World Runner (1). Die Jäger. Thomas Thiemeyer
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Название: World Runner (1). Die Jäger

Автор: Thomas Thiemeyer

Издательство: Readbox publishing GmbH

Жанр: Детские приключения

Серия:

isbn: 9783401808840

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      »Das mache ich doch nie«, konterte Farid. »Wenn ich es für gut halte, geht es online. Und das hier ist gut. Saugut. Nicht für einen Moment hätte ich geglaubt, dass du etwas dagegen haben könntest.«

      »Das ist Bullshit und das weißt du«, sagte Tim. »Dein schuldbewusstes Getue heute Morgen. Ich habe sofort gemerkt, dass du ein schlechtes Gewissen hast. Wäre mir klar gewesen, was du vorhast, hätte ich sofort alles rückgängig gemacht. Eine Lachnummer, das bin ich. Ich habe mich vor aller Welt zum Horst gemacht.«

      Er betrachtete das Bild von sich, wie er mit beiden Händen am Stahlträger hing. Zum Glück hatte er sein Mundtuch bis über die Nase gezogen, sein Gesicht wäre sonst in allen Einzelheiten zu erkennen gewesen. Trotzdem ahnten die meisten in seinem näheren Umfeld, wer sich hinter dem Nickname Achenar versteckte. Der Flurfunk in der Schule war ausgesprochen effektiv. Tim war hier inzwischen zu einer kleinen Berühmtheit geworden. Viele verfolgten seine Abenteuer, unterstützten ihn und hinterließen Botschaften. Aber für die vielen Neider, die es auch gab, war dieses Video ein gefundenes Fressen.

      »Vollspast«, stand in einem der Kommentare unter dem Video. »Hochmut kommt vor dem Fall« und »Fallobst«.

      Die wenigsten wussten seinen Mut und das Risiko zu würdigen. Hätte er es geschafft, ja, dann wären sie auf seiner Seite gewesen. So aber feierten sie seine Niederlage. The winner takes it all, the loser standing small, hieß es nicht so?

      »Nimm es raus«, sagte er geknickt. »Nimm den Scheiß offline und dann verlieren wir nie wieder ein Wort darüber.«

      »Ich soll was?« Farid starrte ihn ungläubig an.

      »Bist du taub? Rausnehmen habe ich gesagt. Hier und jetzt. Vielleicht können wir den Schaden noch begrenzen.«

      »Von was für einem Schaden faselst du da?« Farid sah ihn aufgebracht an. »Hast du dir mal die Klickzahlen angesehen? Das Video ist in den letzten zwölf Stunden dreiundzwanzigtausendmal aufgerufen worden. Ehe du hier durchdrehst, würde ich vorschlagen, mal einen Blick auf dein Patreon-Konto zu werfen. Ich bin sicher, dass du dir inzwischen zehn neue MP3-Player kaufen kannst. Und zwar nicht so einen gebrauchten Billigmist. Ich rede von dem richtig geilen Scheiß.«

      Mit großen Augen starrte Tim auf die Zahl. Farid hatte recht. Unfassbar, wie viele sich inzwischen den Film angeschaut hatten. Und mit jeder Minute wurden es mehr.

      In diesem Moment klingelte die Schulglocke. Tim zuckte zusammen.

      Farid stand auf und steckte den Laptop ein. »Schluss jetzt, die Show ist vorbei. Wir müssen zurück, ehe der Helbing uns entdeckt.«

      Tim stand ebenfalls auf. Seine Beine zitterten. Er wusste nicht, was er von alldem halten sollte. Seit er gestern von der Brücke gefallen war, schien alles außer Kontrolle.

      »Darüber reden wir noch«, murmelte er halbherzig.

      Zu Hause angekommen, konnte Tim es kaum erwarten, seinen Computer hochzufahren. Er stürmte durch die Wohnung, pfefferte seine Tasche aufs Bett und eilte zurück in die Küche, um sich rasch etwas zu essen zu holen. Sein nervöser Magen brauchte dringend eine Grundlage. Ein Geräusch ließ ihn innehalten. Er war so in Gedanken gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass er nicht alleine war. Emily stand wie ein Ausrufezeichen in der Tür.

      »Dir auch ein freundliches Hallo«, maulte sie vorwurfsvoll. »Schön, dich zu sehen.«

      Für ihre zehn Jahre war sie ganz schön frech.

      »Wieso bist du schon zu Hause?«, fragte Tim verblüfft. »Die Betreuung geht doch bis vier.«

      »Läuse«, lautete die lapidare Antwort. »Ich habe Hunger.«

      »Hm.« Tim durchsuchte den Schrank. »Wie wär’s mit Ravioli?«

      »Klaro. Ruf mich, wenn’s fertig ist.« Wusch, weg war sie.

      Tim war viel zu sehr in Gedanken, um sich über ihr Benehmen aufzuregen. Er war es gewohnt, von ihr wie ein Dienstbote behandelt zu werden. Dreiundzwanzigtausend. Das war vor einigen Stunden gewesen. Wie der Stand wohl inzwischen sein mochte? Das Internetportal WorldRunner bewegte sich in einer rechtlichen Grauzone. Manche Länder akzeptierten sie stillschweigend, andere, so wie Deutschland, beobachteten die Aktivitäten mit Argusaugen. Was auch der Grund war, warum man die Seite nur über ein ausgeklügeltes System erreichte. Mit einem Handy war das unmöglich. Ständig wurden die Serverstandorte verändert. Modernste Verschlüsselungsalgorithmen verschleierten den Ursprungsort der Betreiber. Tim hatte Gerüchte gehört, dass die Spielefirma GlobalGames-Incorporated in San Francisco dahintersteckte, doch ihr CEO, ein Mann namens Mortimer Hansen, wies alle Anschuldigungen von sich. Was die Behörden so alarmierte, war nicht der Umstand, dass Jugendliche bei dem Spiel mitunter in Lebensgefahr gerieten, sondern dass rund um die Spiele gewettet wurde. Illegales Glücksspiel um hohe Geldbeträge mochten die Gesetzeshüter nicht.

      Tim war’s egal, er wettete ohnehin nicht. Er war Runner, kein Viewer. Aber die, die auf seinen Erfolg gewettet hatten, waren jetzt möglicherweise um ein paar Hunderter oder Tausender ärmer. Vielleicht war das der Grund für den lauten Spott. Dreiundzwanzigtausend!

      Er konnte es kaum erwarten, die neuesten Zahlen abzurufen. Am Esstisch sah Emily ihn neugierig an, während er hastig die Ravioli runterschlang.

      »Du bist echt komisch heute«, sagte sie mit schiefem Blick.

      »Bin nicht komisch«, murmelte er mit vollem Mund.

      »Von wegen. Andauernd schielst du rüber in dein Zimmer. Ist was mit deinem Computer?«

      »Hab nur viel um die Ohren.« Er spülte den Bissen mit einem Schluck Apfelschorle runter und schob dann den Topf zu Emily rüber. »Ist für dich.« Hastig trank er noch einen letzten Schluck und wollte gerade aufstehen, als Emily die Bombe platzen ließ.

      »Es hat mit dem Spiel zu tun, oder?« Sie grinste.

      Er hob eine Braue. »Was meinst du?«

      »Ich weiß, was du machst. Ich weiß, dass du gestern nicht am Decksteiner Weiher warst.«

      Tim zuckte zusammen. »Wovon redest du?«, fragte er möglichst beiläufig.

      »Ich bin nicht blöde, ich habe den Film gesehen.«

      Um ein Haar hätte er das Glas fallen lassen. »Was für ein Film? Keine Ahnung, wovon du redest.« Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Was nicht einfach war. »Ich habe jetzt keine Zeit für so einen Kinderkram. Die nächste Stunde will ich nicht gestört werden, verstanden?« Er stand auf, ging in sein Zimmer und wollte die Tür hinter sich schließen, doch Emily kam ihm zuvor. »Ich sag’s Papa, wenn du es mir nicht erzählst. Max aus unserer Klasse hatte seinen Laptop dabei und hat uns den Film in der Pause gezeigt. Niemand wusste, dass du das bist, aber ich habe dich gleich erkannt. Deswegen warst du auch so nass.« Voller Stolz strahlte sie ihn an.

      Tim wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Seit wann durften die kleinen Kröten ihre Rechner mit in die Schule nehmen? Und wie zum Henker hatten sie es geschafft, sich in das Netzwerk von WorldRunner einzuloggen?

      »Also dann, das ist der Deal …« Emily trat auf ihn zu. »Du sagst mir, was du da getan hast, und lässt mich mitmachen oder ich erzähle Papa heute Abend alles. Der findet das bestimmt gar nicht gut.« Ihr Grinsen wurde breiter.

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