Krimi-Sammlung Tod im Leuchtturm und 7 andere Krimis. A. F. Morland
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       Bount Reiniger liebte ihn! Sie waren Freunde schon seit ungezählten Jahren.

       »Was soll das heißen?«, bohrte Reiniger nach. »Wie man Leute halt so kennt ...«, äffte er anschließend Rogers hinterher. »Du rufst mich an, fragst mich, ob ich innerhalb einer Stunde reisefertig und am La Guardia sein kann. Ich Trottel sage ja, und jetzt fliegen wir schon seit vier Stunden, und ich weiß immer noch nicht, worum es geht! Nur den Namen >Lionel Listen< nennst du ab und zu und so leise wie einen Geheimtipp beim nächsten Pferderennen. Was soll das alles? Deine Flugangst in Ehren, lange genug hab’ ich darauf Rücksicht genommen, aber jetzt solltest du endlich Farbe bekennen. Wir landen in weniger als einer halben Stunde.«

       »Landen? Ogottogott!«

       »Wenn dir Fallschirmspringen lieber ist ...?«

       »Idiot!«

       »Na endlich«, meinte Reiniger. »Du findest wieder zu dir. Wer ist Lionel Lister?«

       Rogers bedachte Reiniger mit einem umflorten Blick. »Du gibst wohl nie auf, eh?«

       »Hättest du mich sonst mitgenommen? Gratis? Oder besser gesagt, auf Kosten von irgendwem? Nur so zum Spaß?«

       »Du wirst schon auf deinen Schnitt kommen«, brummte Captain Toby. Seine Grammatik war nicht einwandfrei, die Aussage dennoch klar. »Wer wüsste inzwischen nicht mehr, dass du der am besten bezahlte Privatbulle der Ostküste bist.«

       In Rogers' Feststellung nistete Neid. Ganz einwandfrei.

       »Lister!«, insistierte Reiniger weiter. »Und jetzt bitte keine Ausreden mehr. Ich hatte mehr als vier Stunden Geduld mit dir. Mehr, als ich je jemandem anderen einräumen würde.«

       »Willst du mir auf meine alten Tage noch ein paar Schuldkomplexe aufladen?«

       »Du brauchst nur zu reden, Honey-Boy.«

       Unter der Boeing 727 breitete sich inzwischen die Wüste von Nevada aus. Nicht das geringste Anzeichen von schneebedeckt oder gar verschneit. Die Berge lagen nackt wie Marylin Monroe in ihren totgeschwiegenen Pornofilmen unter dem Flieger.

       »Ja, das ist so«, begann Toby Rogers endlich. »Lionel Lister. Ich hab ihn bei mir immer nur den >Lion< genannt. Den >Löwen<. Wenn du ihn siehst, wirst du wissen, warum.«

       Reiniger schwieg. Toby Rogers fuhr fort.

       »Siehst du, Bount, vor einigen vielen Jahren war alles noch ein wenig anders bei uns. Was heißt war? Ist doch immer noch! Bei uns in New York gelten die Betreiber von Spielkasinos als kriminelle Elemente. Meist stimmt das ja auch. Aber einigen von ihnen hat Las Vegas damals eine legale Existenz geboten. Sie haben sie ergriffen. Kann ich etwa was für unsere Gesetze?«

       Captain Rogers konnte nicht. In diesem Punkt war Reiniger mit ihm einig.

       »Weiter, Toby.«

       »Las Vegas«, wiederholte Rogers, »hatte ihnen eine legale Existenz geboten. Sie galten wieder als geachtete Mitglieder der Gesellschaft und konnten sich neu in die Gemeinschaft eingliedern. Sie waren keine >Outcasts< mehr, keine Ausgeschlossenem. Und siehst du, unter der Ägide von Leuten wie Lion ist Las Vegas das geworden, was es heute ist: Eine von Verbrechen saubere Stadt. Allein in der Lexington Ave registrieren wir in einem Monat mehr Raubüberfälle als Vegas in einem Jahr. Unter dem Einfluss von Männern wie Lion Lister entwickelte sich Las Vegas zu einer geordneten, dem Gesetz unterstellten Gemeinschaft, unabhängig der verkommenen Spieler aus aller Welt, die meist schleunigst wieder abgeschoben werden, sobald man sie erkennt. Es entstanden Schulen und Kirchen, zwei Universitäten, der Fremdenverkehr nahm ungeahnten Aufschwung. Und Lion ist einer jener Pioniere, die das alles bewerkstelligt haben. Ich habe alle Achtung vor ihm. Er ist auch ein Freund.«

       »Du willst mir nicht sagen, wie das kam?«

       Rogers zuckte die Schultern. Plötzlich sah er abgekämpft und müde aus.

       »Die alte banale Story, Bount«, sagte er dann. »Er hat mir das Leben gerettet. Ich war noch ein junger Spund damals. Nahm an einer Razzia teil. Es ging ausgerechnet darum, einen unkonzessionierten Spielklub in Manhattan auszuheben, der schon damals in Nevada stocklegal gewesen wäre. Aber du kennst das ja. In New York gibt’s keine Todesstrafe mehr. Und fährst du durch den Holland Tunnel rüber nach New Jersey, spritzen sie die Leute mit Gift ins Jenseits. Was soll man als Cop schon davon halten? Den Kopf in den Gasofen stecken, eh? Herrgott! Soll ich etwa Präsident Ford einen Gauner nennen, weil er Nixon begnadigt hat? Oder einen Bankier einen Dieb, weil er mit seiner Bank bankrott machte? Oder eine Firma, die Personalkredite gibt, ein Wucherunternehmen? So wie unser Staat das Rentensystem handhabt, in etwa?«

       Darauf war schwerlich was zu sagen. Bount Reiniger huldigte ja selbst der Anschauung, dass keineswegs nur im Shakespeares »Staate Dänemark« etwas faul war. Besonders die USA standen ihm da in nichts nach. Die unselige Allianz zwischen Politik und Korruption war schließlich schon sprichwörtlich geworden.

       Toby Rogers fuhr leiser fort: »Wir rückten also dort an, ich weiß es noch so gut wie heute. In einer piekfeinen Privatwohnung an der Park Avenue war das. Lion arbeitete an einem Roulettetisch. Um ihn herum lauter Großkotze aus der sogenannten besten Gesellschaft und ihre Huren. Und einer dieser Großkotze fühlte sich eben big genug, einen Revolver zu ziehen und auf mich zu schießen. So nach dem Motto: Daddy wird’s schon richten. Und ich war ja auch nichts als ein kleiner, mickriger City-Bulle.«

       »Und dürr wie ein unterernährter Hering«, warf Reiniger ein, doch Rogers hatte offenbar nicht hingehört, denn er vollführte eine wegwerfende Handbewegung.

       »Der Knabe kam nur zu diesem einen Schuss, weil ihm Lion von hinten einen Schlagring über den Schädel zog.« Beinahe bekam Captain Toby vor Rührung feuchte Augen. »Ja, und das war’s dann schon. Der Junge wurde nicht mal angeklagt, doch Lion Lister brummten sie drei Jahre auf. Aber ich fühlte mich verdammt dankbar, verstehst du? Ich besuchte ihn öfter im Knast, setzte Himmel und Hölle in Bewegung und kriegte ihn schon nach vier Monaten wieder frei. Bald darauf siedelte er nach Vegas um. Trotzdem ist die Verbindung nie vollkommen abgerissen. Wann immer er in New York zu tun hat, lädt er mich großartig und zum teuersten Essen ein.«

       »Es geht eben nichts über die Liebe, die durch den Magen geht«, kommentierte Bount und handelte sich einen bösen Blick des Freundes dafür ein.

       »Ich war auch damals schon nicht mehr besonders schlank«, knurrte er.

       Die Maschine hatte das Fahrgestell ausgefahren. Sie setzte auf die Minute pünktlich auf.

      4

       Sie wurden abgeholt. Auf dem Rollfeld tauchte eine schwarze achtsitzige Cadillac-Limousine auf und stellte sich direkt neben die Gangway, kaum dass die an den Vogel herangerollt war.

       Captain Toby grinste, versuchte seine Jacke zuzuknöpfen, ließ es jedoch dann aufseufzend bleiben.

       »Der Schlitten ist doch nicht etwa für dich?«, wunderte sich Bount.

       »Für uns«, verbesserte Rogers. Er hatte sich für diese Reise extra ein paar Tage frei genommen. »Wir sind VIPs. Very important persons. Habe ich etwa vergessen, dir das zu erzählen?«

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