Die Weisheit der Dichter. Manfred Ehmer
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Название: Die Weisheit der Dichter

Автор: Manfred Ehmer

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Религия: прочее

Серия: Edition Theophanie

isbn: 9783347008762

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СКАЧАТЬ Welt? Sind wir nicht vielleicht gar Zauberer, Magier des Wortes? Ist nicht jeder Dichter im Grunde ein – Wortmagier?

      Dichtung, Magie und Mythos sind eng miteinander verwandt; auch das Märchen stammt aus gleicher Quelle; sie alle sind vielleicht Erinnerungen an die goldenen Tage einer glücklichen, götterumsorgten Menschheits-Kindheit. So schrieb auch Novalis: „Der Sinn für Poesie hat viel mit dem Sinn für Mystizism gemein. Es ist der Sinn für das Eigentümliche, Personelle, Unbekannte, Geheimnisvolle, zu Offenbarende, das Zufällig-Notwendige. Er stellt das Undarstellbare dar. Er sieht das Unsichtbare, fühlt das Unfühlbare. Kritik der Poesie ist ein Unding. Schwer schon ist zu entscheiden, (…) ob etwas Poesie sei oder nicht. Der Dichter ist wahrhaft sinnberaubt – dafür kommt alles in ihm vor. Er stellt im eigentlichsten Sinn das Subjekt-Objekt vor: Gemüt und Welt. Daher die Unendlichkeit eines guten Gedichts, die Ewigkeit. Der Sinn für Poesie hat nahe Verwandtschaft mit dem Sinn der Weissagung und dem religiösen, dem Sehersinn überhaupt. Der Dichter ordnet, vereinigt, wählt, erfindet – und es ist ihm selbst unbegreiflich, warum gerade so und nicht anders.“3

      Wer sichert den Olymp? Vereinet Götter?

      Des Menschen Kraft, im Dichter offenbart.4

      So heißt es in Goethes Faust, Vorspiel auf dem Theater. Noch einen Schritt weiter geht der japanische Samurai-Dichter Ochiai Naobumi (1861–1903), der bekennt:

      Wenn in der Nacht

      Einsam ich aufwache

      Und aus tiefer

      Seele meine Verse sinne:

      Dann bin auch ich ein Gott.5

      Was ist ein Gedicht, diese seltsamste aller sprachlichen Offenbarungen? Niemand wird dieses Rätsel lösen können. Rudolf Hagelstange hat dennoch versucht, mit bebender Seele eine Antwort zu geben: „Ist es der Flaum von eines Vogels Brust, die Schuppe eines Fisches, das sinkende Blatt einer Rose? Das Winken eines seidenen Tuches, der Seufzer einer Liebesnacht? Der Kuss auf eine verblichene Stirn? Vielleicht ist es dies: ein kleiner Kristall, in dem alles Licht sich gesammelt hat, das unsere Tage erhellt. Eine Träne, die ins feste Gebild flüchtet, um nicht verloren zu sein. Träne der Freude, Träne der Trauer.“6

      Und Hugo von Hofmannsthal lässt sein Gespräch über Gedichte in die folgende Betrachtung ausklingen: „Wovon unsere Seele sich nährt, das ist das Gedicht, in welchem, wie im Sommerabendwind, der über die frischgemähten Wiesen streicht, zugleich ein Hauch von Tod und Leben zu uns herschwebt, eine Ahnung des Blühens, ein Schauder des Verwesens, ein Jetzt, ein Hier und zugleich ein Jenseits, ein ungeheures Jenseits. Jedes vollkommene Gedicht ist Ahnung und Gegenwart, Sehnsucht und Erfüllung zugleich. Ein Elfenleib ist es, durchsichtig wie die Luft, ein schlafloser Bote, den ein Zauberwort ganz erfüllt; den ein geheimnisvoller Auftrag durch die Luft treibt: und im Schweben entsaugt er den Wolken, den Sternen, den Wipfeln, den Lüften den tiefsten Hauch ihres Wesens….“7

      Die neun Musen –

      ein Einweihungsweg

      Von den Musen will ich beginnen, von Zeus und von Phoibos.

      Stammen doch von den Musen und von Apollon, dem Schützen,

      Alle Liedersänger und alle Harfner auf Erden,

      Könige aber von Zeus. O selig, wen immer die Musen

      Lieben; denn süßer Gesang wird seinem Munde entströmen.

      Heil euch, Töchter des Zeus, schenkt Ehre meinem Gesange,

      Ich aber werde eurer und andrer Gesänge gedenken.8

      Homerischer Hymnus

      Die Musen, diese göttlichen Schutzgeister der Dichter, die in der Antike so oft angerufen wurden, galten gemeinhin als die Töchter des Zeus und der Mnemosyne; dabei ist Zeus esoterisch gesehen der kosmische Allgeist und Mnemosyne (Erinnerungsvermögen) das Weltgedächtnis oder – mit einem indischen Ausdruck – die Akasha-Chronik. Akasha bedeutet so viel wie Äther. Wir können uns die Akasha-Chronik vorstellen als einen unendlich dünnen feinstofflichen Film, aus der Substanz des Weltenäthers gewoben, der alle Eindrücke aus der physischen Welt empfängt und für alle Ewigkeit in sich aufspeichert. Alle Taten, die je begangen wurden, alle Gedanken, die je gedacht wurden, hinterlassen einen solchen bleibenden Eindruck in der Akasha-Chronik. Hellsichtigen Menschen, nicht Medien, sondern geschulten Eingeweihten, ist es möglich, in der Chiffrenschrift der Akasha-Chronik die Geschehnisse vergangener Perioden zu erkennen.

      Alle Dichter, Seher, Propheten und Eingeweihten schöpfen aus der Kraft des Weltgedächtnisses, der Welterinnerung, personifiziert als Mnemosyne, die Mutter der Musen. Denn wie sonst könnten die Dichter und Sänger die Taten der Vergangenheit verherrlichen, wenn sie diese nicht in plastischen Imaginationen vor ihrem geistigen Auge sähen? Und vergessen wir nicht: Die Akasha-Chronik, die oben im Äther schwebt, ist ja kein „Buch“ im üblichen Sinne, schon gar kein geschriebener Text, sondern ein reines Bilder-Gedächtnis. Aus der Ebene der Akasha-Chronik empfängt der Dichtende seine zentralen Inspirationen, die er unter Mithilfe der Musen in machtvolle Sprachbilder umwandelt. So wirken die Musen als Mittler: sie tragen die Bild-Inhalte des Weltgedächtnisses in das Bewusstsein des Dichters hinein; und dort werden diese Inhalte in Gedankenformen gekleidet, damit sie an andere Menschen (in metrisch gebundener Form) weitergegeben werden können.

      In diesem Sinne wirkt der Dichter als Brücke zur Geistigen Welt; seine eigentliche Aufgabe ist Brückenbau. Die Musen, als die ausführenden Organe des Weltgedächtnisses (Töchter der Mnemosyne), üben bei diesem Amt geistigen Brückenbaus eine wichtige Funktion als Helfer, Mittler und Überbringer aus. In der griechischen Antike dachte man sich die Musen immer in Gruppen auftreten: da gab es die Pierischen Musen, die in Pierien östlich des Olymp wohnten, nahe den Göttern; dann die Boiotischen Musen am Berge Helikon in Böotien; dann als dritte Gruppe die Delphischen Musen, die am Parnass bei Delphoi lebten, in der Nähe der berühmten Orakelstätte. Auf ihren Wohnplätzen, geheiligten und magischen Orten, oft an Quellen oder Bächen gelegen – die Musen tragen auch etwas Quellnymphenhaftes an sich –, sangen und tanzten sie, häufig angeführt von ihrem göttlichen Schutzherrn Apollon Musagetes ( = der Musenführer). Apollon bedeutet den geistig-göttlichen Sonnen-Logos. Er war zugleich Besitzer der Lyra und insofern Schutzpatron der Dichter und Leierspieler.

      So unterstand die Dichtkunst in ältester Zeit waltenden Göttermächten. Ursprünglich nur auf drei beschränkt, treten die Musen schon bei Homer als neun Schwestern auf, wobei jede einzelne über eine bestimmte künstlerische Funktion zu wachen hatte und mit einem entsprechenden Symbol verknüpft wurde. Man kann die neun Musen durchaus als Stufen eines Einweihungsweges verstehen, an dessen Ende die Vereinigung mit dem Weltengedächtnis steht, das Lesen in der Akasha-Chronik. Die Anrufung der Musen bei Beginn einer künstlerischen Arbeit war seit Homer ein weithin gepflegter Brauch, der später auch an Stätten geistigen Lebens, wie Schulen,

      Philosophenkreise, geübt wurde. Die Namen der Musen und die ihnen zugeordneten Bereiche sind:

EratoLiebesdichtung
EuterpeMusik
Kalliopeepische Dichtung
KleioGeschichte
MelpomeneTragödie
Polyhymniafeierlicher Gesang
TerpsichoreTanz
ThaleiaKomödie
UraniaAstronomie

      Ein mythisches Wesen, das mit den Musen in engem Zusammenhang steht, ist der Pegasos, jenes wundersame Flügelpferd, auf dem Bellerophon einst zu den Göttern hinaufreiten wollte. Vom Pegasos wird berichtet, dass durch seinen СКАЧАТЬ