Die Weisheit der Dichter. Manfred Ehmer
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Название: Die Weisheit der Dichter

Автор: Manfred Ehmer

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Религия: прочее

Серия: Edition Theophanie

isbn: 9783347008762

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СКАЧАТЬ denn das Denken (Sanskr. Manas) gehört nun einmal entscheidend zur Wesenskonstitution des Menschen und musste darum evolutionär herausgebildet werden. Indien, nicht Europa, war hierbei der Vorreiter. „Wenn der Mensch einen Gedanken in seinem Geist hervorbringt, dann geht dieser in seinen Odem, aus dem Odem in den Wind, und der Wind gibt ihn an die Götter weiter“ heißt es in einem heiligen Text. Ein schönes Lied über das menschliche Denken, die Kraft des Manas, ist später unter dem Namen Shiva-Sankalpa-Upanishad unter die philosophischen Texte der Veden aufgenommen worden:

      Das Göttliche, das in die Ferne wandert

      Und immer wieder doch zurückkehr'n muss,

      Von allen Lichtern ist es einzig wahres Licht:

      Das Denken führe mich zu glücklichem Entschluss!

      Durch das die Weisen, heil'ger Werke kundig,

      Vollziehn die Riten und den Opferguss,

      Das als Geheimnis in den Menschen waltet:

      Das Denken führe mich zu glücklichem Entschluss!

      Das als Erkennen, Wille und Bewusstsein

      Im Innern strahlt, von Licht ein Überfluss,

      Und ohne das kein Werk ist zu vollbringen,

      Das Denken führe mich zu glücklichem Entschluss!

      Das, selbst unsterblich, alle die drei Zeiten

      In sich umfasst, vom Anfang bis zum Schluss,

      Durch das das Opfer flammt der sieben Priester:

      Das Denken führe mich zu glücklichem Entschluss!

      In dem die Verse festsitzen wie Speichen

      In einer Nabe sicherem Verschluss,

      In dem die Einsicht aller Wesen wurzelt,

      Das Denken führe mich zu glücklichem Entschluss!

      Das, wie ein Wagenlenker seine Rosse,

      Die Menschen lenkt nach einsicht’gem Beschluss,,

      Das fest im Herzen steht und doch umhereilt:

      Das Denken führe mich zu glücklichem Entschluss!16

      „Das Denken führe mich zu glücklichem Entschluss!“ heißt es hier immer wieder, ein wahrer Hymnus an das Manas-Prinzip des Denkens! Gegenüber der reinen Regelbefolgung einer eher exoterischen, kultisch-rituell ausgerichteten Religion, wie der alte Vedismus zweifellos eine war, findet in diesen Strophen erstmals eine Emanzipation des philosophischen Denkens statt, ein Übergang vom Mythos zum Logos, wie wir ihn im Abendland erst mit dem Auftreten der ionischen Naturphilosophen um 500 v. Chr. in vergleichbarer Form erleben.

      Die Upanishaden sind die ältesten Zeugnisse philosophischen Denkens innerhalb der uns bekannten Menschheits-Geschichte! Da sie aber auf verschiedene Schulen und Denker zurückgehen, lehren sie kein festumrissenes System, sondern bringen die mannigfaltigsten Ansichten zum Ausdruck; neben einem ausgeprägt naturmagischen Denken tritt eine tiefsinnige Mystik hervor, die auf spätere Entwicklungen maßgeblichen Einfluss ausübt. Die Grundanschauungen dieser Upanishaden-Gottesmystik stehen fest. Man könnte sie etwa so zusammenfassen: Die Einzelseele ist ihrem Wesen nach ewig und unsterblich; durch das Gesetz der karmischen Tatfolge gezwungen, irrt sie umher, in den vergänglichen Körpern von Pflanzen, Tieren, Menschen und Göttern gebannt, und kommt dabei innerlich doch nicht zur Ruhe. Einen Ausweg aus dem Kreislauf der Existenzen bietet nur die Erkenntnis, dass das Vergängliche der Seele in Wahrheit nicht angehört – dass die Seele vielmehr mit dem ewigen, seligen Weltgeiste nicht nur verwandt, sondern wesenseins ist. Wer diese höchste Wahrheit erfasst, ist über den Wechselfluss von Leben und Tod hinausgehoben: er wird nicht mehr wiedergeboren, sondern geht in das Absolut-Göttliche, in das Brahman ein.

      Das altindische Verb upa-ni-shad bedeutet „sich nahe bei (upa) jemanden nieder (ni) setzen (sad)“, und das heißt so viel wie „sich verehrungsvoll jemandem nähern“, sich als Schüler und einzuweihender Adept zu Füßen eines Meisters zu setzen. Die Upanishaden sind daher durchweg Einweihungs-Literatur, Verehrungs-Literatur, Meistergespräche, die bestimmte Themen der Esoterik zum Gegenstand haben. Deshalb sind diese Texte, ähnlich den Lehrschriften Platons, meistens in Dialogform abgefasst; wir erleben die Gespräche des Brahmanen Uddalaka Aruni mit seinem Sohn Svetaketu, die Fragen des Königs Janaka an den Weisen Jajnavalkya, seine Unterredungen mit seiner Frau Maitreyi. Dass diese Gespräche unter dem Schleier der Verschwiegenheit stattfanden, dass das dort Mitgeteilte Geheimwissen und Geheimlehre war, leuchtet ein und ist selbstverständlich. Die über 100 Upanishaden-Texte, die seit 750 v. Chr. entstanden sind, werden üblicherweise in drei Gruppen aufgeteilt:

      1. Die ältesten Prosa-Upanishaden;

      2. Die mittleren Vers-Upanishaden;

      3. Die jüngeren Upanishaden der Spätzeit.

      Die Texte der ersten Gruppe, in der altertümlichen Sanskrit-Prosa der Brahmanas abgefasst, enthalten keimhaft die ersten Anfänge der Atman-Brahman-Spekulation, weisen aber durch häufige Bezugnahme auf das Opferwesen starke Berührungspunkte mit der älteren Priesterreligion auf. Gelegentlich sind auch Verse eingeschoben. Die Upanishaden der mittleren Gruppe sind rein metrisch verfasst, also Gedichte im eigentlichen Sinne, und sie zeigen schon durch ihren Wortschatz, dass sich das philosophische Denken sehr vervollkommnet und von den Banden des alten Ritualwesens weitgehend gelöst hat. Die jüngeren Upanishaden erfreuen sich nicht mehr so großen Ansehens, denn in ihnen kommen voll ausgebildete Systeme mit zum Teil sektiererischen Neigungen zu Wort.

      Da das vorliegende Buch von der „Weisheit der Dichter“ handelt, können wir die in Prosa abgefassten Upanishaden übergehen; aus der Gruppe der Vers-Upanishaden seien jedoch zwei Beispiele herausgegriffen. Das erste ist die kleine, aber gehaltvolle Kena-Upanishad, die aus zwei Teilen besteht, einem älteren Prosa-Teil und einem am Anfang stehenden längeren Gedicht, das nur aus der Zeit einer vollendeten Vedanta-Anschauung stammen kann, wie sie uns in der Kathaka- und Isha-Upanishad entgegentritt, mit denen sie deutlich Berührungen zeigt. Ihren Namen hat sie daher, dass sie mit dem Wort kena beginnt, „Wodurch“: sie fragt nach dem allgemeinen Grund für Geist, Rede, Sinneswahrnehmung. Als dieser allgemeine Grund wird das Selbst erkannt, das mit dem Weltgeist Brahman identische Atman. Aber nicht der von den Menschen verehrte, mit Eigenschaften versehene, im Gebet angesprochene Brahmagott ist hier gemeint, sondern etwas gänzlich Absolutes, Transzendentes, Verstand und Rede Übersteigendes, mit Sinnen nicht Wahrnehmbares, etwas Unbegreifbares, das nur durch Paradoxien ausgedrückt werden kann. Die Paradoxie des Göttlichen steigert sich zu der Aussage, dass das attributlose Brahman nicht erkannt werden kann: „Nur der kennt es, der nicht erkennt“; es kann nur in mystischer Versenkung erlebt werden. Die Strophen des ersten Teils der Kena-Upanishad möchte ich nun in einer eigenen poetischen Nachdichtung folgen lassen.

      Woher ward einst der Geisthauch ausgesandt?

      Wer hat den Odem einst in Tätigkeit versetzt?

      Wer hat die Rede, die wir sprechen, ausgesandt?

      Wer ist der Gott, der Aug' und Ohr bewegt?'

      Des Ohres Hören und des Denkens Geist,

      Der Rede Wort und auch des Atems Hauch,

      Des Auges Sehn' – der Weise gibt es auf;

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