Bill geht in die Hocke und wartet. Sein Platz ist gut. Der, der ihn sehen will, muss schon ganz in den Raum kommen. Zwischen ihm und der Tür sitzt der gefesselte Dale wie auf dem Präsentierteller.
„Dale, schiebe den Stuhl hierher!", ruft eine barsche Stimme.
Dale stemmt die Füße auf den Boden und will den Stuhl vorwärtsrucken. Er schafft es nicht.
„Ehe du durch die Tür kommst, schieße ich dir in den Kopf!", verspricht Bill so laut, dass es auch der Bursche im Flur hören muss.
„Es geht nicht!", ächzt Dale und schielt zu Bill. Draußen erschallt ein Fluch.
Bill schiebt sich ein Stück am Bett vorwärts. Endlich kann er in den Gang blicken. Er sieht einen fauchenden Abschussblitz und hört das dumpfe Pochen, mit dem die Kugel über dem Bett in die Bretterwand fährt.
Krachend entlädt sich sein Colt. Draußen ist ein Schrei zu hören. Eine Waffe fällt klappernd auf die Dielen.
Bill springt auf und rennt zur Tür. Er sieht einen Mann, der sich die linke Hand auf den rechten Arm presst.
„Du hast aber Glück gehabt", sagt Jackson. „Ich wollte dir ins Herz schießen."
Der Kerl springt ihn mit einem wütenden Schrei an. Bill übersieht blitzschnell den Gang und erkennt zwei weitere Männer in der hinteren, dunklen Ecke. Sicher warten sie jetzt nur darauf, dass er weiter aus dem Raum kommt und sie ein besseres Ziel finden können.
Bill weicht zurück. Der Mann mit dem verletzten Arm springt über die Schwelle und läuft genau in Jacksons Schwinger, der ihn wieder auf den Gang hinaus katapultiert. wo er mit einem Schrei zu Boden geht. Über ihn hinweg schrammen Flammenblitze und Kugeln und heulen ins Zimmer herein. Dale will sich mitsamt dem Stuhl zu Boden werfen, schafft es aber nicht. Bill steht an der Kante neben der Tür. Er springt vor und schießt. Als ihm die Geschosse entgegenwehen, ist er bereits wieder in Deckung.
„Nicht!", ruft Dale. „Ihr trefft mich!"
„Verdammt, andere Möglichkeiten gibt es nicht", knurrt draußen eine Stimme. „Jim, aus dem Weg!"
Stiefel kratzen über die Dielen im Flur.
Bill streckt die Hand vor und zieht sie sofort wieder zurück.
Drei Schüsse fallen gleichzeitig. Als die Männer fluchen, weil sie geblufft worden sind, springt er vor und schießt.
Ein Schrei, ein Fall, dann ein entsetzter Ruf.
„Was ist?", fragt Jim draußen, der mit seinem verletzten Arm so gut wie kampfunfähig ist.
„Jules!", ruft eine zweite Stimme. „Jules!"
„Hölle, tot", sagt Jim. „Boss, jetzt hat er Jules erwischt!"
Die Treppe herauf wird etwas gerufen, das Bill nicht verstehen kann. Dann schleift etwas über die Dielen und holpert die Treppe hinunter. Sporen rasseln. Die Geräusche entfernen sich nach unten.
Bill schiebt den Arm aus der Deckung.
Nichts geschieht. Er wagt sich weiter vor. Immer noch nichts. Der Gang ist leer.
Bill schiebt die Tür zu, geht zu Dale und zieht ihn mit dem Stuhl bis an die Tür.
*
Es ist keine halbe Stunde vergangen, da sind im Flur wieder Geräusche zu hören.
„Jackson, jetzt wird es eine kleine Sprengung geben!", ruft eine hämische, kichernde Stimme. „Pass auf, dass dir keine Fetzen von der Tür um die Ohren fliegen!"
Dale ist weiß wie eine frisch gekalkte Wand geworden.
„Nein!", schreit er. „Nicht! Hört ihr? Er hat mich mit dem Stuhl gegen die Tür gerückt! Ihr bringt mich um!"
Draußen erschallen ellenlange Flüche. Zwei Männer tuscheln zusammen.
Bill lehnt sich gegen den Tisch und rollt sich eine Zigarette. Er lächelt dabei etwas. Er hat jetzt den besseren Trumpf in der Hand. Er führt die Regie. Aber noch ist ihm nicht klar, wie er mit Dale den Zug erreichen kann, wenn der bei den Bahnschuppen steht.
„Sagt meinem Vater, dass es so nicht geht!", ruft Dale, indem er den Kopf soweit nach hinten dreht, wie er das kann.
Jackson streicht mit einem Schwefellholz über die Tischplatte und brennt die Zigarette an. Langsam wandert er zum Fenster. Draußen vor der Tür entfernen sich Schritte. Minuten erfüllt wieder nichts als das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims den Raum. Dann sagt Dale: „Vielleicht wird es so sein, dass wir beide vor die Hunde gehen. Fort bringst du mich jedoch bestimmt nicht!"
Bill lehnt sich gegen die Wand und blickt den Burschen an.
„Wieviel hattest du an den Spieler zu bezahlen?", fragte er.
„Dreizehntausend."
„Und was hast du mit dem Rest gemacht?"
Dale lässt den Kopf auf die Brust sinken.
„Revanche gefordert", meint er.
*
Big John Hassel geht zur Theke hinüber, greift nach einem Glas und schenkt es voll. Seine Hände zittern, Sein Gesicht ist von tiefen Furchen zerrissen.
Der Keeper lehnt hinter der Theke an einem Regal und wagt kaum zu atmen.
Hassels Männer haben sich im Saloon verteilt. Es ist sehr ruhig.
Big John wendet sich um und lehnt sich mit dem Rücken gegen den Tresen. Er schaut Jim an, der jetzt einen Verband um den verletzten Arm hat, und dessen Gesicht grau durch das fahle Halbdunkel leuchtet.
„Licht!", schreit der Rancher auf einmal.
Der Keeper zuckt zusammen, stottert etwas Unverständliches und geht in die Küche.
„Jim, du sagst den Leuten, dass sie überall in der Stadt Lampen aufstellen sollen. Es darf keine dunkle Ecke geben."
„Ja, Boss." Jim verlässt den Saloon.
Big John trinkt. Er verzieht das Gesicht dabei, als würde es ihm nicht schmecken.
Der Keeper kommt mit einem Blechkanister aus der Küche zurück und füllt die Lampen auf, ehe er sie ansteckt.
Jim betritt den Saloon wieder.
„In fünf Minuten ist es wieder so hell wie am Tag", sagt er.
Big John schaut zur Treppe, die ins Obergeschoss führt.
„Denkt daran, dass Dale die Sache auf jeden Fall überleben muss", meint er. „Sonst ist alles umsonst gewesen."
Seine Cowboys nicken. Er sieht das nicht. Er sieht nur die Treppe.
Der Keeper schleppt den Kanister in die Küche zurück. Big John СКАЧАТЬ