Der kahle Berg. Lex Reurings
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Название: Der kahle Berg

Автор: Lex Reurings

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Спорт, фитнес

Серия:

isbn: 9783957260505

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СКАЧАТЬ Erkundungstour in der Gegend zu unternehmen, ein wenig um den Berg herum.

      Sommer 2000. Irgendwann während unserer gemeinsamen Trainingsausfahrten im Sommer des Jahres 2000 fragt mich Karel: »Wie wär’s, Willem, sollen wir nächstes Jahr mal zum Mont Ventoux fahren?« Unser Freund Wim ist dort im Juli sehr schön gefahren und seine Erzählungen haben das Feuer, das in Karel und mir schon längere Zeit glomm, aufs Neue entfacht. Als Jacquie und ich 1997 unseren Urlaub in Bedoin verbrachten, machte der Wächter des Südens großen Eindruck auf mich. Jeden Morgen, wenn ich auf dem Weg zur Boulangerie war, faszinierte mich der kahle Gipfel aufs Neue. Und wo auch immer wir gerade im Vaucluse unterwegs waren, überall schien mir das Observatorium zuzurufen: »Hey, Willem, wo bleibst du? Hol dein Fahrrad, Mann!« Doch leider – leider! – stand es zu Hause und erholte sich von der Vorsaison.

       Und nun fällt plötzlich dieser Name. Mont Ventoux. Huch. Wie verlockend das klingt.

      Während ich so fahre, werde ich jedoch beinahe magnetisch in Richtung Berg gezogen. Ehe ich mich versehe, bin ich mit meinem Rad in Saint-Estève, wo der eigentliche Anstieg beginnt. Ich bin absolut nicht auf eine Kletterpartie vorbereitet. Es ist schon später Nachmittag und ich habe wirklich nicht vor, die Sache durchzuziehen, denn es wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich fahre noch etwa drei oder vier Kilometer weiter und drehe dann um. Ich habe genug gesehen, um zu wissen: Der Anstieg zum Ventoux ist unglaublich hart, aber einen ernsthaften Versuch wert. Wenn ich früh am Morgen starte, habe ich genug Zeit, um bis nach oben zu kommen. Zehn Minuten später bin ich wieder auf dem Campingplatz.

       »Ich kann das Zelt von Ruud haben«, fährt Karel fort, »und wenn wir uns am Steuer abwechseln, können wir in einem Tag in Bedoin sein. Ein Tag für die Hinfahrt, vier Tage Radfahren, ein Tag für die Rückfahrt, so müsste es gehen.« Sein Blick ist leicht amüsiert – er weiß, dass er mich längst am Haken hat, der Gauner.

      Wir haben schon früher einmal darüber gesprochen, denn nach neun Jahren kennen wir die Vogesen inzwischen in- und auswendig. Zwischen Hohwald und Giromagny gibt es nur wenige asphaltierte Straßen, die wir nicht bereits unter den Rädern hatten. Auf dem Schnepfenried hatte ich mir jedoch seinerzeit geschworen, mir den Ventoux aus dem Kopf zu schlagen. Während dieses Anstiegs wurde ich von der Hitze und von Massen von Fliegen gequält, die in meine Nase und hinter meine Brille krochen. Anschließend sagte ich mir: Wenn diese knapp sieben Kilometer mit durchschnittlich zehn Prozent Steigung schon so eine Plackerei sind, was müssen dann erst die 21 Kilometer bis zum Gipfel des Ventoux für eine Folter sein?

      Sonntag, 7. Juli 1996. Heute die verwegenen (Rad-)Schuhe angezogen: Es wird passieren! Das Wetter ist gut: nicht zu heiß, nicht viel Wind. Um acht Uhr sitze ich auf dem Rad; das Wasser spritzt fast aus den Bidons, die Trikottaschen sind mit ein paar Bananen und drei Packungen Sultana gefüllt. Vom Campingplatz fahre ich zuerst zurück nach Bedoin, weil ich vom Brunnen aus starten möchte, dem »offiziellen« Ausgangspunkt für die Auffahrt von der Südseite. Meistens stehen hier einige Radfahrer, aber im Moment ist niemand zu sehen. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, denn ich muss es ja doch alleine schaffen. Ich steige auf, drücke den Startknopf am Tacho und fahre aus dem Dorf heraus wieder in Richtung Campingplatz, denn der liegt direkt an der Strecke.

       Das eine führt zum anderen. Wie ein Haufen kleiner Jungs verbringen wir die folgenden Wochen damit, auf dem Rad Pläne zu schmieden. Natürlich habe ich den Schnepfenried nicht vergessen, aber der Ventoux, das wäre natürlich ein richtiger Berg… Wenn ich es auf meine alten Tage in einem Zug dort raufschaffen würde… Nun, ich habe keinen Zweifel daran, dass ich es irgendwie bis zum Gipfel packen würde, aber in einem Zug? Ohne Pause, ohne einmal abzusteigen? Ich bin zu schwer und habe nicht genug Talent, um das zu schaffen, nehme ich an. Und was für einen Haufen Trainin gich abreißen müsste, um…

      Bis Saint-Estève läuft es prima, dann beginnt der eigentliche Anstieg: neun bis elf Prozent Steigung. Zum Glück ist es nicht heiß, aber ich mache es selbst heiß! Der Schweiß trieft aus meinem Körper und meine Handgelenke sind schwarz vor Fliegen. Ich versuche, sie zu vertreiben, aber es ist den Viechern egal – sie haben einstimmig beschlossen, mich als Mitfahrgelegenheit zu gebrauchen.

      Kilometerlang schlängelt sich die Straße durch den Wald nach oben. Erst nach zehn Kilometern kommt der Gipfel in Sicht und verschwindet plötzlich wieder. Und obwohl es hart ist, fällt es mir bisher nicht wirklich schwer. Nicht absteigen, Lex, sage ich zu mir selbst, sitzen bleiben und weitertreten. Solange sich die Pedale drehen, komme ich voran, und solange ich vorankomme, komme ich dem Gipfel näher. Ich höre es mich selbst sagen, und ich werde es später noch etliche Male sagen. Laut.

      Dienstag, 29. Mai 2001. Um acht Uhr brechen wir mit unseren Rädern am Campingplatz auf, zwanzig Minuten später halten wir am Ortseingangsschild von Bedoin. Wir starten unsere Radcomputer, wünschen uns gegenseitig viel Erfolg, und los geht’s: Auf zum Gipfel! Mehr als einundzwanzig Kilometer, durchschnittlich 7,7 Prozent Steigung, über 1.600 Höhenmeter. »C’est un col qui fait peur«, um mit Tour-Direktor Leblanc zu sprechen. Ich spüre die Anspannung in der Magengegend.

       Jeder fährt sein eigenes Tempo, haben wir abgemacht, also fährt Karel mir sofort davon. Nach nicht mal einem Kilometer, an der Abzweigung nach Flassan, ragt direkt vor mir, stolz in der Morgensonne leuchtend, der Gipfel des kahlen Berges auf. Da muss ich rauf.

      Die erste Trinkflasche ist inzwischen fast leer und ich frage mich, ob ich genug Wasser dabeihabe. Laut meinen Berechnungen müsste ich jetzt fast beim Chalet Reynard sein. Dann hätte ich fünfzehn Kilometer geschafft, also nur noch sechs weitere vor mir.

      Aber was für ein Schlag ins Kontor. Das Chalet Reynard will einfach nicht in Sicht kommen. Wie kann das sein? Mein Tacho zeigt bereits 16 Kilometer an. Hier sollte es laut dem Kletterführer für Radfahrer etwas leichter sein, aber ist dem tatsächlich so? Ha, ist das nicht das Chalet?

      Ja, DAS IST DAS CHALET! Und da ist auch der kahle Gipfel. Jetzt nicht aufgeben, dann wird es gelingen!

       Ich habe meine Pulsuhr ständig im Blick. Die angezeigten Werte schwanken zwischen 155 und 162, genau in der Nähe meiner Schwelle. Wenn ich das durchhalten kann, sollte ich es bis nach oben schaffen können. Einfach nur weiterkurbeln, immer weiter. Sicher, es ist ziemlich steil, und doch läuft es ganz gut. Ich keuche leicht. Wirklich schnell komme ich nicht mehr voran; selbst ein fröhlich flatternder Kohlweißling überholt mich.

      Noch etwa sechs Kilometer. Zu Hause bei einer Tour über die Polder würde ich darüber lachen, aber hier ist das alles andere als ein Klacks. Immerhin, es geht jetzt etwas leichter, denn es ist etwas weniger steil. Nach einem Kilometer zieht die Steigung wieder an. Zum Glück gibt es nicht viel Wind; das gibt mir die Kraft weiterzumachen. Ich kriege die Pedale immer noch irgendwie rum, aber damit ist auch schon alles gesagt. Eigentlich ist es verrückt, aber jetzt, wo ich so weit gekommen bin, ziehe ich die Sache auch durch, bis ich buchstäblich umfalle.

       Am Denkmal für Tommy Simpson, auf 1.770 Metern, spüre ich eine Gänsehaut. Ich tippe mit dem Finger an die Schläfe: Sei gegrüßt, Tommy, sei gegrüßt! Ich werde dafür sorgen, dass ich auf jeden Fall heile oben ankomme.

      Sehe ich dort nicht das Denkmal für Tom Simpson? Dann muss ich noch einen weiteren Kilometer durch diese unwirkliche Mondlandschaft fahren.

      Als ich endlich zur Gedenkstätte komme, halte ich nicht an – ich fahre seit dem Start im Sitzen und ich werde bis zum Ende im Sattel sitzen bleiben! Nun denn, ich sage: »Mach’s gut, Tom«, denn das hat Tim Krabbé früher auch immer getan. Es ist, als ob Tom mir als Dankeschön ein wenig Antrieb verleiht, denn ich beschleunige nun tatsächlich! Wie viele Kurven müssten es noch bis zum Gipfel sein? Ich habe das Observatorium jetzt fortwährend im Blick, aber es kommt einfach nicht näher oder bestenfalls СКАЧАТЬ