Название: Die Weisheit der Dichter
Автор: Manfred Ehmer
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Религия: прочее
Серия: Edition Theophanie
isbn: 9783347008762
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Die Poesie des Rig-Veda ist eine bereits hochentwickelte Kunstdichtung mit stark höfischem Grundzug; die Lieder sind von priesterlichen Sängern im Dienste von Fürsten geschaffen worden, die ihnen ihre Werke mit reichen Gaben – Rindern und Rossen, Gold und Edelsteinen – belohnten. Als ein Beispiel für die zutiefst naturnahe Götterlyrik der vedischen Zeit sei hier der Hymnus an die Göttin der Morgenröte wiedergegeben.
In Majestät aufstrahlt die Morgenröte,
Weißglänzend wie der Wasser Silberwogen.
Sie macht die Pfade schön und leicht zu wandeln
Und ist so mild und gut und reich an Gaben.
Ja, du bist gut, du leuchtest weit, zum Himmel
Sind deines Lichtes Strahlen aufgeflogen.
Du schmückest dich und prangst mit deinem Busen
Und strahlst voll Hoheit, Göttin Morgenröte.
Es führt dich ein Gespann mit roten Kühen,
Du Sel'ge, die du weit und breit dich ausdehnst.
Sie scheucht die Feinde, wie ein Held mit Schleudern,
Und schlägt das Dunkel wie ein Wagenkämpfer.
Bequeme Pfade hast du selbst auf Bergen
Und schreitest, selbsterleuchtend, durch die Wolken.
So bring uns, Hohe, denn auf breiten Bahnen
Gedeihn und Reichtum, Göttin Morgenröte.
Ja, bring uns doch, die du mit deinen Rindern
Das Beste führest, Reichtum nach Gefallen!
Ja, Himmelstochter, die du dich als Göttin
Beim Morgensegen noch so mild gezeigt hast!
Die Vögel haben sich bereits erhoben
Und auch die Männer, die beim Frühlicht speisen.
Doch bringst du auch dem Sterblichen viel Schönes,
Der dich daheim ehrt, Göttin Morgenröte!12
Der Atharva-Veda enthält außer dem in Prosa abgefassten Sechstel Hymnen, die zu sehr verschiedenen Zeiten entstanden sein müssen. Im Mittelpunkt steht jedoch weithin die Magie: Bannsprüche und Zauberformeln sind darin zu finden, böse Dämonen sollen abgewehrt, Krankheiten kuriert, Vorteile der verschiedensten Art wie Liebesglück, Sieg im Kampf sollen erlangt werden. Daneben kommen ansatzweise schon erste philosophische Spekulationen zum Ausdruck, noch zaghaft, fragend, suchend, erste Morgendämmerung eines noch nicht ganz zur Entfaltung gekommenen mentalen Bewusstseins. Bemerkenswert in dieser Hinsicht ist der Hymnus an den Zeitgott Kala, der sich an die Zeit, also nicht mehr an eine sinnlich in Erscheinung tretende Naturmacht oder Naturgottheit, sondern an eine Abstraktion wendet; einige Verse daraus sollen hier mitgeteilt werden:
Der Zeitgott eilt, ein Ross mit sieben Zügeln,
Er altert nie und sieht mit tausend Augen.
Die Weisesten besteigen seinen Wagen,
Und alle Wesen ihm als Räder taugen.
Mit sieben Rädern, sieben Naben fährt er,
Unsterblichkeit ist Achse seinem Wagen,
Er bringt die Dinge alle zur Erscheinung,
Als erster Gott lässt er dahin sich tragen.
Auf seinem Wagen steht ein Krug zum Spenden,
Wir sehn ihn überall, wo wir auch wohnen,
Er spendet allen Wesen. Alle sagen:
Er ist der Herr der höchsten Himmelszonen.
Zustande bringt er alles, immer hat er
Als der Allüberwinder sich erwiesen;
Als Vater ist zugleich er Sohn geworden,
Drum gibt es keinen Mächtigern als diesen.13
Der Vedismus, die älteste Religion Indiens, war eine Volksreligion mit stark polytheistischer, ja pandämonistischer Prägung, ganz der Welt zugewandt, deren Güter als im höchsten Maße begehrenswert erschienen, und mit Göttern, die dem Weltganzen in geheimnisvoller Immanenz innewohnten. Aus diesem so ganz diesseitszugewandten Vedismus erwuchs im Laufe der Zeit die Frage nach dem Einen, die Hauptfrage der indischen Religion, die ihre Antwort zuletzt in einer Einheitsmystik findet. Aus der Schar der vielen Welt-Götter, die zunächst alle gleichwertig nebeneinanderstehen, heben sich allmählich einzelne große Göttergestalten heraus; dabei entsteht wie von allein die Frage, wer denn der größte aller Götter sei. Dies ist, religionsgeschichtlich gesehen, ein erster Schritt vom Polytheismus zum Monotheismus, der aus einer religiösen Einheitsahnung erwächst, indem er die vielen göttlichen Numina zu einer einzigen, universalen Göttergestalt zusammenwachsen lässt.
Im jüngeren Rig-Veda nimmt das göttliche Eine schon ausgesprochen unpersonale Züge an; es ist ein nur in mystischer Versenkung zu erlebendes göttliches All-Eines, nicht ein personaler Schöpfergott. Das Eine, von dem das folgende Gedicht handelt, ist nicht mehr Teil der Welt, sondern besteht vor allem Gewordenen, das aus ihm überhaupt erst hervorgeht. Die immer wiederkehrende Frage: „Wer unter den Devas (Göttern) ist es, den wir mit Opferguss ehren?“ besagt, dass hier der fromme Dichter fragt, welcher von den bekannten vedischen Göttern dem einen namenlosen „Gott über allen Göttern“ am ehesten entspricht. Es geht nicht bloß darum, wer der größte unter den Göttern ist, sondern hier hat die fromme Ahnung bereits erkannt, dass alle Götter nur ein Gott sind.
Am Anfang stieg empor das goldne Glanzkind,
Es war des Daseins eingeborner Meister;
Er trug die Erde, trug den Himmel droben:
Wer ist der Gott, den wir mit Opfern ehren?
Der uns das Leben gibt, der uns die Kraft gibt,
Dess' Machtgebot die Götter all' gehorchen,
Dess' Schatten die Unsterblichkeit, der Tod sind:
Wer ist der Gott, den wir mit Opfern ehren?
Er, der in Majestät vom höchsten Throne
Der atmenden, der Schlummerwelt gebietet,
Der aller Menschen Herr und des Getieres:
Wer ist der Gott, den wir mit Opfern ehren?
Er, dessen Größe diese Schneegebirge,
Das Meer verkündet mit dem fernen Strome;
Dess' Arme СКАЧАТЬ