Название: Der kahle Berg
Автор: Lex Reurings
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Спорт, фитнес
isbn: 9783957260505
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Mont Ventoux – Höhe: 1.909 Meter; geografische Koordinaten: 44° 10’ 26’’ N, 5° 16’ 38’’ O. Woher hat das etwa 25 mal 15 Kilometer große Massiv an der Grenze der Départements Drôme und Vaucluse, etwa 40 Kilometer nordöstlich von Avignon gelegen, seinen Alltagsnamen, so wie er im Michelin-Führer steht?
Die offensichtlichste Erklärung hat mit dem Französischen le vent zu tun: der Wind. Mont Ventoux bedeutet in dieser Interpretation »windiger Berg« oder »windumtoster Berg«. Diese Erklärung kommt nicht von ungefähr. Jeder, der schon einmal inmitten eines starken Mistrals1 an der Spitze der Mondlandschaft gestanden hat, wird diese Erklärung sehr plausibel finden. Und wenn wir die meteorologischen Daten und Fakten betrachten, bestätigt sich, was viele Radfahrer während ihrer Plackerei bergauf persönlich erlebt haben: Auf dem Ventoux kann es gehörig toben; die D 974 heißt 70 Meter unterhalb des richtigen Gipfels nicht umsonst Col des Tempêtes oder »Pass der Stürme«. Hören wir also besser gut auf die Warnungen, wenn das Wetterinstitut »starke Windböen mit Spitzen von 120 bis 150 km/h« kommen sieht; auf dem Ventoux wurden als Rekord schon 320 km/h gemessen.
Die zweite Erklärung für den Namen Ventoux ist etwas subtiler. Das Wort Ventoux geht möglicherweise zurück auf das Keltische des ersten oder zweiten Jahrhunderts, die Sprache des Stammes, der damals in diesen Gegenden lebte. Bodenfunde auf dem Gipfel des Berges deuten auf die Möglichkeit hin, dass die Kelten dort den Berggott Vintur verehrten. Dessen Name soll sich von ven-topp ableiten, was so viel wie »schneebedeckter Gipfel« bedeutet. Der Vorsilbe ven wird übrigens auch die Bedeutung »weithin sichtbare Anhöhe« zugeschrieben. Dies sind durchaus nachvollziehbare Bezeichnungen für einen Berg, der von November bis Ende März/Anfang April unter einer Schneedecke begraben liegt und auch im Sommer eine glänzend weiße Spitze besitzt. Auch im Juli oder August kann hier noch mal kurz Schnee fallen und es ist alles andere als ungewöhnlich, wenn Ende Mai/Anfang Juni in einer schattigen Ecke an der Nordflanke des Massivs noch Schnee liegt.
Eine dritte »Übersetzung« des Namens Mont Ventoux, die ebenfalls mit der Götterverehrung auf dem Gipfel zusammenhängt, soll, so meinen einige, »Berg aller Geister« lauten. Wer die Wahrheit kennt, soll es sagen.
Die Höhe
Die Höhe des Ventoux war im Laufe der Jahrhunderte recht variabel, wenn man den Messungen vertrauen darf. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts glaubte man den Gipfel auf 2.027 Metern Höhe, später kam man auf 1.976 Meter, auf 2.019 Meter und im Jahr 1823, sehr genau, auf 1911,4 Meter. Im Jahr 1882 wurden 1907,870 Meter gemessen – ja, auf den Millimeter genau. Die französische Luftwaffe gibt an, dass der Ventoux 1.912 Meter hoch ist. Diese Höhe nannte auch das Schild, das bis vor einigen Jahren über dem »Laden« hing, obwohl man hier bei genauerem Hinsehen noch undeutlich 1.909 Meter lesen konnte, die Höhe, die sich auch auf den berühmten Michelin-Karten findet.
Das Schild an dem prosaischen Pfosten gegenüber dem Laden behauptete 2010, dass der Berg 1.910 Meter hoch sei, fand aber 2012 heraus, dass der Gipfel auf 1.912 Metern Höhe liegt. Mitte 2015 gab es ein neues Schild … und somit eine neue Höhe: 1.911 Meter. Gegenüber, direkt am Fuße des weißen Turms, ist der Netzbetreiber Télédiffusion de France (TDF) auf einem Schild nahe des Eingangs zum Centre émetteur du Mont-Ventoux der Meinung, dass es genau 1.900 Meter sein müssen. Guy Gérard Durand2, der ein Buch über die Historie von Bedoin geschrieben hat, nennt 1.907 Meter. Die Wanderkarte des IGN gibt 1.910 Meter an. Und die Tour de France? Die schickt die Fahrer hinauf auf 1.895 Meter.
Und sie liegt damit tatsächlich am nächsten dran. Das wissen wir seit Juni 2016. Am 10. Juni jenes Jahres haben nämlich géomètres-experts de la chambre départementale du Vaucluse, die Landvermesser des Départements, ihre Ausrüstung am Gipfel aufgebaut, und inzwischen wurde das Ergebnis ihrer Berechnungen offiziell bestätigt, und zwar vom Institut national de l’information géographique et forestière – so heißen inzwischen, seit ihrem Zusammenschluss zum 1. Januar 2012, das Inventaire forestier national (IFN) und das Institut géographique national (IGN, bekannt von den gleichnamigen Karten). Der Col du Mont Ventoux, die asphaltierte Straße vor dem »Laden«, ist von nun an 1897,10 Meter hoch. »Bis auf weiteres«, wäre man geneigt zu sagen…
Es heißt, dass die Verwaltung des Départements Vaucluse nun oben auf dem Gipfel die richtige Höhe angeben wird. Dies ist zum Zeitpunkt der Recherchen für diese Ausgabe von Der kahle Berg allerdings noch nicht geschehen. Am 16. Mai 2017 wurde jedoch ein neues Schild mit einer neuen Höhenangabe – 1.909 Meter – angebracht, nachdem das alte Schild mit der Höhenangabe 1.911 Meter seit Januar desselben Jahres verschwunden war. Im Sturm davongeweht? Oder abgenommen, um es zu ersetzen? Von Souvenirjägern gestohlen? Das Verschwinden führte jedenfalls zu einer eigenen Twitter-Kampagne unter dem Hashtag #touchepasamontventoux (Hände weg vom Mont Ventoux) mit zahlreichen Bildern des Höhenschildes oder eines seiner Vorgänger. Der Initiator hoffte, dass dies den Dieb davon überzeugen würde, das Schild zurückzubringen…
Nach der Arbeit der géomètres-experts hat sich jedoch bisher noch nichts geändert. Das Schild an dem Pfosten am Rande des Aussichtsplateaus zeigte zuletzt noch immer 1.909 Meter an. Gut für das Ego aller Radfahrer, die die Plackerei auf sich genommen haben. »Locker über 1.900 Meter« klingt bei der Berichterstattung an der Heimatfront nun mal etwas beeindruckender als »nicht ganz 1.900 Meter«.
Aber, ach, worüber machen wir uns Sorgen. Jeder, der nach vollbrachter Tat irgendeine Zahl in der Nähe von 1.900 Metern erwähnt, liegt der Wahrheit bedeutend näher als die Menschen im Mittelalter, als man noch glaubte, der Ventoux wäre 6.000 Meter hoch…
All diese Unterschiede sind darauf zurückzuführen, dass nicht jede Messung auf dem gleichen Nullpunkt basiert und dass manche Vermesser die »Passhöhe« – in diesem Fall also das asphaltierte Gipfelplateau, die D 974 – nehmen, während andere die absolute Spitze des Berges messen. Und dann stellt sich die Frage, was Kartografen, Straßenverwaltungen und andere mit diesen Daten machen. Wenn die Pläne zur »Neugestaltung« des Ventoux durchkommen, soll auch die eher inkonsequente Beschilderung entlang der verschiedenen Zufahrtsstraßen erneuert werden. Man sollte es hoffen…
Abschließend noch einige weitere Messdaten aus dem Bericht der géomètres-experts. Das Chalet Reynard liegt auf 1.417,75 Metern Höhe, die Kurve bei Saint-Estève auf 529,91 Metern und der Start in Bedoin auf 309,39 Metern.
Die Entstehungsgeschichte
Der Mont Ventoux ist aus geologischer Sicht gar nicht mal so alt. Vor etwa 60 Millionen Jahren schoben sich tief unter der Provence Erdschichten wie wandernde Eisschollen gegen- und übereinander. Ähnlich wie bei einem DIN-A4-Blatt, dessen Ober- und Unterkante man auf einer ebenen Fläche aufeinander zubewegt, sodass sich eine Falte erhebt, entstanden durch diese Erdaktivität verschiedene in Ost-West-Richtung verlaufende Gebirgszüge wie die Pyrenäen, die Baronnies, die Montagne de Lure, der Luberon, die Alpillen und eben auch das Massiv des Mont Ventoux. Die Nordseite des Ventoux ragt steil und schroff in die Höhe. Auf der Südseite indes erhebt sich der Berg viel allmählicher aus der Ebene – zum Plateau de Vaucluse hinab erstrecken sich sanft abfallende, von der Sonne verwöhnte Hänge.
Ein markantes Merkmal des Berges ist natürlich der kahle Gipfel. Wie der Untergrund des gesamten Vaucluse besteht er aus Kalkstein. Kalkstein ist das Sediment, das sich im flachen Meer, das vor Hunderten Millionen Jahren die gesamte Provence bedeckte, abgelagert hat. Als sich das Wasser später zurückzog und der Ventoux sich zu erheben begann, nahm er den einstigen СКАЧАТЬ