Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
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Читать онлайн книгу Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek - Peter Schrenk страница 117

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      Zu spät, sie haben das Dienstgebäude erreicht, wo sie der Tierpfleger erwartet. Benedict streift sich das streng riechende Zeugs über, schlüpft in ein Paar übergroße Gummistiefel und bekommt abschließend noch eine speckige Mütze auf den Kopf gestülpt. Er schüttelt sich. Hoffentlich gibt das keine Herpesbläschen. Der Mann drückt ihm dann noch eine Mistgabel in die Hand, nimmt eine bereitstehende Schubkarre mit Heu, und sie verlassen das Gebäude durch einen anderen Ausgang. Zwischen zwei Gehegen hindurch erreichen sie Augenblicke später eine dichte Baumhecke. Ehe sich Benedict versieht, öffnet sich dahinter unvermittelt eine kaum wahrnehmbare Eisentür, und er stolpert hindurch. Eine Straße, eine dunkel verhangene Limousine mit laufendem Motor und ein offener Wagenschlag, in den er hineingezogen wird. Stolpernd fällt er auf die hintere Sitzbank, die Tür klappt zu, und der Wagen nimmt zügig, aber nicht übertrieben schnell Fahrt auf.

      „Wo soll’s denn hin gehn?“

      Die Antwort des Fahrers, von dem er nur den breiten Rücken sieht, ist nicht besonders erhellend.

      „Ja nje ponimaju!“

      Weitere Bemühungen um Konversation stellt der Hauptkommissar ein und ergibt sich in sein Schicksal. Was sollte er sonst auch machen. Meißner wird das schon richtig organisiert haben, oder ...?

      Lange dauert es dann aber nicht. Der Fahrer öffnet den Wagenschlag wieder, und als Benedict aussteigt, steht er vor einer etwas stockfleckigen Gründerzeitvilla, in deren Inneren er von einer uniformierten Wache in Empfang genommen wird. Diese Uniform! Endlich fällt auch bei ihm der Groschen. Karlshorst! Natürlich! Hier sitzen doch die Iwans! Noch bevor er sich mit diesem Gedanken vertraut machen kann, klopft sein Empfangskomitee an eine Tür und geleitet ihn hinein.

      Welch ein Bild.

      Das Flaggschiff der russisch-türkischen Koalitionsflotte unter voller Takelung feuert eine Breitseite gegen die französischen Inselbefestigungen in der Ionischen See. Eines dieser maritimen Kriegsgemälde in schwerem Goldrahmen, auf denen nichts von Schweiß und Mühsal der misshandelten Kanoniere und Seeleute zu sehen ist. März 1799. Russisch-türkische Streitkräfte erobern die Ionischen Inseln von den Franzosen. In Korfu fallen ihnen ein Linienschiff und eine Fregatte in die Hände. Das seemännische Bravourstück wurde von dem russischen Admiral Fjodor Uschakow, dessen Flagge am Top des Hauptmastes flattert, geführt. Welch ein Bild. An diesem Ort.

      „Gefällt es Ihnen, Herr Benedict?“

      Was für eine Frau.

      Das weiße Gesicht mit den hohen Wangenknochen von blauschwarzem Haar umrahmt, zu einem kleinen Dutt im Nacken gesteckt, versucht es Strenge zu vermitteln, kann aber die Ausstrahlung sinnlicher Weiblichkeit nicht völlig verhindern. Die etwas zu kleine Nase über den vollen Lippen widerspricht dem ernsten Eindruck zusätzlich. Das alles wird überstrahlt von nachtblauen, feucht-samtigen Augen, in denen sich die Farben aller Weltmeere versammelt zu haben scheinen. Auf den Grund dieser Meere zu tauchen ... und obwohl ihre Kleidung, grauer Rock und grauer Pullover, wohl einen uniformen Eindruck vermitteln soll, bringt sie die wundervollen Formen ihres Körpers zur Geltung, dass Benedict der Atem stockt...

      „Nu schto, gefällt es Ihnen?“

      Mit vor leichter Ungeduld gekrauster Nase wiederholt sie die Frage, und er beeilt sich, heftig zu nicken.

      „Ja, ja ... die Schlacht vor Korfu unter Admiral Uschakow!“

      Die Frau runzelt erstaunt die weiße Stirn, aber in ihren Augen beginnen kleine, fröhliche Ostseewellen zu wirbeln.

      „Sie .haben von meinem Ur-Ur-Ur-Großvater gehört? Das ist sehr ungewöhnlich. Oder habe ich eine Ur vergessen?“

      Sie lacht. Ein warmes, gutturales Lachen aus einer heiseren Kehle. Ihr Deutsch klingt bemüht korrekt und ist fast ohne bestimmbaren Akzent. Dann wird Sie wieder ernst. „Ich bin Vera Uschakowa. Mein Dienstgrad ist Major. Sicher hat Ihnen Genosse Meißner gesagt, dass ich Angehörige des KGB bin.“

      Nein. Hatte er nicht, aber er hätte es sich denken müssen.

      „Bitte setzen Sie sich doch endlich, Herr Benedict! Möchten Sie ein Glas Tee?“

      „Ja, sehr gerne!“, sagt der Hauptkommissar mit belegter Stimme und setzt sich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch.

      „Tschai, poschalista!“, ordert sie ins Telefon und fingert dabei eine Zigarette aus der Packung neben sich.

      Aber während Benedict noch in den Taschen seiner Hose unter der Verkleidung nach Streichhölzern fummelt, hat die KGB-Majorin sich schon selbst mit einem Einwegfeuerzeug geholfen.

      „Sie haben da ein kleines Problem und ...“

      Ein Uniformierter bringt ein silbernes Tablett mit zwei dampfenden Teegläsern herein, das er auf dem Rand des Schreibtisches abstellt, und verlässt salutierend das Zimmer.

      Die Uschakowa nimmt sich eine Tasse vom Tablett herunter, aber bevor sich auch Benedict bedienen kann, steht sie auf, geht um den Schreibtisch herum und bringt ihm seine Tasse auf dem Silbertablett. Sie beugt sich zu ihm herunter. Er spürt ihren Atem im Gesicht und einen Wimpernschlag lang fühlt er die Berührung ihrer Brust an seinem Oberarm.

      „Sie riechen gut!“

      „Tut mir leid, das sind diese Sachen aus dem Zoo, die ..."

      „Ach das ... nein, ich meine Ihr Rasierwasser. Das kenne ich gut. Old Spiee. Mein Vater benutzt es. Ich liebe diesen Geruch!“

      Ihr Vater? Wie alt mochte sie sein. So um die Dreißig vielleicht, aber er tat sich da bei Frauen immer schwer. Die Berührung ihrer Brüste durch den Stoff hindurch hatte wie ein Elektroschock auf ihn gewirkt. Ob sie das absichtlich getan hatte? Oder war sie sich der Auswirkungen ihrer eigenartigen „Teezeremonie“ gar nicht bewusst?

      „Also, Ihr Problem, Herr Benedict!“

      Ja, sein Problem. Welches Problem? Ach ja ... das auch.

      „Es ist gut, dass Sie darüber mit dem Genossen Meißner gesprochen haben. Wir haben großes Interesse daran, an die Leute heranzukommen, die Material unserer Archive auf dem freien Markt zu verkaufen versuchen. Und natürlich ist es besonders wichtig für uns, die Verräter aus den eigenen Reihen unschädlich zu machen. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff, sagt man bei Ihnen wohl, aber sie wollen sich auch noch daran bereichern. Das können wir nicht dulden, auf keinen Fall!“

      Bei den letzten Worten hat die Stimme der KGB-Majorin einen harten Klang angenommen, und sie klatscht mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte.

      Wie gebannt starrt Benedict auf die sehnige Hand der russischen Frau. Diese Schreibtischplatte ... was für ein Einfall ... eine KGB-Majorin hier in ihrem Büro, auf dieser Schreibtischplatte ... er muss schlucken und kämpft einen aufopferungsvollen Kampf gegen seine Phantasien.

      „Wie gehen wir in dieser Sache also vor?“ Er scheint diesen Kampf dann doch gewonnen zu haben.

      „Im Laufe des Vormittags werde ich mit unseren Spezialisten einen Operationsplan entwickeln und Sie heute Abend darüber informieren.“

      „Die Leute wollten sich aber heute noch mit mir in Verbindung setzen. Was soll ich denen sagen?“

      „Hm ... halten Sie sie irgendwie hin ... СКАЧАТЬ