten Frau von Eisendecher, Gemahlin des damaligen Oldenburgischen Bundestagsgesandten und Mutter des heutigen preußischen Gesandten in Karlsruhe, ist Frau von Bismarck ebenfalls lebenslang in heimlicher Freundschaft verbunden geblieben.
Ueber ihre Auffassung der Freundschaft schrieb sie gelegentlich (Mai 1856):
„Wenn ich einen Menschen lieb habe und ihm vertraue – was schadet’s, wenn „falsche falsche Zungen“ ihn verdächtigen wollen – ich laß’ sie reden, solange sie Lust haben, sie mögen erfinden, was ihr schlechtes Herz ihnen eingibt – mich stört’s nie und nimmer – ich freue mich, wenn ich Gelegenheit finde, meine Zunge zur Vertheidigung zu wetzen und wenn man nicht darauf hört – ist’s mir auch gleichgültig, ich weiß doch, was ich weiß – und wo ich einmal Vertrauen gefaßt, da ist’s auch niemals zu erschüttern und wenn eine ganze Welt mit Schmähreden aufstände … Wenn ich einmal Freundschaft zugesagt, so ist’s nicht für einen Tag oder einen Monat oder ein Jahr, sondern für’s ganze Leben – through glory and shame, through sorrow and joy.“
Diese Worte sind Jahrzehnte hindurch buchstäblich bewahrheitet worden. Noch heute leben Frauen und Männer, welche dankbar bezeugen, daß das ihnen geschenkte Wohlwollen der Fürstin durch nichts zu erschüttern gewesen ist.
Am 16. Januar 1855 schrieb Frau v. Bismarck aus Frankfurt:
„Als ich im November hierher zurückkehrte, feierte ich meinen Einzug mit einem großen Ball, der ja scheinbar die allgemeine Zufriedenheit erlangte. Dann war tiefe Stille in der Gesellschaft bis nach Weihnachten, wo sich nur hin und wieder ein Haus durch Geigenstriche und Tanz bemerkbar machte. Aber im Ganzen scheint’s mir, als sei die Lust zu dergleichen Vergnügungen in diesem Winter nicht sehr groß, und ich finde es sehr begreiflich, daß man endlich müde wird, wenn man so viel gesprungen hat, wie ich’s hier drei Winter angesehn. Meine Kräfte würden wahrscheinlich schon nach den ersten zwei Monaten erlahmt sein, wenn ich mich jemals mitwirkend dabei betheiligt hätte. – Ich bin glückselig über diese Gesellschaftsstille, weil ich mich jetzt so viel mehr meinen kleinen Trabanten hingeben kann wie bisher und weil wir überhaupt ein so ruhiges häusliches Leben führen, wie’s nur im einsamen Schönhausen sein könnte. Das hat mir ja, wie Sie wissen, stets mehr zugesagt als der ewige Trubel unter vielen fremden Menschen, wobei doch nie etwas anders herauskommt, als im besten Fall einige oberflächliche Phrasen und im schlimmsten (und häufigsten) zahllose Klatschgeschichten, Empfindlichkeiten u. s. w. …
„Bismarck jagt heute, ich weiß nicht wo, bei Berlin mit Seiner Majestät. Er ist seit 8 Tagen zwischen Berlin und Potsdam in ewiger Bewegung hin und her und gedenkt am 19. wiederzukommen, hoffentlich mit ganz sicheren Friedensnachrichten.“4 …
Frankfurt, August 1855.
… „Bismarck war wirklich recht krank, ich nur etwas, an wehen Augen, und wir sollten beide durchaus nach Kissingen, wozu wir nicht die mindeste Lust hatten, weil ich Eltern und Kinder nicht verlassen mochte und Bismarck durchaus keine Diät halten wollte. So wurde er denn zur Erholung von allem Bundesärger auf Reisen geschickt und ich dazu verurtheilt, hier Brunnen zu trinken, was ich nun auch ganz artig seit drei Wochen СКАЧАТЬ