Название: World Runner (1). Die Jäger
Автор: Thomas Thiemeyer
Издательство: Readbox publishing GmbH
Жанр: Детские приключения
isbn: 9783401808840
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»Oh, das tut mir leid«, sagte Farid. »Ein Glück, dass du dein Handy nicht dabeihattest. Das wäre sonst auch im Arsch gewesen.«
»Allerdings. Um den Player ist es nicht schade. Er war alt und nicht mehr besonders gut. Vermutlich ist er deswegen verreckt, weil ich so lange gebraucht habe, um aus dem Wasser rauszukommen. Ich hab echt die Strömung unterschätzt.«
»Ich auch«, sagte Farid hastig. »Ich bin das ganze Ufer mit dem Rad abgefahren und habe dich nicht gefunden. Mann, was habe ich mir Sorgen gemacht. Wer kommt auch drauf, dass du zur anderen Seite rüberschwimmst.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass man dort besser rausklettern kann«, sagte Tim mit gesenkter Stimme. »Vermutlich hast du mir wieder mal nicht richtig zugehört. Ist auch egal jetzt. Mir wäre es lieber, wenn wir von was anderem sprechen. Muss ja nicht gleich die ganze Schule erfahren, was wir gestern getrieben haben.«
»Äh, jetzt, wo du es erwähnst«, Farid sah sich panisch um. »Es gibt da etwas, was ich dir sagen wollte …«
Tim stieß ein genervtes Grunzen aus. »Nicht jetzt, okay? Ich habe echt andere Probleme.«
»Wovon redest du?«
»Ich habe mich doch bei der Limmer für die mündliche Prüfung angemeldet, schon vergessen? Damit ich meine Note aufpolieren kann. Ich muss mich jetzt echt konzentrieren.« Er verschwieg, dass ihn dieses Gedicht so runtergezogen hatte, dass er keine Lust mehr auf irgendwas gehabt hatte. Nicht mal auf einen Chat mit seinem besten Kumpel.
»Na ja, dann eben später.« Irgendetwas lag Farid auf der Seele, das konnte Tim sehen. Aber was immer das war, es musste warten.
Als sie das Klassenzimmer erreichten, waren die meisten ihrer Mitschüler schon da und wieder hatte Tim ein etwas ungutes Gefühl, als er die anderen sah. In allen Ecken des Klassenzimmers wurde aufgeregt geredet und getuschelt. Als sie eintraten, erstarben die Gespräche – als hätte man bei einem Radio den Lautstärkeknopf auf null gedreht. Viele seiner Mitschüler warfen Tim interessierte Blicke zu, manche flüsterten hinter vorgehaltener Hand. Offensichtlich waren Farid und er die Einzigen, die keine Ahnung hatten, worum es ging. Oder?
Tim sah seinen Freund an. »Farid?«
Der schuldbewusste Blick verriet ihn sofort. »Ja?«
»Was hast du getan?«
»Ich …«
Weiter kam er nicht. Frau Limmer betrat den Raum und alle huschten auf ihre Plätze.
3
Los jetzt, raus mit der Sprache. Zeig es mir.«
Tim klopfte ungeduldig mit den Fingern auf die Tischplatte. Die Zeit bis zur großen Pause war ihm wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen. Immerhin hatte er die Prüfung gut über die Bühne gebracht. Kein Weinkrampf, kein Blackout, keine sonstigen Aussetzer. Frau Limmer war beeindruckt gewesen. Sie lobte ihn und versprach, es bei der Drei zu belassen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass er sich im nächsten Schuljahr mehr anstrengte.
»Ich warte«, sagte er.
Farid und er hatten sich ins Nebenzimmer des Physiksaals zurückgezogen. Der Raum war während der Pause unbewacht, hier hatten sie ihre Ruhe. Farid hatte seinen Laptop aufgebaut und sich ins schulinterne WLAN eingehackt. Der Zugriff auf die WorldRunner-Plattform funktionierte nicht übers Smartphone, sondern nur über einen gesicherten Zugang im Darknet. Dafür brauchte es deutlich mehr Rechenpower, als sein Smartphone aufbringen konnte. Was allerdings nicht bedeutete, dass Videos oder Beiträge von der WorldRunner-Plattform nicht später auch im normalen Internet landeten und für alle Welt sichtbar waren. Hatte es schon oft gegeben.
»Ich wollte es dir noch sagen«, stammelte er. »Aber du hast mich ja nicht gelassen.«
»Wie hätte ich auch ahnen können, was du getan hast?« Tim war fassungslos. Es fiel ihm immer noch schwer zu glauben, dass Farid das wirklich online gestellt hatte.
»Schau es dir am besten selbst an.« Sein Freund drehte den Rechner zu ihm. Gelbe Lettern auf blauem Untergrund, Tim wusste sofort, was er hier vor sich hatte.
WorldRunner war die offizielle Kommunikationsplattform für alle Scavenger, Hunter und Runner sowie deren Fans, die sich diesem abenteuerlichen Spiel verschrieben hatten. Hier waren die neuesten Veranstaltungen und die aktuellsten Claims verzeichnet. Hier gab es Secrets, Eastereggs und Videotagebücher sowie die aktuellen Highscore-Listen. Hier konnten Spieler Erfolge posten und sich von ihren Fans feiern lassen. Hier sorgten Patreon-Konten dafür, dass die Unterstützung nicht nur wortreich in den Kommentarspalten erfolgte, sondern sich auch finanziell auszahlte. Wer immer seinen Lieblingsspieler unterstützen wollte, konnte einen Betrag direkt auf das Konto des Betreffenden spenden. Zusätzlich konnten Zuschauer Wetten darauf abschließen, welche Runner auf- und welche absteigen würden. Wer würde am Stichtag die Charts anführen? Jeweils am Monatsende wurden auf dem Scoreboard die finalen Listen präsentiert und teils sehr hohe Beträge wechselten binnen Minuten ihre Besitzer.
Tim hatte sich während des letzten Jahres unaufhaltsam an die magische Grenze der besten einhundert Spieler herangearbeitet. Ihm fehlte nur noch Sakuras unlösbares Rätsel, um die Hürde zu knacken.
Diese Top 100 waren der Heilige Gral. Hier reinzukommen, bedeutete, dass man nicht nur clever und mutig sein musste, sondern auch, dass man Personality besaß. Es genügte nicht, nur ein guter Spieler zu sein, man musste seine Fans begeistern. Nur dann spendeten sie Geld für einen.
Eigentlich hatte er dieses Ziel noch vor Beginn der Sommerferien erreichen wollen, aber die neueste Entwicklung warf ihn garantiert um Jahre zurück.
Er starrte auf den Bildschirm.
Das Video war gleich auf der Startseite von WorldRunner zu finden. Betitelt war es mit: »Cliffhanger des Tages«. Daneben ein Emoji mit zusammengekniffenen Augen. Haha.
Tim drückte auf Play und bereitete sich auf das Schlimmste vor. Ihm bereitete es immer Schmerzen, sich selbst im Video zu sehen. Sosehr es ihn reizte, die Claims und Challenges zu lösen – das hatte er noch nie leiden können. Doch es machte die Bergung eines Claims natürlich viel glaubwürdiger. Nur wer sich dabei filmen ließ, konnte sicher sein, dass ihm nicht irgendein Neider die Beute streitig machte. Doch das hier besaß eine neue Qualität. Bei der Szene, in der er ins Leere griff und abstürzte, musste er schlucken. Das Gefühl war sofort zurück: Er spürte den Schlag in der Magengrube. Der Moment, als seine Füße die Wasseroberfläche durchstießen – es quetschte ihm die Luft aus den Lungen. Er meinte, den Rhein wieder riechen zu können, schmeckte den Ölfilm, atmete die feuchte Luft. Platschend und prustend trieb er den Fluss runter, bis er nur noch ein kleiner Punkt war, der verschwand.
Er hob seinen Kopf und starrte Farid an. Fassungslos.
»Warum«, fragte er. »Wie konntest du das tun?«
»Ich dachte, wir hätten das so besprochen«, polterte Farid mit hochrotem Kopf. »Ich bin dein PR-Manager. Ich filme, schneide, mache die Interviews. Ich sorge dafür, dass der Laden läuft und du gut aussiehst.«
»Gut aussiehst?« Tim hätte sich um ein Haar an seiner eigenen Spucke verschluckt. »Findest du, dass ich gut aussehe? Ich hänge da wie ein nasser Sack. Vom Finale ganz zu schweigen. So wie sich alle vorhin benommen haben, steht das Teil sicher schon längst auf allen Videokanälen.«
»Tut СКАЧАТЬ