Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk
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Читать онлайн книгу Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek - Peter Schrenk страница 105

СКАЧАТЬ was war. Nee, die Sache war unserer Meinung nach wasserdicht. Im wahrsten Sinne des Wortes!“, macht Meißner den Versuch eines abschließenden Scherzes.

      Nicht ganz überzeugt fischt Benedict mit dem Finger eine Fliege aus dem halbleeren Bierglas und wechselt dann das Thema.

      „Nehmen Sie mir meine Neugier bitte nicht übel, aber es beschäftigt mich schon die ganze Zeit: warum hat der Engel Sie eigentlich einen „Kriegsgewinnler“ genannt?“

      Augenblicklich schieben sich Meißners Gesichtszüge wieder zusammen, aber bevor Benedict die Frage zurücknehmen kann, öffnen sich seine Lippen doch zu einer Antwort.

      „Ach, das ist so ’ne typische Wendegeschichte bei uns. Bin erst vor kurzem zum Leiter der MUK befördert worden. Wäre an sich noch lange nicht dran gewesen, aber ... mein Vorgänger war der Klaus Mündermann, Sohn von dem ZK-Mündermann. Der musste ,freiwillig' zurücktreten. Hat auch mit draußen in Wandlitz gewohnt. Und das alles ist ja in diesen Zeiten nu keine besonders gute Empfehlung mehr. War kein schlechter Kriminalist, aber ... jedenfalls bin ich über Nacht sein Nachfolger geworden. Das meinte der Engel. Findet der wohl witzig.“ Spätabends dann fahren sie gemeinsam zurück in die Stadt, und vor dem VP-Heim steigt Meißner sogar noch mit aus dem Wagen.

      „Ich hoffe, dass es Ihnen bei uns gefallen hat.“

      „Es war ein gutes Wochenende. Sehr ... aufschlussreich. Nochmals, vielen Dank für alles. Auch für die Wäsche!“, ruft er Meißners Frau im Wagenfonds zu.

      „Was ich Ihnen noch sagen wollte, Kollege Benedict. Ich weiß, Sie finden den Oberleutnant Engel ja besonders nett. Nicht dass Sie mich falsch verstehen, wir sind schon lange Kollegen, aber seien Sie mit ihm ein bisschen vorsichtig. Mehr möchte ich dazu nicht sagen, gute Nacht!“

      Nachdenklich blickt der Hauptkommissar den Rücklichtern des Meißnerschen Ladas nach, bis dieser um die Ecke verschwindet. Als er die Eingangstür des VP-Heims öffnet, wendet er sich noch einmal zurück und lässt den Blick prüfend über die am Straßenrand geparkten Fahrzeuge schweifen. Als ihm nichts weiter auffällt, zuckt er mit den Achseln und betritt die Eingangshalle des VP-Gäste-heims.

      7

      Die S-Bahn ist voll, aber Benedict erwischt mit seiner „Berliner Zeitung“ doch noch einen freien Platz. Natürlich beschäftigt die Verhaftung von fünf weiteren RAF-Terroristen auf dem Staatsgebiet der DDR die Medien, und am gestrigen Sonntag ist in dieser so unerhörten Zeit wieder mal Unerhörtes geschehen: die NVA-Ehrenposten am Mahnmal für die Opfer des Faschismus Unter den Linden verweigerten ihren Dienst wegen eines Kranzes, den die hierzulande verbotenen Republikaner dortselbst niedergelegt hatten. Aber das alles scheint die Menschen in dieser merkwürdigen Halb-Hauptstadt wenig zu interessieren. Die Gespräche der DDRler bewegen sich hauptsächlich in eine Richtung: Wie ruble ich meine gesparten Alu-Chips in blankpolierte D-Mark um? Und während die Massenmedien den Balanceakt zwischen Aufklärung über Quoten und Kontenumstellung und Anprangerung des Goldenen-Kalb-Getanzes versuchen, drängen sich die Ost-Berliner in langen Schlangen vor Sparkassen, Postämtern und Banken. Auch das Geschubse bei den „freien“ Devisenhändlern mit den gigantischen Umtauschquoten wird von Tag zu Tag hektischer. Die ganze Hauptstadt der DDR scheint zu einer monströsen Wechselstube verkommen zu sein.

      Als Benedict den sicheren Hafen in der Normannen-Straße erreicht hat, schnauft er erleichtert vor sich hin. Froh, den gierigen Geldwechslern da draußen entronnen zu sein, beginnt er mit dem Studium der neuen Raschke-Vorgänge auf seinem Tisch. Die Routine hat ihn wieder, und er notiert fein säuberlich Namen auf seinen Schreibblock, den er beim Verlassen des Hauses wieder von den Bürgerkommiteelern kontrollieren lassen wird.

      Ganser in Düsseldorf wird sich freuen, denn dieser Raschke hat sich ziemlich effektiv in den Kreisen der DDR-Opposition bewegt. Wie ein Fisch im Wasser, kommt Benedict der Leitsatz aus Maos Brevier über den Partisanenkrieg in den Sinn. Aber der hatte das wohl etwas anders gemeint. Wenn die Leute alle wüssten, wer sie da ans Messer geliefert hat... wem sie so manche schicksalhaft scheinende Wende in ihrem Leben zu verdanken hatten ...

      Während des Essens in der Stabskantine setzt sich der Hauptkommissar etwas abseits und blättert, über den Teller gebeugt, in Diana Meißners Buch über Dean Sanger. Gestern Abend hatte er zwar müde noch ein wenig in dem schmalen Bändchen herumgeblättert, sich aber hauptsächlich die Fotos betrachtet.

      Dean Sangers Posen.

      Der Cowboy mit Gitarre, der Fußballspieler, der Motocross-Rider auf der MZ, Dean Sanger hoch zu Ross, auf einer Hängematte am Amazonas, als kerniger Rodeo-Reiter und als „lonesome“ Gunman. Hey, I’m the American hero!

      Und dann wieder diese ganz anderen Bilder. Vor der US-Botschaft in Chile wäscht er 1970 symbolisch das Sternenbanner und wird von chilenischen Soldaten verhaftet. Pressefotografen natürlich dabei. Dean Sanger mit dem Ersten Sekretär des ZK des sowjetischen Komsomol, mit Präsident Allende, Daniel Ortega, Yasir Arafat und Ernesto Cardenal.

      Wie geht das alles zusammen? Hier das aufstrebende Schlagersternchen von Capitol-Records mit dem typisch amerikanischen Hang zur Selbstdarstellung und da der Kämpfer für die Rechte der Unterdrückten und Liebling der sozialistischen Massen. Der Überläufer. Verräter am American way of Life.

      Und auch Ramona Sanger ist auf den Fotos. Ein pummeliger Teenager. Mit smiling Dean vor dem amerikanischen Traum aus Chrom und Weißwandreifen. Er kann kaum eine Ähnlichkeit mit der aufgeregten jungen Dame aus dem Los Angeles des vergangenen Novembers entdecken.

      Nach den Fotos zu urteilen, war das doch ein ziemlich sportlicher Typ gewesen. Und der soll so einfach ertrunken sein? Für Meißner jedenfalls war die Sache klar. Aber wie weit kann man dem Leiter der MUK da trauen? Andererseits, welche Gründe sollte er haben, ein eventuelles Fremdverschulden oder gar eine Beteiligung des MfS zu verschleiern? Jetzt noch?

      „Ich habe ihn noch persönlich erlebt, 1973, bei den Weltfestspielen. Unsern Dean! Draußen in Weißensee!“

      Erschrocken sieht Benedict auf und in die glänzenden Augen der Staatsarchivarin.

      „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

      „Natürlich, gerne.“ Kann er der Dauergewellten wohl schlecht abschlagen. Immerhin sorgt sie für ständigen Nachschub an Raschke-Akten in der Zentralkartei. In den Augen der etwa Fünfzigjährigen liegt immer noch dieser Schimmer. So hatten auch Ingeborg Meißners Augen geglänzt, als sie über Dean Sanger sprach.

      „Das gleiche Buch habe ich auch zu Hause. Sogar mit Widmung!“

      Mein Gott, hatte der denn jedem in diesem Lande persönlich ein Buch gewidmet?!

      „Was ich nicht verstehe, Sie sind doch von der West-Polizei, was interessiert Sie denn an Dean Sanger?“

      „Sie werden lachen, ich bin zufällig in Ihren Akten auf ihn gestoßen СКАЧАТЬ